Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Völker des Alten Testaments
Dr. A, Rösle von

<8>MM,
WM
^MM'KZWeit Jahrhunderten hatte sich die Theologie daran gewöhnt, die
^ biblischen Altertümer im wesentlichen aus sich selbst heraus zu
! erklären und sich gegen die Hilfswissenschaften zurückhaltend, ja
I fast ablehnend zu verhalten. Diese Forschungsweise ist nicht ohne
^ Einfluß darauf geblieben, daß die Archäologie ihrerseits Palästina
längere Zeit etwas vernachlässigt hat. Aber wenn auch die Archäologen Palästina
erst verhältnismäßig spät in den Bereich ihrer Tätigkeit gezogen haben, so sind
doch die Ergebnisse ihrer Forschung bereits so umfassend, daß wir imstande
sind, uns daraus ein Bild der vorchristlichen Kultur im Heiligen Lande zu
entwerfen, das allerdings einstweilen noch nicht in allen Punkten richtig ist und
nach den verschiedensten Seiten hin der Ergänzung bedarf.

Daß vor den Hebräern die Kananiter im Heiligen Lande gewohnt haben,
ist uns aus der Bibel geläufig; aber auch die Kananiter sind nicht die Ur¬
einwohner des Landes. Vor ihnen hielt ein anderes Volk seine Täter und
Höhen besetzt, von dem wir aber noch nicht wissen, woher es gekommen ist und
wes Stammes es war. Sowohl in Gezer als auch in Megiddo haben sich
Reste seiner Kultur nachweisen lassen, es fanden sich die Spuren dieser ältesten
Ansiedler in den untersten Erdschichten, auf dem gewachsenen Felsen. Wie
noch in späterer Zeit die Hörner, hausten sie in natürlichen Felshöhlen, die sie
mit ihren Steinwerkzeugen erweiterten und wohnlich herrichteten. In Megiddo
sind sogar kleine Nischen in den Wänden dieser Höhlen beobachtet worden, die
zur Aufstellung primitiver Lämpchen gedient haben mögen. In Gezer befand
sich in einer Höhle dieser Art ein Krematorium, das älteste, das bis jetzt auf
der Welt bekannt geworden ist: der Boden war mit einer etwa dreißig
Zentimeter hohen Aschenschicht bedeckt, in der deutlich verschiedene Verbrennungen
nacheinander und Reste von wenigstens hundert verbrannten Leichen aller Alters¬
stufen zu unterscheiden waren, die einer kleinen, hageren, vorsemitischen Rasse an¬
gehören. Die Decke der Höhle war von einem eingeschnittenen Schlot für
den Abzug des Rauches durchbrochen. Die Topfware dieser ältesten Bewohner,
wie sie sowohl in Megiddo als auch in Gezer gefunden wurde, ist aus porösem,




Die Völker des Alten Testaments
Dr. A, Rösle von

<8>MM,
WM
^MM'KZWeit Jahrhunderten hatte sich die Theologie daran gewöhnt, die
^ biblischen Altertümer im wesentlichen aus sich selbst heraus zu
! erklären und sich gegen die Hilfswissenschaften zurückhaltend, ja
I fast ablehnend zu verhalten. Diese Forschungsweise ist nicht ohne
^ Einfluß darauf geblieben, daß die Archäologie ihrerseits Palästina
längere Zeit etwas vernachlässigt hat. Aber wenn auch die Archäologen Palästina
erst verhältnismäßig spät in den Bereich ihrer Tätigkeit gezogen haben, so sind
doch die Ergebnisse ihrer Forschung bereits so umfassend, daß wir imstande
sind, uns daraus ein Bild der vorchristlichen Kultur im Heiligen Lande zu
entwerfen, das allerdings einstweilen noch nicht in allen Punkten richtig ist und
nach den verschiedensten Seiten hin der Ergänzung bedarf.

