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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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maßgebliches und Unmaßgebliches

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Seele fallen müssen, der es unternimmt,
weiten Kreisen Aufklärungen über Krankheiten
in einen: Populären Buche zu geben, von dem
er nicht weiß, in welche Hände es fällen wird.

Die Berliner Ärztin Dr. Jenny Springer
hat ein solches Buch unter dein Titel "Die
Ärztin im Hause" erscheinen lassen. In Form
und Inhalt lehnt es sich im ganzen an die
bekannte "Hausärztin" von Fischer - Dückel-
mann an, von der es sich jedoch durch weit
eingehendere Behandlung eben desjenigen
Teiles unterscheidet, der sich mit den Krank¬
heiten beschäftigt. Ich meine, nicht zu seinem
Vorteile I

Fischer-Dückelmcmn hat es mit seltenen?
ärztlichen Takte verstanden, in Form und
Auswahl des Stoffes das Ziel im Auge zu
behalten, daß ihr Buch nicht ärztliche Halb¬
bildung verbreiten, sondern Kranke und Ge¬
sunde recht beraten soll. Bei dem SPringer-
schen Buche aber hat mir auch eingehende
Lektüre das Rätsel nicht lösen können, wer
dieses Buch in diesen: Umfange mit Nutzen
lesen soll. Für den Arzt ist es zu populär
gehalten, für den Laien zu eingehend. Auch
setzt es sowohl in seinem Krankheitsteile als
in den sonst recht guten Abbildungen vielfach
mehr anatomische Kenntnisse voraus, als der
diesemFache gewidmete Artikel bringen kann --
von dem übrigens auch zu wünschen bleibt,
daß er mit mehr "Richtigkeit" geschrieben wäre:
Eine Handwurzel soll sieben Knochen haben,
der Kniescheibe eine Gelenkfläche um Schien¬
bein entsprechen; und das sind nur Beispiele,
die sich zu Dutzenden zitieren ließen.

Daß in vielen Abschnitten viel Brauch¬
bares gesagt wird und im ganzen ein sym¬
pathischer Charakter aus den Zeilen spricht,
soll nicht geleugnet werden. Aber weniger
wäre viel mehr gewesen, und namentlich wo
wir ein so treffliches Werk haben, wie Fischer-
Dückelmann, kann ich das von der Verfasserin
so betonte "dringende Bedürfnis" für dies
neue Buch nicht anerkennen.

Dr. meci. Worthmann
Sozialanthropologie

Der Zufall fügt es, daß uns einige Bücher
zur Anzeige vorliegen, die bei aller Ver¬
schiedenheit ihrer speziellen Gedankenkreise
dennoch durch ein geistiges Band miteinander

[Spaltenumbruch]

verbunden sind. In der Fülle und Eigenart
des in jedem von ihnen verarbeiteten Mate¬
rials spiegelt sich die Tiefe und Schwierigkeit
der Fragen, die die menschliche Rasse in ihrer
physischen und Psychischen Beschaffenheit, in
ihrer historischen Entwicklung und in ihrem
gegenwärtigen Bestande dem menschlichen
Scharfsinn aufgibt.

