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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Der rote Rausch

des einzelnen anpassen. Durch Überlassung der Privatangestelltenversicherung
an die Privatversicherung kann man vor allein auch erreichen, daß der Angestellte
wirklich zu der Überzeugung gelangt, durch die Verpflichtung seines Arbeitgebers
zur Beitragsleistung für seine Versicherung einen Vorteil aus dem Gesetz zu
erlangen. Und nur dadurch kann herbeigeführt werden, was Negierung und
Volksvertretung doch wohl in erster Linie erstreben: die Zufriedenheit der
Angestellten.




Der rote Rausch
Joseph Aug. Luz Roman von
(Fortsetzung,)

Aber der Bruder Gastons, der verwachsene Richard, legte die Hand auf seine
Schulter und sagte: "Latz dich nicht irre machen, Bruder! Tue, wie Marcellin
dir befiehlt. Wenn ich wäre wie du, ha! Heute nähme ich noch den Wander¬
stecken! Paris, Paris!"

Vor den Augen Gastons stand wieder, von des Bruders Ahnung beschrieben,
das lockende Phantom Paris. Marcellin will es so. Das war es ja, weshalb
er in der Heimat nicht froh werden, weshalb er hier kein volles Glück finden
konnte, weshalb er die Rosen nicht beachtete, die in den Gärten dufteten, die Liebe
nicht bedankte, die aus allen Herzen wie aus tiefen Brünnlein floß, der Weinbergs-
freuden vergaß und selbst den magischen Augen der schönen Jeanne widerstand,
deren Liebesblick in Trauer ging, von langen, dunklen Wimpern beschattet.

Lachend und weinend fiel Gaston dein Richard um den Hals.

"Bruderherz! Jeanne ist meine Braut. Behüte sie! Wenn ich wiederkomme,
will ich sie finden, unverändert, unversehrt, ihre Liebe, ihre Treue. Behüte sie
wie dein Auge. Du stehst mir gut für sie, schwöre es mir, schwöre!"

Und Richard schwor.

Der Abend zündete alle Lichter der Freude an. Die Sterne tropften vor
Glanz, die Hügel entschliefen, wohlig hingestreckt, traumhäuptig, und der Weinbergs-
freudenrausch stieg ins Tal hinab, wo die bunten Lampions als farbige Zauber¬
vögel über deu Köpfen schwebten.

Maskenscherze wurden aufgeführt; eine lebensgroße Puppe wurde gebracht,
Gaston getauft, in einen Bottich als Sarg gelegt und zu Grabe getragen.

"Qastvn eLt mort, vive Oaston!" schrie die fröhliche Bande und zog unter
übermütigen Heulen und Wehklagen hinter dein Leichenzug einher.

Gaston machte gute Miene und tat es allen anderen zuvor. Er ging als
Erster hinter seiner Leiche her und weinte alle Tränen seines Lachens in sein
Schnupftüchlein hinein.

Man war des Gottes voll.

Der junge Weingott hatte seinen Thron im schloßähnlichen Hause Marcellins
aufgeschlagen; dort ging es am fröhlichsten her. Eine Milchstraße von Wind"


Der rote Rausch

des einzelnen anpassen. Durch Überlassung der Privatangestelltenversicherung
an die Privatversicherung kann man vor allein auch erreichen, daß der Angestellte
wirklich zu der Überzeugung gelangt, durch die Verpflichtung seines Arbeitgebers
zur Beitragsleistung für seine Versicherung einen Vorteil aus dem Gesetz zu
erlangen. Und nur dadurch kann herbeigeführt werden, was Negierung und
Volksvertretung doch wohl in erster Linie erstreben: die Zufriedenheit der
Angestellten.




Der rote Rausch
Joseph Aug. Luz Roman von
(Fortsetzung,)

Aber der Bruder Gastons, der verwachsene Richard, legte die Hand auf seine
Schulter und sagte: „Latz dich nicht irre machen, Bruder! Tue, wie Marcellin
dir befiehlt. Wenn ich wäre wie du, ha! Heute nähme ich noch den Wander¬
stecken! Paris, Paris!"

Vor den Augen Gastons stand wieder, von des Bruders Ahnung beschrieben,
das lockende Phantom Paris. Marcellin will es so. Das war es ja, weshalb
er in der Heimat nicht froh werden, weshalb er hier kein volles Glück finden
konnte, weshalb er die Rosen nicht beachtete, die in den Gärten dufteten, die Liebe
nicht bedankte, die aus allen Herzen wie aus tiefen Brünnlein floß, der Weinbergs-
freuden vergaß und selbst den magischen Augen der schönen Jeanne widerstand,
deren Liebesblick in Trauer ging, von langen, dunklen Wimpern beschattet.

