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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Reformvorschläge für die deutschen Universitäten

zu sprechen. Indessen macht es wohl im ganzen lernen großen Unterschied, ob
man vor hundert, zweihundert oder dreihundert Studenten vorträgt. Anders
liegt es bei den praktischen Übungen. Hier soll sich allerdings der Lehrer dem
einzelnen Seminaristen und Praktikanten widmen. Hier wird also die Erhöhung
der Teilnehmerzahl an und für sich auch mit erhöhter Anstrengung für den
Leiter dieser Übungen verbunden sein, so besonders wenn etwa schriftliche Arbeiten
der Schüler zu korrigieren und herauszugeben sind, oder wenn bei praktischen
Übungen in den Laboratorien Anleitung und Unterstützung gewährt werden
müssen. Es ist aber früher darauf hingewiesen worden, daß diese Tätigkeit dem
leitenden Professor vielfach durch seine Assistenten erleichtert oder abgenommen
wird, so daß auch hier die Anstrengung nicht immer mit dem stärkeren Besuch
und der wachsenden Kolleggcldereinnahme im gleichen Verhältnisse zunimmt.

Was nun den zweiten oben herausgehobenen, für den Ersatz der Gebühren¬
einnahme durch feste Besoldung sprechenden Grund anbetrifft, so ist nicht zu
leugnen, daß auch der Honorarbezug die pekuniäre Lage der Universitätslehrer
in eine gewisse Abhängigkeit bringt von der Gunst der Studierenden, von dem
größeren oder geringeren Besuch ihrer Vorlesungen und Übungen, insbesondere
der Zahl der Doktoranden, die sich in ihrem Laboratorium auf die Promotion
vorbereiten. Hierdurch kann für schwächere Charaktere die Versuchung entstehen,
daß sie, um ihr Kollegium oder ihr Praktikum zu füllen, den Wünschen ihrer
Schüler ungerechtfertigtes Entgegenkommen zeigen, ihnen bei Anfertigung ihrer
Dissertationen zu weitgehende Unterstützung gewähren oder sogar ihre Stellung
als Examinatoren mißbrauchen, indem sie solche Prüflinge, die bei ihnen belegt
haben, leichter, oder solche, die das nicht getan haben, schwerer als üblich prüfen.
Wird man auch einen solchen Verdacht im allgemeinen gewiß zurückweisen dürfen,
so schädigt doch schon die Möglichkeit, daß er ausgesprochen werden kann, das
Ansehen der Universitäten und macht die Einrichtung, auf der diese Möglichkeit
beruht, den privaten Kolleggelderbezug, bedenklich.

Wenn es dennoch bis in die jüngste Zeit in Deutschland an Verteidigern
des Kolleghonorars nicht gefehlt hat, so sind die Gründe dieser Verteidigung,
wie sie u. a. von Friedrich Paulsen entwickelt worden sind, unschwer zu
widerlegen. Was aber die Abänderung der in Deutschland in betreff des Kolleg¬
honorarbezugs geltenden Einrichtungen anlangt, so ist der eine der möglichen
Wege, der auf die Umwandlung der von den Studenten zu entrichtenden Vor¬
lesungshonorare in eine feste Studiengebühr hinausläuft, um deswillen abzulehnen,
weil man von einer derartigen Maßregel eine Beeinträchtigung fürchten müßte
nicht nur des Privatdozententums als wichtiger Vorbilduugsstufe des akademischen
Nachwuchses, sondern auch der studentischen Lernfreiheit als eines segensreichen
Mittels, die akademische Jugend zu persönlicher Selbständigkeit und zu persön¬
lichem Verantwortlichkeitsgefühl zu erziehen. Allein auch hiervon abgesehen
bleiben noch verschiedene Wege denkbar. Die einen halten das auf den öster¬
reichischen Universitäten beobachtete Verfahren, wobei die besoldeten Professoren


Reformvorschläge für die deutschen Universitäten

zu sprechen. Indessen macht es wohl im ganzen lernen großen Unterschied, ob
man vor hundert, zweihundert oder dreihundert Studenten vorträgt. Anders
liegt es bei den praktischen Übungen. Hier soll sich allerdings der Lehrer dem
einzelnen Seminaristen und Praktikanten widmen. Hier wird also die Erhöhung
der Teilnehmerzahl an und für sich auch mit erhöhter Anstrengung für den
Leiter dieser Übungen verbunden sein, so besonders wenn etwa schriftliche Arbeiten
der Schüler zu korrigieren und herauszugeben sind, oder wenn bei praktischen
Übungen in den Laboratorien Anleitung und Unterstützung gewährt werden
müssen. Es ist aber früher darauf hingewiesen worden, daß diese Tätigkeit dem
leitenden Professor vielfach durch seine Assistenten erleichtert oder abgenommen
wird, so daß auch hier die Anstrengung nicht immer mit dem stärkeren Besuch
und der wachsenden Kolleggcldereinnahme im gleichen Verhältnisse zunimmt.

Was nun den zweiten oben herausgehobenen, für den Ersatz der Gebühren¬
einnahme durch feste Besoldung sprechenden Grund anbetrifft, so ist nicht zu
leugnen, daß auch der Honorarbezug die pekuniäre Lage der Universitätslehrer
in eine gewisse Abhängigkeit bringt von der Gunst der Studierenden, von dem
größeren oder geringeren Besuch ihrer Vorlesungen und Übungen, insbesondere
der Zahl der Doktoranden, die sich in ihrem Laboratorium auf die Promotion
vorbereiten. Hierdurch kann für schwächere Charaktere die Versuchung entstehen,
daß sie, um ihr Kollegium oder ihr Praktikum zu füllen, den Wünschen ihrer
Schüler ungerechtfertigtes Entgegenkommen zeigen, ihnen bei Anfertigung ihrer
Dissertationen zu weitgehende Unterstützung gewähren oder sogar ihre Stellung
als Examinatoren mißbrauchen, indem sie solche Prüflinge, die bei ihnen belegt
haben, leichter, oder solche, die das nicht getan haben, schwerer als üblich prüfen.
Wird man auch einen solchen Verdacht im allgemeinen gewiß zurückweisen dürfen,
so schädigt doch schon die Möglichkeit, daß er ausgesprochen werden kann, das
Ansehen der Universitäten und macht die Einrichtung, auf der diese Möglichkeit
beruht, den privaten Kolleggelderbezug, bedenklich.

