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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Oskar Jäger
Gedächtnisrede im Deutschen Gymnasialverein zu Göttingen am 2. Oktober ^0
Paul Lauer von

is Oskar Jäger in der Osterdienstags-Versammlung rheinischer
Schulmänner am 9. April 1892 über die Ergebnisse des Jahres
s berichtete, das den höheren Schulen Preußens neue Lehrpläne
gebracht hatte, da sagte er: "Wir, die wir am Gymnasium tätig
sind, haben jetzt vor allen: die Pflicht, daß wir den Dingen fest
ins Auge sehen und uns keine Täuschung machen über die Tragweite der Ver¬
änderung, die vor sich gegangen ist. Es ist wie dort, als nach den ersten Nach¬
richten von der Schlacht am Trasimenischen See am Abend des Tages der
Prätor Pomponius vor das Volk trat und ihm mitteilte: puZna maZna pinel
SUMU8, (Zuinteg. Das alte Gymnasium als .Gelehrtenschule' ist durch die
Wendung der Dinge in seinen Grundfesten erschüttert." Eine ähnliche
Empfindung hatten wir, als zu Anfang März dieses Jahres sich die Kunde
verbreitete, daß unser Altmeister aus dein Bereiche irdischen Wirkens abgerufen
sei. Was der Verlust des einen Mannes für die Sache, die er vertrat, aus¬
machte, darf wohl mit der Bedeutung einer verlorenen Schlacht verglichen
werden. Und doch mußte es einmal so kommen; der Hochbetagte hat der
Natur den Tribut gezahlt. seiner Sinnesart am wenigsten würde es ent¬
sprechen, wenn wir in feierlicher Stunde des Erinnerns dem Schmerz uns hin¬
geben wollten. Vielmehr sollen wir uns freudig dessen bewußt werden, was
wir an ihm besessen haben und in den Aufgaben, die er uns vorgezeichnet hat,
noch besitzen.

Jägers Leben stellt mit dem Gange, den es genommen hat, wie in persön¬
lichem Bilde ein kraftvolles Stück deutscher Entwickelung dar: aus dein Engen
ins Weite, von weltabgeschiedener Wissenschaft zu praktischer, nationaler Politik,
von jugendlich unreifer Schwärmerei zu männlicher Klarheit. Er war in Schwaben
zu Hause und hat die eigentümlich strenge Schulbildung und Universttätsbildung
durchgemacht, die dort von alters her Brauch war und im wesentlichen heute
noch besteht. Daß, wer im Leben vorwärts kommen will, sich auf einen Wett¬
kampf einzurichten hat, davon will unsere weichliche Zeit nicht gern etwas hören;




Oskar Jäger
Gedächtnisrede im Deutschen Gymnasialverein zu Göttingen am 2. Oktober ^0
Paul Lauer von

is Oskar Jäger in der Osterdienstags-Versammlung rheinischer
Schulmänner am 9. April 1892 über die Ergebnisse des Jahres
s berichtete, das den höheren Schulen Preußens neue Lehrpläne
gebracht hatte, da sagte er: „Wir, die wir am Gymnasium tätig
sind, haben jetzt vor allen: die Pflicht, daß wir den Dingen fest
ins Auge sehen und uns keine Täuschung machen über die Tragweite der Ver¬
änderung, die vor sich gegangen ist. Es ist wie dort, als nach den ersten Nach¬
richten von der Schlacht am Trasimenischen See am Abend des Tages der
Prätor Pomponius vor das Volk trat und ihm mitteilte: puZna maZna pinel
SUMU8, (Zuinteg. Das alte Gymnasium als .Gelehrtenschule' ist durch die
Wendung der Dinge in seinen Grundfesten erschüttert." Eine ähnliche
Empfindung hatten wir, als zu Anfang März dieses Jahres sich die Kunde
verbreitete, daß unser Altmeister aus dein Bereiche irdischen Wirkens abgerufen
sei. Was der Verlust des einen Mannes für die Sache, die er vertrat, aus¬
machte, darf wohl mit der Bedeutung einer verlorenen Schlacht verglichen
werden. Und doch mußte es einmal so kommen; der Hochbetagte hat der
Natur den Tribut gezahlt. seiner Sinnesart am wenigsten würde es ent¬
sprechen, wenn wir in feierlicher Stunde des Erinnerns dem Schmerz uns hin¬
geben wollten. Vielmehr sollen wir uns freudig dessen bewußt werden, was
wir an ihm besessen haben und in den Aufgaben, die er uns vorgezeichnet hat,
noch besitzen.

