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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Die Verwertung der Staatsarchive in Preußen

Betätigung in Marokko loyale Behandlung zugesichert worden ist, wird die
deutsche Diplomatie, nachdem sie so viel preisgegeben hat, hoffentlich Frankreich
in dieser Hinsicht auf die Finger sehen und zur loyalen Erfüllung seiner ein¬
gegangenen Verpflichtung anhalten.




Die Verwertung der Staatsarchive in Preußen und
in Frankreich
Heinrich v, poschinger von

nterm 31. August 1867 erließ der Präsident des Staatsministeriums
Graf von Bismarck seine erste Instruktion sür die Beamten der
Staatsarchive in den Provinzen"). Hinsichtlich der Benutzung
archivalischer Dokumente zu wissenschaftlichen Zwecken bestimmte
> er, daß Auszüge, Notizen und Abschriften der Archivbenutzer vor
jedem weiteren Gebrauche dem Archivvorstande vorgelegt werden müssen; sie
werden erst dann frei verfügbares Eigentum, wenn der Archivvorstand den
weiteren Gebrauch für zulässig erklärt. Diese Bestimmung atmete unzweifelhaft
noch ein Gefühl der Ängstlichkeit hinsichtlich der Benutzung der Staatsarchive,
die aber Bismarck im Laufe der Zeiten ganz überwunden hat.

Wie stiefmütterlich für das Archivwesen bis zum Jahre 1875 gesorgt war,
erhellt aus dem Umstände, daß die Leitung der Staatsarchive dem vortragenden
Rat des Kronprinzen, Geheimen Rat Duncker, als Nebenamt übertragen war,
wofür dieser nur 3000 Mark als Gehalt bezog. Dieser Etatsansatz stand noch
im Entwurf des preußischen Staatshaushaltsetats für das Jahr Z873.

Bismarck bedauerte schon damals, daß in bezug auf die bessere Verwertung
des Inhalts der Staatsarchive insbesondere für die neuere Zeit nichts Genügendes
geschehen sei; denn er war der Ansicht, daß unrichtige Urteile über die Ent¬
wickelung der preußischen Politik bis auf die neueren Zeiten hin durch eine aus
amtlichen Quellen geschöpfte angemessene Darstellung berichtigt werden müßten.
Namentlich würden aber mit der gesamten gebildeten Bevölkerung auch die
Vertreter der Politik, sowie die Leiter der Presse und die Gesamtheit der
Beamten sichere Unterlagen zur Beurteilung unserer Politik in der Gegenwart
gewinnen, deren Verständnis nur aus der Bekanntschaft mit den wahren Tat¬
sachen hervorgehen könne. "Der Vorteil einer solchen Aufklärung würde sich
in unseren Parlamenten bald bemerklich machen, da die Opposition in denselben



*) Abgedruckt in dein "Ministerialblatt für die gesamte innere Verwaltung Preußens"
Jahrgang 1867 S. 327.
Die Verwertung der Staatsarchive in Preußen

Betätigung in Marokko loyale Behandlung zugesichert worden ist, wird die
deutsche Diplomatie, nachdem sie so viel preisgegeben hat, hoffentlich Frankreich
in dieser Hinsicht auf die Finger sehen und zur loyalen Erfüllung seiner ein¬
gegangenen Verpflichtung anhalten.




Die Verwertung der Staatsarchive in Preußen und
in Frankreich
Heinrich v, poschinger von

nterm 31. August 1867 erließ der Präsident des Staatsministeriums
Graf von Bismarck seine erste Instruktion sür die Beamten der
Staatsarchive in den Provinzen"). Hinsichtlich der Benutzung
archivalischer Dokumente zu wissenschaftlichen Zwecken bestimmte
> er, daß Auszüge, Notizen und Abschriften der Archivbenutzer vor
jedem weiteren Gebrauche dem Archivvorstande vorgelegt werden müssen; sie
werden erst dann frei verfügbares Eigentum, wenn der Archivvorstand den
weiteren Gebrauch für zulässig erklärt. Diese Bestimmung atmete unzweifelhaft
noch ein Gefühl der Ängstlichkeit hinsichtlich der Benutzung der Staatsarchive,
die aber Bismarck im Laufe der Zeiten ganz überwunden hat.

