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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.

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Für das Erbrecht des Reiches

der Schwerpunkt der Feststellung des Nachlasses in die Gemeinde verlegt wird,
so ist es in noch höherem Grade bei der Einziehung der Reichserbschaften der
Fall. Denn hierbei handelt es sich um die Ermittelung von Verlassenschaften,
bei denen nahe erbberechtigte Angehörige nicht vorhanden sind, bei denen also
noch die Gefahr hinzukommt, daß Nachlaßgegenstände beiseite geschafft werden.
Hier besonders muß schnell eingegriffen, der Nachlaß durch die nächste Behörde
amtlich gesichert und festgestellt werden. Dies wird um so schneller, gründlicher
und vollständiger geschehen, wenn die Gemeinde selbst an der Erbschaft beteiligt
ist. Auf diese Weise werden die Interessen der Gemeinde mit den Reichs¬
interessen eng verbunden, so daß beide völlig ineinander greifen. Das Reich
erhält eine Bürgschaft für sein Erbrecht in dem Interesse der beteiligten Gemeinde.
Die Gemeinde hinwiederum nimmt ihren eigenen Vorteil wahr, wenn sie den
Vorteil des Reiches wahrt. Mir will diese Verbindung als eine glückliche und
nicht bloß im finanziellen Interesse fruchtbare erscheinen. Es muß wesentlich
zur Kräftigung des Reichsgedankens beitragen, wenn jede deutsche Gemeinde im
Norden und Süden auf Gedeih und Verderb mit den Interessen des Reiches
verbunden ist.

Es wird nicht überflüssig sein, zum Schlüsse zu erörtern, wie die den
Gemeinden zufallenden Beträge zu verwenden sind. Dabei ist zu erwägen,
daß es sich der Natur der Sache uach nicht um regelmäßig wieder¬
kehrende, sichere Einnahmen handelt, sondern um unständige, die vom
Zufall abhängig sind. Die Erbfälle sind nicht in jedem Jahre die¬
selben und sie verteilen sich nicht in wünschenswerter Weise gleich¬
mäßig auf alle Gemeinden. Schon aus diesen: Grunde wird es sich nicht
empfehlen, die eingehenden Anteile an Erbschaften zur Deckung von
laufenden Ausgaben zu verwenden, so wenig, wie es zulässig erscheint, die
entsprechenden Reichseinkünfte anders als zur Erhöhung des Stammvermögens
des Reiches zu verwenden, zunächst also zur Tilgung der Reichsschuld. Dem¬
entsprechend müßten auch die in Rede stehenden Einkünfte den dauernden
Interessen der Gemeinde gewidmet, zweckmäßig also einem zu errichtenden
Grundstock für planmäßige Schuldentilgung zugeführt werden. Welche Er¬
leichterung es für die so stark belasteten Gemeinden bedeutet, wenn ihnen
jährlich 25 Millionen Mark zufallen, eine Summe, mit der sich der sechste Teil
der ganzen Schuldenzinsen tilgen ließe, -- das bedarf keiner näheren Dar¬
legung. Auch wenn der Ertrag erheblich geringer wäre, bildet das Erbrecht
des Reiches eine unversiegbare Quelle für die stetige Besserung der Reichs- und
der Gemeindefinanzen.




Für das Erbrecht des Reiches

der Schwerpunkt der Feststellung des Nachlasses in die Gemeinde verlegt wird,
so ist es in noch höherem Grade bei der Einziehung der Reichserbschaften der
Fall. Denn hierbei handelt es sich um die Ermittelung von Verlassenschaften,
bei denen nahe erbberechtigte Angehörige nicht vorhanden sind, bei denen also
noch die Gefahr hinzukommt, daß Nachlaßgegenstände beiseite geschafft werden.
Hier besonders muß schnell eingegriffen, der Nachlaß durch die nächste Behörde
amtlich gesichert und festgestellt werden. Dies wird um so schneller, gründlicher
und vollständiger geschehen, wenn die Gemeinde selbst an der Erbschaft beteiligt
ist. Auf diese Weise werden die Interessen der Gemeinde mit den Reichs¬
interessen eng verbunden, so daß beide völlig ineinander greifen. Das Reich
erhält eine Bürgschaft für sein Erbrecht in dem Interesse der beteiligten Gemeinde.
Die Gemeinde hinwiederum nimmt ihren eigenen Vorteil wahr, wenn sie den
Vorteil des Reiches wahrt. Mir will diese Verbindung als eine glückliche und
nicht bloß im finanziellen Interesse fruchtbare erscheinen. Es muß wesentlich
zur Kräftigung des Reichsgedankens beitragen, wenn jede deutsche Gemeinde im
Norden und Süden auf Gedeih und Verderb mit den Interessen des Reiches
verbunden ist.

