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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Reformvorschläge für die deutschen Universitäten

IV.

Haben sich die bisherigen Ausführungen in der Hauptsache mit den
Lamprechtschen Vorschlägen beschäftigt, so fragt es sich weiter, ob diese nicht
noch einer Ergänzung bedürfen. In dieser Hinsicht kommt vor allem eine
Frage in Betracht, die von mancher Seite als Kernpunkt einer erfolgreichen
Reform unseres Universitätswesens angesehen wird: die Frage einer zeit¬
gemäßen Umgestaltung der Einkommenverhältnisse der Universitäts¬
lehrer. Bekanntlich fließt deren dienstliches Einkommen in Deutschland aus
drei verschiedenen Quellen: aus festen Besoldungen, aus den Honoraren der
Studenten für Vorlesungen und Übungen und aus deu größtenteils in den
Promotionsgebühren bestehenden Fakultütseinnahmen. Die beiden zuletzt erwähnten
Einnahmen gehören in die Klasse der Gebühren und unterliegen daher den
jedem Gebührenbezug von Beamten entgegenstehenden Bedenken, die einesteils
auf der Ungleichmäßigkeit dieser Einnahme und andernteils in der mit der
Würde des Amts nicht wohl verträglichen Abhängigkeit beruhen, in die der
Empfänger der Gebühr gegenüber demjenigen kommt, von dem er sie erhält.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß beide Bedenken auch dem Bezüge der
sogenannten Kolleggelder für die heute den Hauptteil der Lehrverpflichtung der
Universitätsprofessoren bildenden LolleZia privata entgegenstehen.

Was das zuerst erwähnte Bedenken betrifft, so bewirkt das zeitweise Zurück¬
gehen der Frequenz bei einzelnen Fakultäten einen für dje beteiligten Professoren
störenden Eiunahmeausfall, der z. B. in der Gegenwart von den Professoren
der Theologie recht unangenehm empfunden wird. Aber auch von diesen zeit¬
lichen Schwankungen abgesehen, herrscht regelmäßig eine außerordentliche Ver¬
schiedenheit des Kolleggelderbezuges bei verschiedenen Universitätslehrern. Belaufen
sich diese Einnahmen an großen Universitäten bei den Vertretern wichtiger juristischer
und medizinischer Fächer und bei einzelnen Professoren der Volkswirtschaft, der
Geschichte, der Chemie, der Physik u. a. auf mehrere, ja mitunter viele Tausende
von Mark im Jahre, so nehmen dagegen die Professoren für Sanskrit und
andere orientalische Sprachen, für Mathematik, für Astronomie usw. kaum einige
Hundert ein. Selbstverständlich beruhen diese Verschiedenheiten nicht auf
geringerer wissenschaftlicher Tüchtigkeit oder geringerem Diensteifer der zuletzt
gedachten Universitätslehrer, sondern auf von deren Person ganz unabhängigen
Umständen. Zunächst kommt in Betracht, daß es mehr Studenten der Juris¬
prudenz, der Medizin, der Chemie usw. gibt, als Sanskritisten, Astronomen
und Mathematiker, sodann daß für die ersteren die von ihnen so zahlreich
belegten Fachkollegien Prüfungsfächer betreffen, ja zum Teil geradezu sogenannte
Zwangskollegien sind, endlich wohl auch, daß gewisse Vorlesungen deshalb einen
großen Hörerkreis versammeln, weil sie einen populären, alleKreise der Studierenden
interessierenden Gegenstand behandeln. Dabei bedingt die Größe der Frequenz
keineswegs immer eine größere Anstrengung des betreffenden Lehrers. Zwar
ist es für manche angreifender, in einen: größeren als in einem kleineren Raum


Reformvorschläge für die deutschen Universitäten

IV.

Haben sich die bisherigen Ausführungen in der Hauptsache mit den
Lamprechtschen Vorschlägen beschäftigt, so fragt es sich weiter, ob diese nicht
noch einer Ergänzung bedürfen. In dieser Hinsicht kommt vor allem eine
Frage in Betracht, die von mancher Seite als Kernpunkt einer erfolgreichen
Reform unseres Universitätswesens angesehen wird: die Frage einer zeit¬
gemäßen Umgestaltung der Einkommenverhältnisse der Universitäts¬
lehrer. Bekanntlich fließt deren dienstliches Einkommen in Deutschland aus
drei verschiedenen Quellen: aus festen Besoldungen, aus den Honoraren der
Studenten für Vorlesungen und Übungen und aus deu größtenteils in den
Promotionsgebühren bestehenden Fakultütseinnahmen. Die beiden zuletzt erwähnten
Einnahmen gehören in die Klasse der Gebühren und unterliegen daher den
jedem Gebührenbezug von Beamten entgegenstehenden Bedenken, die einesteils
auf der Ungleichmäßigkeit dieser Einnahme und andernteils in der mit der
Würde des Amts nicht wohl verträglichen Abhängigkeit beruhen, in die der
Empfänger der Gebühr gegenüber demjenigen kommt, von dem er sie erhält.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß beide Bedenken auch dem Bezüge der
sogenannten Kolleggelder für die heute den Hauptteil der Lehrverpflichtung der
Universitätsprofessoren bildenden LolleZia privata entgegenstehen.

Was das zuerst erwähnte Bedenken betrifft, so bewirkt das zeitweise Zurück¬
gehen der Frequenz bei einzelnen Fakultäten einen für dje beteiligten Professoren
störenden Eiunahmeausfall, der z. B. in der Gegenwart von den Professoren
der Theologie recht unangenehm empfunden wird. Aber auch von diesen zeit¬
lichen Schwankungen abgesehen, herrscht regelmäßig eine außerordentliche Ver¬
schiedenheit des Kolleggelderbezuges bei verschiedenen Universitätslehrern. Belaufen
sich diese Einnahmen an großen Universitäten bei den Vertretern wichtiger juristischer
und medizinischer Fächer und bei einzelnen Professoren der Volkswirtschaft, der
Geschichte, der Chemie, der Physik u. a. auf mehrere, ja mitunter viele Tausende
von Mark im Jahre, so nehmen dagegen die Professoren für Sanskrit und
andere orientalische Sprachen, für Mathematik, für Astronomie usw. kaum einige
Hundert ein. Selbstverständlich beruhen diese Verschiedenheiten nicht auf
geringerer wissenschaftlicher Tüchtigkeit oder geringerem Diensteifer der zuletzt
gedachten Universitätslehrer, sondern auf von deren Person ganz unabhängigen
Umständen. Zunächst kommt in Betracht, daß es mehr Studenten der Juris¬
prudenz, der Medizin, der Chemie usw. gibt, als Sanskritisten, Astronomen
und Mathematiker, sodann daß für die ersteren die von ihnen so zahlreich
belegten Fachkollegien Prüfungsfächer betreffen, ja zum Teil geradezu sogenannte
Zwangskollegien sind, endlich wohl auch, daß gewisse Vorlesungen deshalb einen
großen Hörerkreis versammeln, weil sie einen populären, alleKreise der Studierenden
interessierenden Gegenstand behandeln. Dabei bedingt die Größe der Frequenz
keineswegs immer eine größere Anstrengung des betreffenden Lehrers. Zwar
ist es für manche angreifender, in einen: größeren als in einem kleineren Raum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/267>, abgerufen am 26.05.2024.