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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

aus. Ich will ein Mensch sein. Kein Wunder, daß die Kanaille mich anbellte.
Warum sollte er es nicht tun? War ich doch kein Mensch. Ja, ja, ja, ich war
bis jetzt kein Mensch. Aber das ist aus. Ich heirate. Ich will nicht schlechter
sein als andere. Ich will mich nicht anbellen lassen. Morgen heirate ich. Gleich
morgen heirate ich."

Und als er sich endlich ausgestreckt hatte und einzuschlummern begann,
widerholte er durch die Zähne:

"Morgen."

Als er nicht morgen, sondern an demselben Tage um die Mittagzeit erwachte,
stand der Beschluß zu heiraten noch immer fest in ihm, nur warf er sich mit
bitterem Lachen die Frage auf, womit er heiraten, womit die Frau ernähren solle.
Er half sich kurz darüber hinweg.

"Eine Frau kann ich nicht ernähren. Daraus folgt, ich muß eine Frau
suchen, die sich selbst ernähren kann und auch die Kinder, die sich wahrscheinlich
einstellen. Eine Frau mit Geld muß ich suchen. Hin, aber wo eine finden?
Einerlei, wer sucht, der findet. Will die Augen auftun und mich umsehen.
Geheiratet wird, und zwar bald, das ist abgemacht."

(Fortsetzung folgt.)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspie gel

Der Hansabund -- Versagen der Reichsregierung -- Pläne und Aufgaben
der Regierung -- Bethmann Hollweg und Fürst Swjatopolk-Mirski -- Konservative
Ratschläge -- Die Jungliberalen.

Für die übers Jahr bevorstehenden Reichstagswahlen ist der Hansabund
als erster auf den Plan getreten und hat zur Schaffung eines Wahlfonds auf¬
gerufen. Sein Ruf ist allenthalben beachtet worden. Die gesamte Presse in
Deutschland, angefangen mit der "Nordd. Allg. Ztg." bis hinab zum "Vorwärts",
hat sich bemüht seine Wirkung zu verstärken. Die einseitigen Vertreter der Interessen
des Bundes der Landwirte sehen im Vorgehen des jüngeren Bundes eine schwere
Gefahr für ihre absolute Macht, und die Regierung, die die ungerechtesten Angriffe
aus dem agrarischen Lager geduldig hingenommen hat. fühlt sich durch den Ton
des Ausrufs beleidigt; sie bezeichnet das Auftreten des Hansabundcs als Demagogie.
Ganz unrecht hat die "norddeutsche Allgemeine Zeitung" nicht. Ihre Auffassung
wird auch von weiteren Kreisen geteilt, die dein Hansabund sonst sympathisch
gegenüberstehen. Freilich sieht man das Demagogische nicht wie das offiziöse Organ
in der Anführung der Tatsachen -- deren Richtigkeit ist über jeden Zweifel erhaben --,
sondern in deren Gegenüberstellung. Solche drastischen Bilder, wie sie der Hansa¬
bund vorführt, sind bisher den bürgerlichen Wählern noch nicht vorgehalten worden,
es sei denn durch den Bund der Landwirte. Der Bund der Landwirte hat diese


Maßgebliches und Unmaßgebliches

aus. Ich will ein Mensch sein. Kein Wunder, daß die Kanaille mich anbellte.
Warum sollte er es nicht tun? War ich doch kein Mensch. Ja, ja, ja, ich war
bis jetzt kein Mensch. Aber das ist aus. Ich heirate. Ich will nicht schlechter
sein als andere. Ich will mich nicht anbellen lassen. Morgen heirate ich. Gleich
morgen heirate ich."

Und als er sich endlich ausgestreckt hatte und einzuschlummern begann,
widerholte er durch die Zähne:

„Morgen."

Als er nicht morgen, sondern an demselben Tage um die Mittagzeit erwachte,
stand der Beschluß zu heiraten noch immer fest in ihm, nur warf er sich mit
bitterem Lachen die Frage auf, womit er heiraten, womit die Frau ernähren solle.
Er half sich kurz darüber hinweg.

„Eine Frau kann ich nicht ernähren. Daraus folgt, ich muß eine Frau
suchen, die sich selbst ernähren kann und auch die Kinder, die sich wahrscheinlich
einstellen. Eine Frau mit Geld muß ich suchen. Hin, aber wo eine finden?
Einerlei, wer sucht, der findet. Will die Augen auftun und mich umsehen.
Geheiratet wird, und zwar bald, das ist abgemacht."

(Fortsetzung folgt.)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspie gel

Der Hansabund — Versagen der Reichsregierung — Pläne und Aufgaben
der Regierung — Bethmann Hollweg und Fürst Swjatopolk-Mirski — Konservative
Ratschläge — Die Jungliberalen.