Das "Govincans Rassenwerk" gewidmete
Buch von Ludwig Tchcmrinn (Stuttgart,
Fromanns Verlag, 1910), dem verdienstvollen
Gobineauforscher, enthält Aktenstücke und
Betrachtungen zur Geschichte und Kritik des
"lZssai sur 1'InüZs.lieu clef rs.Lss Iium-unes"
und Vervollständigungen der Gobineanschen
Lehre aus seinen anderen Schriften. Sche-
manns Zweck ist in erster Linie, die über den
Gobineauschen Essai, namentlich seine Ent¬
stehungsgeschichte und die von ihm aus¬
gegangenen Wirkungen verbreiteten Legenden
und Irrtümer zu zerstreuen und einen wirk¬
lichen Abschluß für dessen Beurteilung zu
geben. Das Werk ist durchaus nicht etwa als
Einführung in die Gedankenwelt GobineanS,
des Vaters der modernen Sozialnnthropolvgie,
gedacht, es setzt vielmehr die Bekanntschaft
mit ihr voraus. In erster Reihe wird es
die Fachkreise interessieren und dort die ge¬
bührende Würdigung finden. Der Laie wird
aus ihm vielleicht mit einiger Überraschung
ersehen, daß manche ihm geläufige Auffassung
sich in Anlehnung an Gobineau entwickelt hat.
Der Franzose Gobineau hat nämlich um die
Mitte des vorigen Jahrhunderts den germa¬
nischen Rassengedanken eingehend entwickelt
und bis in seine letzten Folgerungen ziel¬
bewußt durchgeführt. Aber während er seine
Theorie von der Kulturmission der germanischen
Edelrasse und der Unabwendbarkeit ihrer
Entartung infolge der Rassenmengung haupt¬
sächlich historisch begründete, ahnte er nicht,
daß seine Gedankenkreise sich mit denjenigen
der Naturforscher, die die Entwicklungsgesetze
des Menschengeschlechts studieren, schneiden
würden. Er stand Darwin und dem Darwi¬
nismus ablehnend gegenüber. Hier liegt nun
aber gerade der Ausgangspunkt für die
Untersuchungen Schallmayers über Rassen-
hebnng und Verhütung der Rassenentartung,
die er in seinem Preisgekrönten Werke "Ver¬
erbung und Auslese in ihrer soziologischen

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maßgebliches und Unmaßgebliches

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Seele fallen müssen, der es unternimmt,
weiten Kreisen Aufklärungen über Krankheiten
in einen: Populären Buche zu geben, von dem
er nicht weiß, in welche Hände es fällen wird.

Die Berliner Ärztin Dr. Jenny Springer
hat ein solches Buch unter dein Titel „Die
Ärztin im Hause" erscheinen lassen. In Form
und Inhalt lehnt es sich im ganzen an die
bekannte „Hausärztin" von Fischer - Dückel-
mann an, von der es sich jedoch durch weit
eingehendere Behandlung eben desjenigen
Teiles unterscheidet, der sich mit den Krank¬
heiten beschäftigt. Ich meine, nicht zu seinem
Vorteile I

Fischer-Dückelmcmn hat es mit seltenen?
ärztlichen Takte verstanden, in Form und
Auswahl des Stoffes das Ziel im Auge zu
behalten, daß ihr Buch nicht ärztliche Halb¬
bildung verbreiten, sondern Kranke und Ge¬
sunde recht beraten soll. Bei dem SPringer-
schen Buche aber hat mir auch eingehende
Lektüre das Rätsel nicht lösen können, wer
dieses Buch in diesen: Umfange mit Nutzen
lesen soll. Für den Arzt ist es zu populär
gehalten, für den Laien zu eingehend. Auch
setzt es sowohl in seinem Krankheitsteile als
in den sonst recht guten Abbildungen vielfach
mehr anatomische Kenntnisse voraus, als der
diesemFache gewidmete Artikel bringen kann —
von dem übrigens auch zu wünschen bleibt,
daß er mit mehr „Richtigkeit" geschrieben wäre:
Eine Handwurzel soll sieben Knochen haben,
der Kniescheibe eine Gelenkfläche um Schien¬
bein entsprechen; und das sind nur Beispiele,
die sich zu Dutzenden zitieren ließen.

Daß in vielen Abschnitten viel Brauch¬
bares gesagt wird und im ganzen ein sym¬
pathischer Charakter aus den Zeilen spricht,
soll nicht geleugnet werden. Aber weniger
wäre viel mehr gewesen, und namentlich wo
wir ein so treffliches Werk haben, wie Fischer-
Dückelmann, kann ich das von der Verfasserin
so betonte „dringende Bedürfnis" für dies
neue Buch nicht anerkennen.