Daß vor den Hebräern die Kananiter im Heiligen Lande gewohnt haben,
ist uns aus der Bibel geläufig; aber auch die Kananiter sind nicht die Ur¬
einwohner des Landes. Vor ihnen hielt ein anderes Volk seine Täter und
Höhen besetzt, von dem wir aber noch nicht wissen, woher es gekommen ist und
wes Stammes es war. Sowohl in Gezer als auch in Megiddo haben sich
Reste seiner Kultur nachweisen lassen, es fanden sich die Spuren dieser ältesten
Ansiedler in den untersten Erdschichten, auf dem gewachsenen Felsen. Wie
noch in späterer Zeit die Hörner, hausten sie in natürlichen Felshöhlen, die sie
mit ihren Steinwerkzeugen erweiterten und wohnlich herrichteten. In Megiddo
sind sogar kleine Nischen in den Wänden dieser Höhlen beobachtet worden, die
zur Aufstellung primitiver Lämpchen gedient haben mögen. In Gezer befand
sich in einer Höhle dieser Art ein Krematorium, das älteste, das bis jetzt auf
der Welt bekannt geworden ist: der Boden war mit einer etwa dreißig
Zentimeter hohen Aschenschicht bedeckt, in der deutlich verschiedene Verbrennungen
nacheinander und Reste von wenigstens hundert verbrannten Leichen aller Alters¬
stufen zu unterscheiden waren, die einer kleinen, hageren, vorsemitischen Rasse an¬
gehören. Die Decke der Höhle war von einem eingeschnittenen Schlot für
den Abzug des Rauches durchbrochen. Die Topfware dieser ältesten Bewohner,
wie sie sowohl in Megiddo als auch in Gezer gefunden wurde, ist aus porösem,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0564" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/317515"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341891_316950/figures/grenzboten_341891_316950_317515_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Völker des Alten Testaments<lb/><note type="byline"> Dr. A, Rösle</note> von</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2708"> &lt;8&gt;MM,<lb/>
WM<lb/>
^MM'KZWeit Jahrhunderten hatte sich die Theologie daran gewöhnt, die<lb/>
^ biblischen Altertümer im wesentlichen aus sich selbst heraus zu<lb/>
! erklären und sich gegen die Hilfswissenschaften zurückhaltend, ja<lb/>
I fast ablehnend zu verhalten. Diese Forschungsweise ist nicht ohne<lb/>
^ Einfluß darauf geblieben, daß die Archäologie ihrerseits Palästina<lb/>
längere Zeit etwas vernachlässigt hat. Aber wenn auch die Archäologen Palästina<lb/>
erst verhältnismäßig spät in den Bereich ihrer Tätigkeit gezogen haben, so sind<lb/>
doch die Ergebnisse ihrer Forschung bereits so umfassend, daß wir imstande<lb/>
sind, uns daraus ein Bild der vorchristlichen Kultur im Heiligen Lande zu<lb/>
entwerfen, das allerdings einstweilen noch nicht in allen Punkten richtig ist und<lb/>
nach den verschiedensten Seiten hin der Ergänzung bedarf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2709" next="#ID_2710"> Daß vor den Hebräern die Kananiter im Heiligen Lande gewohnt haben,<lb/>
ist uns aus der Bibel geläufig; aber auch die Kananiter sind nicht die Ur¬<lb/>
einwohner des Landes. Vor ihnen hielt ein anderes Volk seine Täter und<lb/>
Höhen besetzt, von dem wir aber noch nicht wissen, woher es gekommen ist und<lb/>
wes Stammes es war. Sowohl in Gezer als auch in Megiddo haben sich<lb/>
Reste seiner Kultur nachweisen lassen, es fanden sich die Spuren dieser ältesten<lb/>
Ansiedler in den untersten Erdschichten, auf dem gewachsenen Felsen. Wie<lb/>
noch in späterer Zeit die Hörner, hausten sie in natürlichen Felshöhlen, die sie<lb/>