Wenn es dennoch bis in die jüngste Zeit in Deutschland an Verteidigern
des Kolleghonorars nicht gefehlt hat, so sind die Gründe dieser Verteidigung,
wie sie u. a. von Friedrich Paulsen entwickelt worden sind, unschwer zu
widerlegen. Was aber die Abänderung der in Deutschland in betreff des Kolleg¬
honorarbezugs geltenden Einrichtungen anlangt, so ist der eine der möglichen
Wege, der auf die Umwandlung der von den Studenten zu entrichtenden Vor¬
lesungshonorare in eine feste Studiengebühr hinausläuft, um deswillen abzulehnen,
weil man von einer derartigen Maßregel eine Beeinträchtigung fürchten müßte
nicht nur des Privatdozententums als wichtiger Vorbilduugsstufe des akademischen
Nachwuchses, sondern auch der studentischen Lernfreiheit als eines segensreichen
Mittels, die akademische Jugend zu persönlicher Selbständigkeit und zu persön¬
lichem Verantwortlichkeitsgefühl zu erziehen. Allein auch hiervon abgesehen
bleiben noch verschiedene Wege denkbar. Die einen halten das auf den öster¬
reichischen Universitäten beobachtete Verfahren, wobei die besoldeten Professoren


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[0268] Reformvorschläge für die deutschen Universitäten zu sprechen. Indessen macht es wohl im ganzen lernen großen Unterschied, ob man vor hundert, zweihundert oder dreihundert Studenten vorträgt. Anders liegt es bei den praktischen Übungen. Hier soll sich allerdings der Lehrer dem einzelnen Seminaristen und Praktikanten widmen. Hier wird also die Erhöhung der Teilnehmerzahl an und für sich auch mit erhöhter Anstrengung für den Leiter dieser Übungen verbunden sein, so besonders wenn etwa schriftliche Arbeiten der Schüler zu korrigieren und herauszugeben sind, oder wenn bei praktischen Übungen in den Laboratorien Anleitung und Unterstützung gewährt werden müssen. Es ist aber früher darauf hingewiesen worden, daß diese Tätigkeit dem leitenden Professor vielfach durch seine Assistenten erleichtert oder abgenommen wird, so daß auch hier die Anstrengung nicht immer mit dem stärkeren Besuch und der wachsenden Kolleggcldereinnahme im gleichen Verhältnisse zunimmt. Was nun den zweiten oben herausgehobenen, für den Ersatz der Gebühren¬ einnahme durch feste Besoldung sprechenden Grund anbetrifft, so ist nicht zu leugnen, daß auch der Honorarbezug die pekuniäre Lage der Universitätslehrer in eine gewisse Abhängigkeit bringt von der Gunst der Studierenden, von dem größeren oder geringeren Besuch ihrer Vorlesungen und Übungen, insbesondere der Zahl der Doktoranden, die sich in ihrem Laboratorium auf die Promotion vorbereiten. Hierdurch kann für schwächere Charaktere die Versuchung entstehen, daß sie, um ihr Kollegium oder ihr Praktikum zu füllen, den Wünschen ihrer Schüler ungerechtfertigtes Entgegenkommen zeigen, ihnen bei Anfertigung ihrer Dissertationen zu weitgehende Unterstützung gewähren oder sogar ihre Stellung als Examinatoren mißbrauchen, indem sie solche Prüflinge, die bei ihnen belegt haben, leichter, oder solche, die das nicht getan haben, schwerer als üblich prüfen. Wird man auch einen solchen Verdacht im allgemeinen gewiß zurückweisen dürfen, so schädigt doch schon die Möglichkeit, daß er ausgesprochen werden kann, das Ansehen der Universitäten und macht die Einrichtung, auf der diese Möglichkeit beruht, den privaten Kolleggelderbezug, bedenklich. Wenn es dennoch bis in die jüngste Zeit in Deutschland an Verteidigern des Kolleghonorars nicht gefehlt hat, so sind die Gründe dieser Verteidigung, wie sie u. a. von Friedrich Paulsen entwickelt worden sind, unschwer zu widerlegen. Was aber die Abänderung der in Deutschland in betreff des Kolleg¬ honorarbezugs geltenden Einrichtungen anlangt, so ist der eine der möglichen Wege, der auf die Umwandlung der von den Studenten zu entrichtenden Vor¬ lesungshonorare in eine feste Studiengebühr hinausläuft, um deswillen abzulehnen, weil man von einer derartigen Maßregel eine Beeinträchtigung fürchten müßte nicht nur des Privatdozententums als wichtiger Vorbilduugsstufe des akademischen Nachwuchses, sondern auch der studentischen Lernfreiheit als eines segensreichen Mittels, die akademische Jugend zu persönlicher Selbständigkeit und zu persön¬ lichem Verantwortlichkeitsgefühl zu erziehen. Allein auch hiervon abgesehen bleiben noch verschiedene Wege denkbar. Die einen halten das auf den öster¬ reichischen Universitäten beobachtete Verfahren, wobei die besoldeten Professoren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/268>, abgerufen am 17.06.2024.