Dr. meci. Worthmann
Sozialanthropologie

Der Zufall fügt es, daß uns einige Bücher
zur Anzeige vorliegen, die bei aller Ver¬
schiedenheit ihrer speziellen Gedankenkreise
dennoch durch ein geistiges Band miteinander

[Spaltenumbruch]

verbunden sind. In der Fülle und Eigenart
des in jedem von ihnen verarbeiteten Mate¬
rials spiegelt sich die Tiefe und Schwierigkeit
der Fragen, die die menschliche Rasse in ihrer
physischen und Psychischen Beschaffenheit, in
ihrer historischen Entwicklung und in ihrem
gegenwärtigen Bestande dem menschlichen
Scharfsinn aufgibt.

Das „Govincans Rassenwerk" gewidmete
Buch von Ludwig Tchcmrinn (Stuttgart,
Fromanns Verlag, 1910), dem verdienstvollen
Gobineauforscher, enthält Aktenstücke und
Betrachtungen zur Geschichte und Kritik des
„lZssai sur 1'InüZs.lieu clef rs.Lss Iium-unes"
und Vervollständigungen der Gobineanschen
Lehre aus seinen anderen Schriften. Sche-
manns Zweck ist in erster Linie, die über den
Gobineauschen Essai, namentlich seine Ent¬
stehungsgeschichte und die von ihm aus¬
gegangenen Wirkungen verbreiteten Legenden
und Irrtümer zu zerstreuen und einen wirk¬
lichen Abschluß für dessen Beurteilung zu
geben. Das Werk ist durchaus nicht etwa als
Einführung in die Gedankenwelt GobineanS,
des Vaters der modernen Sozialnnthropolvgie,
gedacht, es setzt vielmehr die Bekanntschaft
mit ihr voraus. In erster Reihe wird es
die Fachkreise interessieren und dort die ge¬
bührende Würdigung finden. Der Laie wird
aus ihm vielleicht mit einiger Überraschung
ersehen, daß manche ihm geläufige Auffassung
sich in Anlehnung an Gobineau entwickelt hat.
Der Franzose Gobineau hat nämlich um die
Mitte des vorigen Jahrhunderts den germa¬
nischen Rassengedanken eingehend entwickelt
und bis in seine letzten Folgerungen ziel¬
bewußt durchgeführt. Aber während er seine
Theorie von der Kulturmission der germanischen
Edelrasse und der Unabwendbarkeit ihrer
Entartung infolge der Rassenmengung haupt¬
sächlich historisch begründete, ahnte er nicht,
daß seine Gedankenkreise sich mit denjenigen
der Naturforscher, die die Entwicklungsgesetze
des Menschengeschlechts studieren, schneiden
würden. Er stand Darwin und dem Darwi¬
nismus ablehnend gegenüber. Hier liegt nun
aber gerade der Ausgangspunkt für die
Untersuchungen Schallmayers über Rassen-
hebnng und Verhütung der Rassenentartung,
die er in seinem Preisgekrönten Werke „Ver¬
erbung und Auslese in ihrer soziologischen