Es wird nicht überflüssig sein, zum Schlüsse zu erörtern, wie die den
Gemeinden zufallenden Beträge zu verwenden sind. Dabei ist zu erwägen,
daß es sich der Natur der Sache uach nicht um regelmäßig wieder¬
kehrende, sichere Einnahmen handelt, sondern um unständige, die vom
Zufall abhängig sind. Die Erbfälle sind nicht in jedem Jahre die¬
selben und sie verteilen sich nicht in wünschenswerter Weise gleich¬
mäßig auf alle Gemeinden. Schon aus diesen: Grunde wird es sich nicht
empfehlen, die eingehenden Anteile an Erbschaften zur Deckung von
laufenden Ausgaben zu verwenden, so wenig, wie es zulässig erscheint, die
entsprechenden Reichseinkünfte anders als zur Erhöhung des Stammvermögens
des Reiches zu verwenden, zunächst also zur Tilgung der Reichsschuld. Dem¬
entsprechend müßten auch die in Rede stehenden Einkünfte den dauernden
Interessen der Gemeinde gewidmet, zweckmäßig also einem zu errichtenden
Grundstock für planmäßige Schuldentilgung zugeführt werden. Welche Er¬
leichterung es für die so stark belasteten Gemeinden bedeutet, wenn ihnen
jährlich 25 Millionen Mark zufallen, eine Summe, mit der sich der sechste Teil
der ganzen Schuldenzinsen tilgen ließe, — das bedarf keiner näheren Dar¬
legung. Auch wenn der Ertrag erheblich geringer wäre, bildet das Erbrecht
des Reiches eine unversiegbare Quelle für die stetige Besserung der Reichs- und
der Gemeindefinanzen.




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[0067] Für das Erbrecht des Reiches der Schwerpunkt der Feststellung des Nachlasses in die Gemeinde verlegt wird, so ist es in noch höherem Grade bei der Einziehung der Reichserbschaften der Fall. Denn hierbei handelt es sich um die Ermittelung von Verlassenschaften, bei denen nahe erbberechtigte Angehörige nicht vorhanden sind, bei denen also noch die Gefahr hinzukommt, daß Nachlaßgegenstände beiseite geschafft werden. Hier besonders muß schnell eingegriffen, der Nachlaß durch die nächste Behörde amtlich gesichert und festgestellt werden. Dies wird um so schneller, gründlicher und vollständiger geschehen, wenn die Gemeinde selbst an der Erbschaft beteiligt ist. Auf diese Weise werden die Interessen der Gemeinde mit den Reichs¬ interessen eng verbunden, so daß beide völlig ineinander greifen. Das Reich erhält eine Bürgschaft für sein Erbrecht in dem Interesse der beteiligten Gemeinde. Die Gemeinde hinwiederum nimmt ihren eigenen Vorteil wahr, wenn sie den Vorteil des Reiches wahrt. Mir will diese Verbindung als eine glückliche und nicht bloß im finanziellen Interesse fruchtbare erscheinen. Es muß wesentlich zur Kräftigung des Reichsgedankens beitragen, wenn jede deutsche Gemeinde im Norden und Süden auf Gedeih und Verderb mit den Interessen des Reiches verbunden ist. Es wird nicht überflüssig sein, zum Schlüsse zu erörtern, wie die den Gemeinden zufallenden Beträge zu verwenden sind. Dabei ist zu erwägen, daß es sich der Natur der Sache uach nicht um regelmäßig wieder¬ kehrende, sichere Einnahmen handelt, sondern um unständige, die vom Zufall abhängig sind. Die Erbfälle sind nicht in jedem Jahre die¬ selben und sie verteilen sich nicht in wünschenswerter Weise gleich¬ mäßig auf alle Gemeinden. Schon aus diesen: Grunde wird es sich nicht empfehlen, die eingehenden Anteile an Erbschaften zur Deckung von laufenden Ausgaben zu verwenden, so wenig, wie es zulässig erscheint, die entsprechenden Reichseinkünfte anders als zur Erhöhung des Stammvermögens des Reiches zu verwenden, zunächst also zur Tilgung der Reichsschuld. Dem¬ entsprechend müßten auch die in Rede stehenden Einkünfte den dauernden Interessen der Gemeinde gewidmet, zweckmäßig also einem zu errichtenden Grundstock für planmäßige Schuldentilgung zugeführt werden. Welche Er¬ leichterung es für die so stark belasteten Gemeinden bedeutet, wenn ihnen jährlich 25 Millionen Mark zufallen, eine Summe, mit der sich der sechste Teil der ganzen Schuldenzinsen tilgen ließe, — das bedarf keiner näheren Dar¬ legung. Auch wenn der Ertrag erheblich geringer wäre, bildet das Erbrecht des Reiches eine unversiegbare Quelle für die stetige Besserung der Reichs- und der Gemeindefinanzen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316950/67>, abgerufen am 15.05.2024.