Lachend und weinend fiel Gaston dein Richard um den Hals.

„Bruderherz! Jeanne ist meine Braut. Behüte sie! Wenn ich wiederkomme,
will ich sie finden, unverändert, unversehrt, ihre Liebe, ihre Treue. Behüte sie
wie dein Auge. Du stehst mir gut für sie, schwöre es mir, schwöre!"

Und Richard schwor.

Der Abend zündete alle Lichter der Freude an. Die Sterne tropften vor
Glanz, die Hügel entschliefen, wohlig hingestreckt, traumhäuptig, und der Weinbergs-
freudenrausch stieg ins Tal hinab, wo die bunten Lampions als farbige Zauber¬
vögel über deu Köpfen schwebten.

Maskenscherze wurden aufgeführt; eine lebensgroße Puppe wurde gebracht,
Gaston getauft, in einen Bottich als Sarg gelegt und zu Grabe getragen.

„Qastvn eLt mort, vive Oaston!" schrie die fröhliche Bande und zog unter
übermütigen Heulen und Wehklagen hinter dein Leichenzug einher.

Gaston machte gute Miene und tat es allen anderen zuvor. Er ging als
Erster hinter seiner Leiche her und weinte alle Tränen seines Lachens in sein
Schnupftüchlein hinein.

Man war des Gottes voll.

Der junge Weingott hatte seinen Thron im schloßähnlichen Hause Marcellins
aufgeschlagen; dort ging es am fröhlichsten her. Eine Milchstraße von Wind»


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[0538] Der rote Rausch des einzelnen anpassen. Durch Überlassung der Privatangestelltenversicherung an die Privatversicherung kann man vor allein auch erreichen, daß der Angestellte wirklich zu der Überzeugung gelangt, durch die Verpflichtung seines Arbeitgebers zur Beitragsleistung für seine Versicherung einen Vorteil aus dem Gesetz zu erlangen. Und nur dadurch kann herbeigeführt werden, was Negierung und Volksvertretung doch wohl in erster Linie erstreben: die Zufriedenheit der Angestellten. Der rote Rausch Joseph Aug. Luz Roman von (Fortsetzung,) Aber der Bruder Gastons, der verwachsene Richard, legte die Hand auf seine Schulter und sagte: „Latz dich nicht irre machen, Bruder! Tue, wie Marcellin dir befiehlt. Wenn ich wäre wie du, ha! Heute nähme ich noch den Wander¬ stecken! Paris, Paris!" Vor den Augen Gastons stand wieder, von des Bruders Ahnung beschrieben, das lockende Phantom Paris. Marcellin will es so. Das war es ja, weshalb er in der Heimat nicht froh werden, weshalb er hier kein volles Glück finden konnte, weshalb er die Rosen nicht beachtete, die in den Gärten dufteten, die Liebe nicht bedankte, die aus allen Herzen wie aus tiefen Brünnlein floß, der Weinbergs- freuden vergaß und selbst den magischen Augen der schönen Jeanne widerstand, deren Liebesblick in Trauer ging, von langen, dunklen Wimpern beschattet. Lachend und weinend fiel Gaston dein Richard um den Hals. „Bruderherz! Jeanne ist meine Braut. Behüte sie! Wenn ich wiederkomme, will ich sie finden, unverändert, unversehrt, ihre Liebe, ihre Treue. Behüte sie wie dein Auge. Du stehst mir gut für sie, schwöre es mir, schwöre!" Und Richard schwor. Der Abend zündete alle Lichter der Freude an. Die Sterne tropften vor Glanz, die Hügel entschliefen, wohlig hingestreckt, traumhäuptig, und der Weinbergs- freudenrausch stieg ins Tal hinab, wo die bunten Lampions als farbige Zauber¬ vögel über deu Köpfen schwebten. Maskenscherze wurden aufgeführt; eine lebensgroße Puppe wurde gebracht, Gaston getauft, in einen Bottich als Sarg gelegt und zu Grabe getragen. „Qastvn eLt mort, vive Oaston!" schrie die fröhliche Bande und zog unter übermütigen Heulen und Wehklagen hinter dein Leichenzug einher. Gaston machte gute Miene und tat es allen anderen zuvor. Er ging als Erster hinter seiner Leiche her und weinte alle Tränen seines Lachens in sein Schnupftüchlein hinein. Man war des Gottes voll. Der junge Weingott hatte seinen Thron im schloßähnlichen Hause Marcellins aufgeschlagen; dort ging es am fröhlichsten her. Eine Milchstraße von Wind»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/538>, abgerufen am 03.05.2024.