Für die übers Jahr bevorstehenden Reichstagswahlen ist der Hansabund
als erster auf den Plan getreten und hat zur Schaffung eines Wahlfonds auf¬
gerufen. Sein Ruf ist allenthalben beachtet worden. Die gesamte Presse in
Deutschland, angefangen mit der „Nordd. Allg. Ztg." bis hinab zum „Vorwärts",
hat sich bemüht seine Wirkung zu verstärken. Die einseitigen Vertreter der Interessen
des Bundes der Landwirte sehen im Vorgehen des jüngeren Bundes eine schwere
Gefahr für ihre absolute Macht, und die Regierung, die die ungerechtesten Angriffe
aus dem agrarischen Lager geduldig hingenommen hat. fühlt sich durch den Ton
des Ausrufs beleidigt; sie bezeichnet das Auftreten des Hansabundcs als Demagogie.
Ganz unrecht hat die „norddeutsche Allgemeine Zeitung" nicht. Ihre Auffassung
wird auch von weiteren Kreisen geteilt, die dein Hansabund sonst sympathisch
gegenüberstehen. Freilich sieht man das Demagogische nicht wie das offiziöse Organ
in der Anführung der Tatsachen — deren Richtigkeit ist über jeden Zweifel erhaben —,
sondern in deren Gegenüberstellung. Solche drastischen Bilder, wie sie der Hansa¬
bund vorführt, sind bisher den bürgerlichen Wählern noch nicht vorgehalten worden,
es sei denn durch den Bund der Landwirte. Der Bund der Landwirte hat diese


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[0192] Maßgebliches und Unmaßgebliches aus. Ich will ein Mensch sein. Kein Wunder, daß die Kanaille mich anbellte. Warum sollte er es nicht tun? War ich doch kein Mensch. Ja, ja, ja, ich war bis jetzt kein Mensch. Aber das ist aus. Ich heirate. Ich will nicht schlechter sein als andere. Ich will mich nicht anbellen lassen. Morgen heirate ich. Gleich morgen heirate ich." Und als er sich endlich ausgestreckt hatte und einzuschlummern begann, widerholte er durch die Zähne: „Morgen." Als er nicht morgen, sondern an demselben Tage um die Mittagzeit erwachte, stand der Beschluß zu heiraten noch immer fest in ihm, nur warf er sich mit bitterem Lachen die Frage auf, womit er heiraten, womit die Frau ernähren solle. Er half sich kurz darüber hinweg. „Eine Frau kann ich nicht ernähren. Daraus folgt, ich muß eine Frau suchen, die sich selbst ernähren kann und auch die Kinder, die sich wahrscheinlich einstellen. Eine Frau mit Geld muß ich suchen. Hin, aber wo eine finden? Einerlei, wer sucht, der findet. Will die Augen auftun und mich umsehen. Geheiratet wird, und zwar bald, das ist abgemacht." (Fortsetzung folgt.) Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspie gel Der Hansabund — Versagen der Reichsregierung — Pläne und Aufgaben der Regierung — Bethmann Hollweg und Fürst Swjatopolk-Mirski — Konservative Ratschläge — Die Jungliberalen. Für die übers Jahr bevorstehenden Reichstagswahlen ist der Hansabund als erster auf den Plan getreten und hat zur Schaffung eines Wahlfonds auf¬ gerufen. Sein Ruf ist allenthalben beachtet worden. Die gesamte Presse in Deutschland, angefangen mit der „Nordd. Allg. Ztg." bis hinab zum „Vorwärts", hat sich bemüht seine Wirkung zu verstärken. Die einseitigen Vertreter der Interessen des Bundes der Landwirte sehen im Vorgehen des jüngeren Bundes eine schwere Gefahr für ihre absolute Macht, und die Regierung, die die ungerechtesten Angriffe aus dem agrarischen Lager geduldig hingenommen hat. fühlt sich durch den Ton des Ausrufs beleidigt; sie bezeichnet das Auftreten des Hansabundcs als Demagogie. Ganz unrecht hat die „norddeutsche Allgemeine Zeitung" nicht. Ihre Auffassung wird auch von weiteren Kreisen geteilt, die dein Hansabund sonst sympathisch gegenüberstehen. Freilich sieht man das Demagogische nicht wie das offiziöse Organ in der Anführung der Tatsachen — deren Richtigkeit ist über jeden Zweifel erhaben —, sondern in deren Gegenüberstellung. Solche drastischen Bilder, wie sie der Hansa¬ bund vorführt, sind bisher den bürgerlichen Wählern noch nicht vorgehalten worden, es sei denn durch den Bund der Landwirte. Der Bund der Landwirte hat diese

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/192>, abgerufen am 29.04.2024.