Jägers Leben stellt mit dem Gange, den es genommen hat, wie in persön¬
lichem Bilde ein kraftvolles Stück deutscher Entwickelung dar: aus dein Engen
ins Weite, von weltabgeschiedener Wissenschaft zu praktischer, nationaler Politik,
von jugendlich unreifer Schwärmerei zu männlicher Klarheit. Er war in Schwaben
zu Hause und hat die eigentümlich strenge Schulbildung und Universttätsbildung
durchgemacht, die dort von alters her Brauch war und im wesentlichen heute
noch besteht. Daß, wer im Leben vorwärts kommen will, sich auf einen Wett¬
kampf einzurichten hat, davon will unsere weichliche Zeit nicht gern etwas hören;


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[0068] [Abbildung] Oskar Jäger Gedächtnisrede im Deutschen Gymnasialverein zu Göttingen am 2. Oktober ^0 Paul Lauer von is Oskar Jäger in der Osterdienstags-Versammlung rheinischer Schulmänner am 9. April 1892 über die Ergebnisse des Jahres s berichtete, das den höheren Schulen Preußens neue Lehrpläne gebracht hatte, da sagte er: „Wir, die wir am Gymnasium tätig sind, haben jetzt vor allen: die Pflicht, daß wir den Dingen fest ins Auge sehen und uns keine Täuschung machen über die Tragweite der Ver¬ änderung, die vor sich gegangen ist. Es ist wie dort, als nach den ersten Nach¬ richten von der Schlacht am Trasimenischen See am Abend des Tages der Prätor Pomponius vor das Volk trat und ihm mitteilte: puZna maZna pinel SUMU8, (Zuinteg. Das alte Gymnasium als .Gelehrtenschule' ist durch die Wendung der Dinge in seinen Grundfesten erschüttert." Eine ähnliche Empfindung hatten wir, als zu Anfang März dieses Jahres sich die Kunde verbreitete, daß unser Altmeister aus dein Bereiche irdischen Wirkens abgerufen sei. Was der Verlust des einen Mannes für die Sache, die er vertrat, aus¬ machte, darf wohl mit der Bedeutung einer verlorenen Schlacht verglichen werden. Und doch mußte es einmal so kommen; der Hochbetagte hat der Natur den Tribut gezahlt. seiner Sinnesart am wenigsten würde es ent¬ sprechen, wenn wir in feierlicher Stunde des Erinnerns dem Schmerz uns hin¬ geben wollten. Vielmehr sollen wir uns freudig dessen bewußt werden, was wir an ihm besessen haben und in den Aufgaben, die er uns vorgezeichnet hat, noch besitzen. Jägers Leben stellt mit dem Gange, den es genommen hat, wie in persön¬ lichem Bilde ein kraftvolles Stück deutscher Entwickelung dar: aus dein Engen ins Weite, von weltabgeschiedener Wissenschaft zu praktischer, nationaler Politik, von jugendlich unreifer Schwärmerei zu männlicher Klarheit. Er war in Schwaben zu Hause und hat die eigentümlich strenge Schulbildung und Universttätsbildung durchgemacht, die dort von alters her Brauch war und im wesentlichen heute noch besteht. Daß, wer im Leben vorwärts kommen will, sich auf einen Wett¬ kampf einzurichten hat, davon will unsere weichliche Zeit nicht gern etwas hören;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/68>, abgerufen am 29.04.2024.