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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Der rote Rausch

Der rote Rausch
Joseph Aug. lux Roman von
(Fortsetzung.) lit.
Das Blut der <Lrds.

Dunkeläugige Traube
La la la, laa la,
Der Himmel mis Laube
La la la, laa la.

Die ganze Kaserne trällerte das Lied.

Gaston wußte noch mehr solcher Chansons. O, was das betrifft, Gaston
war ein Kamerad, einen bessern findst du nit!

"He, Gastoni Gibt es schöne Mädchen in deiner Heimat?" fragte der Korporal,
fragte der Sergeant, fragten die Kameraden.

Gaston in Habtachtstellung lächelte, lächelte, bis der Mund von einem Ohr
zum anderen reichte.

Wie kann es in Gastons Heimat etwas anderes geben als schöne Mädchen!
Besonders in Perpignan! Von Jeanne abgesehen, die war ja die Königin der
Schönheit, und sie war zugleich Gastons Braut, weshalb niemand außer ihm das
begehrliche Auge zu ihr erheben durfte, niemand! "Hört ihr, Kameraden, niemand!
Ich erschlüge ihn auf der Stelle, und wär's mein leiblicher Bruder!"

Aber Gaston wurde bei der Erinnerung an Jeanne wieder kleinlaut.

Wie viele Wochen, Monate sind vergangen, daß er von Jeanne kein Brieflein
mehr erhalten hatte! Freilich, der treue Bruder Richard hatte ihn beruhigt, ein
goldener KerlI Es wäre ja möglich, daß Jeannes Briefe ihn nicht erreicht haben
würden, da Gaston mit seiner Truppe in den letzten Monaten von einem Übungs¬
feld nach dem anderen, die Kreuz und Quer von Frankreich geschickt worden war
und keine verläßliche Adresse anzugeben hatte.

Nun aber war der Befehl an die Linie Nummer siebzehn, in der Gaston
diente, gekommen, daß man sich zum Aufbruch nach dem Midi bereit halten
müsse, und zwar nach den Gegenden von Perpignan, Carcassone, Montpellier,
Narbonne, Argellier, kurz nach den Hauptorten des südlichen Weinlandes.

Gaston schlug vor Freude Purzelbäume.

"Kameraden, das wird ein himmlischer Tag werden! Zur Weinlesezeit Z Ihr
braucht euch auf der Straße nur auf den Bauch zu legen, und was euch in den
Mund rinnt, ist purer Wein. Ihr braucht nur aus einem Brunnen zu schöpfen,
und was ihr schöpft, ist süßer Most! Was wird sich Jeanne freuen, was wird
sich Bruder Richard freuen, wenn Gaston zu Besuch kommt, Gaston als Soldat,
Gaston als Held, Gaston als Verteidiger seines Vaterlandes und seiner geliebten
Heimat!"

Es standen viele junge Leute aus dem Süden in der Linie, und einige von
ihnen wollten wissen, daß es keine Spazierfahrt nach der Heimat sein werde,
sondern daß es Aufstand dort unten gebe.

Andere bestritten es, vor allem Gaston.


Der rote Rausch

Der rote Rausch
Joseph Aug. lux Roman von
(Fortsetzung.) lit.
Das Blut der <Lrds.

Dunkeläugige Traube
La la la, laa la,
Der Himmel mis Laube
La la la, laa la.

Die ganze Kaserne trällerte das Lied.

Gaston wußte noch mehr solcher Chansons. O, was das betrifft, Gaston
war ein Kamerad, einen bessern findst du nit!

„He, Gastoni Gibt es schöne Mädchen in deiner Heimat?" fragte der Korporal,
fragte der Sergeant, fragten die Kameraden.

Gaston in Habtachtstellung lächelte, lächelte, bis der Mund von einem Ohr
zum anderen reichte.

Wie kann es in Gastons Heimat etwas anderes geben als schöne Mädchen!
Besonders in Perpignan! Von Jeanne abgesehen, die war ja die Königin der
Schönheit, und sie war zugleich Gastons Braut, weshalb niemand außer ihm das
begehrliche Auge zu ihr erheben durfte, niemand! „Hört ihr, Kameraden, niemand!
Ich erschlüge ihn auf der Stelle, und wär's mein leiblicher Bruder!"

Aber Gaston wurde bei der Erinnerung an Jeanne wieder kleinlaut.