mit ihren Steinwerkzeugen erweiterten und wohnlich herrichteten. In Megiddo<lb/>
sind sogar kleine Nischen in den Wänden dieser Höhlen beobachtet worden, die<lb/>
zur Aufstellung primitiver Lämpchen gedient haben mögen. In Gezer befand<lb/>
sich in einer Höhle dieser Art ein Krematorium, das älteste, das bis jetzt auf<lb/>
der Welt bekannt geworden ist: der Boden war mit einer etwa dreißig<lb/>
Zentimeter hohen Aschenschicht bedeckt, in der deutlich verschiedene Verbrennungen<lb/>
nacheinander und Reste von wenigstens hundert verbrannten Leichen aller Alters¬<lb/>
stufen zu unterscheiden waren, die einer kleinen, hageren, vorsemitischen Rasse an¬<lb/>
gehören. Die Decke der Höhle war von einem eingeschnittenen Schlot für<lb/>
den Abzug des Rauches durchbrochen. Die Topfware dieser ältesten Bewohner,<lb/>
wie sie sowohl in Megiddo als auch in Gezer gefunden wurde, ist aus porösem,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0564] [Abbildung] Die Völker des Alten Testaments Dr. A, Rösle von <8>MM, WM ^MM'KZWeit Jahrhunderten hatte sich die Theologie daran gewöhnt, die ^ biblischen Altertümer im wesentlichen aus sich selbst heraus zu ! erklären und sich gegen die Hilfswissenschaften zurückhaltend, ja I fast ablehnend zu verhalten. Diese Forschungsweise ist nicht ohne ^ Einfluß darauf geblieben, daß die Archäologie ihrerseits Palästina längere Zeit etwas vernachlässigt hat. Aber wenn auch die Archäologen Palästina erst verhältnismäßig spät in den Bereich ihrer Tätigkeit gezogen haben, so sind doch die Ergebnisse ihrer Forschung bereits so umfassend, daß wir imstande sind, uns daraus ein Bild der vorchristlichen Kultur im Heiligen Lande zu entwerfen, das allerdings einstweilen noch nicht in allen Punkten richtig ist und nach den verschiedensten Seiten hin der Ergänzung bedarf. Daß vor den Hebräern die Kananiter im Heiligen Lande gewohnt haben, ist uns aus der Bibel geläufig; aber auch die Kananiter sind nicht die Ur¬ einwohner des Landes. Vor ihnen hielt ein anderes Volk seine Täter und Höhen besetzt, von dem wir aber noch nicht wissen, woher es gekommen ist und wes Stammes es war. Sowohl in Gezer als auch in Megiddo haben sich Reste seiner Kultur nachweisen lassen, es fanden sich die Spuren dieser ältesten Ansiedler in den untersten Erdschichten, auf dem gewachsenen Felsen. Wie noch in späterer Zeit die Hörner, hausten sie in natürlichen Felshöhlen, die sie mit ihren Steinwerkzeugen erweiterten und wohnlich herrichteten. In Megiddo sind sogar kleine Nischen in den Wänden dieser Höhlen beobachtet worden, die zur Aufstellung primitiver Lämpchen gedient haben mögen. In Gezer befand sich in einer Höhle dieser Art ein Krematorium, das älteste, das bis jetzt auf der Welt bekannt geworden ist: der Boden war mit einer etwa dreißig Zentimeter hohen Aschenschicht bedeckt, in der deutlich verschiedene Verbrennungen nacheinander und Reste von wenigstens hundert verbrannten Leichen aller Alters¬ stufen zu unterscheiden waren, die einer kleinen, hageren, vorsemitischen Rasse an¬ gehören. Die Decke der Höhle war von einem eingeschnittenen Schlot für den Abzug des Rauches durchbrochen. Die Topfware dieser ältesten Bewohner, wie sie sowohl in Megiddo als auch in Gezer gefunden wurde, ist aus porösem,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/564
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/564>, abgerufen am 29.04.2024.