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[0288] maßgebliches und Unmaßgebliches Seele fallen müssen, der es unternimmt, weiten Kreisen Aufklärungen über Krankheiten in einen: Populären Buche zu geben, von dem er nicht weiß, in welche Hände es fällen wird. Die Berliner Ärztin Dr. Jenny Springer hat ein solches Buch unter dein Titel „Die Ärztin im Hause" erscheinen lassen. In Form und Inhalt lehnt es sich im ganzen an die bekannte „Hausärztin" von Fischer - Dückel- mann an, von der es sich jedoch durch weit eingehendere Behandlung eben desjenigen Teiles unterscheidet, der sich mit den Krank¬ heiten beschäftigt. Ich meine, nicht zu seinem Vorteile I Fischer-Dückelmcmn hat es mit seltenen? ärztlichen Takte verstanden, in Form und Auswahl des Stoffes das Ziel im Auge zu behalten, daß ihr Buch nicht ärztliche Halb¬ bildung verbreiten, sondern Kranke und Ge¬ sunde recht beraten soll. Bei dem SPringer- schen Buche aber hat mir auch eingehende Lektüre das Rätsel nicht lösen können, wer dieses Buch in diesen: Umfange mit Nutzen lesen soll. Für den Arzt ist es zu populär gehalten, für den Laien zu eingehend. Auch setzt es sowohl in seinem Krankheitsteile als in den sonst recht guten Abbildungen vielfach mehr anatomische Kenntnisse voraus, als der diesemFache gewidmete Artikel bringen kann — von dem übrigens auch zu wünschen bleibt, daß er mit mehr „Richtigkeit" geschrieben wäre: Eine Handwurzel soll sieben Knochen haben, der Kniescheibe eine Gelenkfläche um Schien¬ bein entsprechen; und das sind nur Beispiele, die sich zu Dutzenden zitieren ließen. Daß in vielen Abschnitten viel Brauch¬ bares gesagt wird und im ganzen ein sym¬ pathischer Charakter aus den Zeilen spricht, soll nicht geleugnet werden. Aber weniger wäre viel mehr gewesen, und namentlich wo wir ein so treffliches Werk haben, wie Fischer- Dückelmann, kann ich das von der Verfasserin so betonte „dringende Bedürfnis" für dies neue Buch nicht anerkennen. Dr. meci. Worthmann Sozialanthropologie Der Zufall fügt es, daß uns einige Bücher zur Anzeige vorliegen, die bei aller Ver¬ schiedenheit ihrer speziellen Gedankenkreise dennoch durch ein geistiges Band miteinander verbunden sind. In der Fülle und Eigenart des in jedem von ihnen verarbeiteten Mate¬ rials spiegelt sich die Tiefe und Schwierigkeit der Fragen, die die menschliche Rasse in ihrer physischen und Psychischen Beschaffenheit, in ihrer historischen Entwicklung und in ihrem gegenwärtigen Bestande dem menschlichen Scharfsinn aufgibt. Das „Govincans Rassenwerk" gewidmete Buch von Ludwig Tchcmrinn (Stuttgart, Fromanns Verlag, 1910), dem verdienstvollen Gobineauforscher, enthält Aktenstücke und Betrachtungen zur Geschichte und Kritik des „lZssai sur 1'InüZs.lieu clef rs.Lss Iium-unes" und Vervollständigungen der Gobineanschen Lehre aus seinen anderen Schriften. Sche- manns Zweck ist in erster Linie, die über den Gobineauschen Essai, namentlich seine Ent¬ stehungsgeschichte und die von ihm aus¬ gegangenen Wirkungen verbreiteten Legenden und Irrtümer zu zerstreuen und einen wirk¬ lichen Abschluß für dessen Beurteilung zu geben. Das Werk ist durchaus nicht etwa als Einführung in die Gedankenwelt GobineanS, des Vaters der modernen Sozialnnthropolvgie, gedacht, es setzt vielmehr die Bekanntschaft mit ihr voraus. In erster Reihe wird es die Fachkreise interessieren und dort die ge¬ bührende Würdigung finden. Der Laie wird aus ihm vielleicht mit einiger Überraschung ersehen, daß manche ihm geläufige Auffassung sich in Anlehnung an Gobineau entwickelt hat. Der Franzose Gobineau hat nämlich um die Mitte des vorigen Jahrhunderts den germa¬ nischen Rassengedanken eingehend entwickelt und bis in seine letzten Folgerungen ziel¬ bewußt durchgeführt. Aber während er seine Theorie von der Kulturmission der germanischen Edelrasse und der Unabwendbarkeit ihrer Entartung infolge der Rassenmengung haupt¬ sächlich historisch begründete, ahnte er nicht, daß seine Gedankenkreise sich mit denjenigen der Naturforscher, die die Entwicklungsgesetze des Menschengeschlechts studieren, schneiden würden. Er stand Darwin und dem Darwi¬ nismus ablehnend gegenüber. Hier liegt nun aber gerade der Ausgangspunkt für die Untersuchungen Schallmayers über Rassen- hebnng und Verhütung der Rassenentartung, die er in seinem Preisgekrönten Werke „Ver¬ erbung und Auslese in ihrer soziologischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/288>, abgerufen am 19.05.2024.