Wie viele Wochen, Monate sind vergangen, daß er von Jeanne kein Brieflein
mehr erhalten hatte! Freilich, der treue Bruder Richard hatte ihn beruhigt, ein
goldener KerlI Es wäre ja möglich, daß Jeannes Briefe ihn nicht erreicht haben
würden, da Gaston mit seiner Truppe in den letzten Monaten von einem Übungs¬
feld nach dem anderen, die Kreuz und Quer von Frankreich geschickt worden war
und keine verläßliche Adresse anzugeben hatte.

Nun aber war der Befehl an die Linie Nummer siebzehn, in der Gaston
diente, gekommen, daß man sich zum Aufbruch nach dem Midi bereit halten
müsse, und zwar nach den Gegenden von Perpignan, Carcassone, Montpellier,
Narbonne, Argellier, kurz nach den Hauptorten des südlichen Weinlandes.

Gaston schlug vor Freude Purzelbäume.

„Kameraden, das wird ein himmlischer Tag werden! Zur Weinlesezeit Z Ihr
braucht euch auf der Straße nur auf den Bauch zu legen, und was euch in den
Mund rinnt, ist purer Wein. Ihr braucht nur aus einem Brunnen zu schöpfen,
und was ihr schöpft, ist süßer Most! Was wird sich Jeanne freuen, was wird
sich Bruder Richard freuen, wenn Gaston zu Besuch kommt, Gaston als Soldat,
Gaston als Held, Gaston als Verteidiger seines Vaterlandes und seiner geliebten
Heimat!"

Es standen viele junge Leute aus dem Süden in der Linie, und einige von
ihnen wollten wissen, daß es keine Spazierfahrt nach der Heimat sein werde,
sondern daß es Aufstand dort unten gebe.

Andere bestritten es, vor allem Gaston.


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[0130] Der rote Rausch Der rote Rausch Joseph Aug. lux Roman von (Fortsetzung.) lit. Das Blut der <Lrds. Dunkeläugige Traube La la la, laa la, Der Himmel mis Laube La la la, laa la. Die ganze Kaserne trällerte das Lied. Gaston wußte noch mehr solcher Chansons. O, was das betrifft, Gaston war ein Kamerad, einen bessern findst du nit! „He, Gastoni Gibt es schöne Mädchen in deiner Heimat?" fragte der Korporal, fragte der Sergeant, fragten die Kameraden. Gaston in Habtachtstellung lächelte, lächelte, bis der Mund von einem Ohr zum anderen reichte. Wie kann es in Gastons Heimat etwas anderes geben als schöne Mädchen! Besonders in Perpignan! Von Jeanne abgesehen, die war ja die Königin der Schönheit, und sie war zugleich Gastons Braut, weshalb niemand außer ihm das begehrliche Auge zu ihr erheben durfte, niemand! „Hört ihr, Kameraden, niemand! Ich erschlüge ihn auf der Stelle, und wär's mein leiblicher Bruder!" Aber Gaston wurde bei der Erinnerung an Jeanne wieder kleinlaut. Wie viele Wochen, Monate sind vergangen, daß er von Jeanne kein Brieflein mehr erhalten hatte! Freilich, der treue Bruder Richard hatte ihn beruhigt, ein goldener KerlI Es wäre ja möglich, daß Jeannes Briefe ihn nicht erreicht haben würden, da Gaston mit seiner Truppe in den letzten Monaten von einem Übungs¬ feld nach dem anderen, die Kreuz und Quer von Frankreich geschickt worden war und keine verläßliche Adresse anzugeben hatte. Nun aber war der Befehl an die Linie Nummer siebzehn, in der Gaston diente, gekommen, daß man sich zum Aufbruch nach dem Midi bereit halten müsse, und zwar nach den Gegenden von Perpignan, Carcassone, Montpellier, Narbonne, Argellier, kurz nach den Hauptorten des südlichen Weinlandes. Gaston schlug vor Freude Purzelbäume. „Kameraden, das wird ein himmlischer Tag werden! Zur Weinlesezeit Z Ihr braucht euch auf der Straße nur auf den Bauch zu legen, und was euch in den Mund rinnt, ist purer Wein. Ihr braucht nur aus einem Brunnen zu schöpfen, und was ihr schöpft, ist süßer Most! Was wird sich Jeanne freuen, was wird sich Bruder Richard freuen, wenn Gaston zu Besuch kommt, Gaston als Soldat, Gaston als Held, Gaston als Verteidiger seines Vaterlandes und seiner geliebten Heimat!" Es standen viele junge Leute aus dem Süden in der Linie, und einige von ihnen wollten wissen, daß es keine Spazierfahrt nach der Heimat sein werde, sondern daß es Aufstand dort unten gebe. Andere bestritten es, vor allem Gaston.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/130>, abgerufen am 18.05.2024.