Wie stiefmütterlich für das Archivwesen bis zum Jahre 1875 gesorgt war,
erhellt aus dem Umstände, daß die Leitung der Staatsarchive dem vortragenden
Rat des Kronprinzen, Geheimen Rat Duncker, als Nebenamt übertragen war,
wofür dieser nur 3000 Mark als Gehalt bezog. Dieser Etatsansatz stand noch
im Entwurf des preußischen Staatshaushaltsetats für das Jahr Z873.

Bismarck bedauerte schon damals, daß in bezug auf die bessere Verwertung
des Inhalts der Staatsarchive insbesondere für die neuere Zeit nichts Genügendes
geschehen sei; denn er war der Ansicht, daß unrichtige Urteile über die Ent¬
wickelung der preußischen Politik bis auf die neueren Zeiten hin durch eine aus
amtlichen Quellen geschöpfte angemessene Darstellung berichtigt werden müßten.
Namentlich würden aber mit der gesamten gebildeten Bevölkerung auch die
Vertreter der Politik, sowie die Leiter der Presse und die Gesamtheit der
Beamten sichere Unterlagen zur Beurteilung unserer Politik in der Gegenwart
gewinnen, deren Verständnis nur aus der Bekanntschaft mit den wahren Tat¬
sachen hervorgehen könne. „Der Vorteil einer solchen Aufklärung würde sich
in unseren Parlamenten bald bemerklich machen, da die Opposition in denselben



*) Abgedruckt in dein „Ministerialblatt für die gesamte innere Verwaltung Preußens"
Jahrgang 1867 S. 327.
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[0178] Die Verwertung der Staatsarchive in Preußen Betätigung in Marokko loyale Behandlung zugesichert worden ist, wird die deutsche Diplomatie, nachdem sie so viel preisgegeben hat, hoffentlich Frankreich in dieser Hinsicht auf die Finger sehen und zur loyalen Erfüllung seiner ein¬ gegangenen Verpflichtung anhalten. Die Verwertung der Staatsarchive in Preußen und in Frankreich Heinrich v, poschinger von nterm 31. August 1867 erließ der Präsident des Staatsministeriums Graf von Bismarck seine erste Instruktion sür die Beamten der Staatsarchive in den Provinzen"). Hinsichtlich der Benutzung archivalischer Dokumente zu wissenschaftlichen Zwecken bestimmte > er, daß Auszüge, Notizen und Abschriften der Archivbenutzer vor jedem weiteren Gebrauche dem Archivvorstande vorgelegt werden müssen; sie werden erst dann frei verfügbares Eigentum, wenn der Archivvorstand den weiteren Gebrauch für zulässig erklärt. Diese Bestimmung atmete unzweifelhaft noch ein Gefühl der Ängstlichkeit hinsichtlich der Benutzung der Staatsarchive, die aber Bismarck im Laufe der Zeiten ganz überwunden hat. Wie stiefmütterlich für das Archivwesen bis zum Jahre 1875 gesorgt war, erhellt aus dem Umstände, daß die Leitung der Staatsarchive dem vortragenden Rat des Kronprinzen, Geheimen Rat Duncker, als Nebenamt übertragen war, wofür dieser nur 3000 Mark als Gehalt bezog. Dieser Etatsansatz stand noch im Entwurf des preußischen Staatshaushaltsetats für das Jahr Z873. Bismarck bedauerte schon damals, daß in bezug auf die bessere Verwertung des Inhalts der Staatsarchive insbesondere für die neuere Zeit nichts Genügendes geschehen sei; denn er war der Ansicht, daß unrichtige Urteile über die Ent¬ wickelung der preußischen Politik bis auf die neueren Zeiten hin durch eine aus amtlichen Quellen geschöpfte angemessene Darstellung berichtigt werden müßten. Namentlich würden aber mit der gesamten gebildeten Bevölkerung auch die Vertreter der Politik, sowie die Leiter der Presse und die Gesamtheit der Beamten sichere Unterlagen zur Beurteilung unserer Politik in der Gegenwart gewinnen, deren Verständnis nur aus der Bekanntschaft mit den wahren Tat¬ sachen hervorgehen könne. „Der Vorteil einer solchen Aufklärung würde sich in unseren Parlamenten bald bemerklich machen, da die Opposition in denselben *) Abgedruckt in dein „Ministerialblatt für die gesamte innere Verwaltung Preußens" Jahrgang 1867 S. 327.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/178>, abgerufen am 29.04.2024.