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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.

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Reichsspiegel

von der Bundesleitung unter Erdmann verfolgte Politik. Und als während der
letzten Landwirtschaftswoche in Berlin im Februar dieses Jahres im Anschluß
an einen Vortrag des Geheimrath Wohlsmann über koloniale Landwirtschaft
der Vorsitzende des Bundes der Landwirte eine Resolution durchsetzte,
in welcher den Kolonien zur Pflicht gemacht wurde, im wesentlichen nur
solche Produkte zu liefern, welche die deutsche Landwirtschaft zu
liefern nicht in der Lage sei, da gingen den Farmern in Südwest die
Augen darüber auf, daß ihre Interessenvertretung beim Bund der Landwirte
doch nicht ganz in den richtigen Händen ist. Daran kann auch die kräftige
Fürsprache nichts ändern, welche der Bund der Landwirte der Kolonie in wichtigen
Momenten hat zuteil werden lassen. Denn in dem Augenblick, wo die Kolonie
daran geht, Fleisch auszuführen, hat sie mit der Gegnerschaft der heimischen
Agrarier zu rechnen. Und die Kolonie muß Fleisch exportieren; sie würde ihre
wichtigste Lebensader unterbinden, wenn sie darauf verzichten wollte.

Die Mehrheit des Farmerbundes hat übrigens ganze Arbeit gemacht
und den alten Freund der Südwestafrikaner, I)r. Rudolf Rohrbach, dem die
Kolonie so unendlich viel verdankt, erneut zu ihrem Vertrauensmann gewählt.
Die Buudesleitung hatte ihn jüngst schnöde preisgegeben, weil er dem Bund
der Landwirte als Freund Naumanns verdächtig war. Nun ist es durchaus
verständlich, wenn man auf konservativer Seite zu verhindern sucht, daß eine
linksstehende Persönlichkeit irgendwelchen politischen Einfluß gewinnt, aber
den Südwestafrikanern kann das doch ganz gleichgültig sein. Für sie ist die
Hauptsache, daß sie sachgemäß in der Heimat vertreten werden.

Wie die Dinge in Südwest sich nun entwickeln, läßt sich noch nicht über¬
sehen, dazu müssen er>^ nähere Nachrichten abgewartet werden. So viel aber ist
sicher, daß die Kolonie sich unmöglich den heimischen agrarischen Interessen
unterordnen kann. Wir glauben auch kaum, daß der Bund der Landwirte auf
einem so kurzsichtigen Standpunkt beharren wird. Man könnte ebensogut Ham¬
burg verbieten, Schiffahrt zu treiben, wie Südwest, Vieh zu züchten. Es gibt
eben Erscheinungen im Wirtschaftsleben der Nationen, mit denen sich das einzelne
Glied des Wirtschaftskörpers abfinden muß, und das ist z. B. der teilweise
Wettbewerb der Kolonien mit dem Mutterland im Wirtschaftsleben eines
K Rudolf Wagner olonialstaates.


Bank und Geld

Die Auflösung der Staudard Oil Company und die New-Yorker Börse -- Ameri¬
kanische Trusts und ihre Mißbräuche -- Die Verhandlungen des Kalisyndikats mit
den Amerikanern -- Kaliwerk Aschersleben -- Der Fiskus im Kohlensyndikat --
Hildesheimer Bank

Gleichsam über Nacht hat die New-Yorker Börse, über deren traurige
Verfassung hier jüngst berichtet werden mußte, ihre Elastizität wiedergefunden;
mit den Kursen schnellten die Umsatzziffern an einem einzigen Tage wieder auf
Millionenhöhe. Was war der Grund zu so freudiger Erregung? Für den


Reichsspiegel

von der Bundesleitung unter Erdmann verfolgte Politik. Und als während der
letzten Landwirtschaftswoche in Berlin im Februar dieses Jahres im Anschluß
an einen Vortrag des Geheimrath Wohlsmann über koloniale Landwirtschaft
der Vorsitzende des Bundes der Landwirte eine Resolution durchsetzte,
in welcher den Kolonien zur Pflicht gemacht wurde, im wesentlichen nur
solche Produkte zu liefern, welche die deutsche Landwirtschaft zu
liefern nicht in der Lage sei, da gingen den Farmern in Südwest die
Augen darüber auf, daß ihre Interessenvertretung beim Bund der Landwirte
doch nicht ganz in den richtigen Händen ist. Daran kann auch die kräftige
Fürsprache nichts ändern, welche der Bund der Landwirte der Kolonie in wichtigen
Momenten hat zuteil werden lassen. Denn in dem Augenblick, wo die Kolonie
daran geht, Fleisch auszuführen, hat sie mit der Gegnerschaft der heimischen
Agrarier zu rechnen. Und die Kolonie muß Fleisch exportieren; sie würde ihre
wichtigste Lebensader unterbinden, wenn sie darauf verzichten wollte.

Die Mehrheit des Farmerbundes hat übrigens ganze Arbeit gemacht
und den alten Freund der Südwestafrikaner, I)r. Rudolf Rohrbach, dem die
Kolonie so unendlich viel verdankt, erneut zu ihrem Vertrauensmann gewählt.
Die Buudesleitung hatte ihn jüngst schnöde preisgegeben, weil er dem Bund
der Landwirte als Freund Naumanns verdächtig war. Nun ist es durchaus
verständlich, wenn man auf konservativer Seite zu verhindern sucht, daß eine
linksstehende Persönlichkeit irgendwelchen politischen Einfluß gewinnt, aber
den Südwestafrikanern kann das doch ganz gleichgültig sein. Für sie ist die
Hauptsache, daß sie sachgemäß in der Heimat vertreten werden.

Wie die Dinge in Südwest sich nun entwickeln, läßt sich noch nicht über¬
sehen, dazu müssen er>^ nähere Nachrichten abgewartet werden. So viel aber ist
sicher, daß die Kolonie sich unmöglich den heimischen agrarischen Interessen
unterordnen kann. Wir glauben auch kaum, daß der Bund der Landwirte auf
einem so kurzsichtigen Standpunkt beharren wird. Man könnte ebensogut Ham¬
burg verbieten, Schiffahrt zu treiben, wie Südwest, Vieh zu züchten. Es gibt
eben Erscheinungen im Wirtschaftsleben der Nationen, mit denen sich das einzelne
Glied des Wirtschaftskörpers abfinden muß, und das ist z. B. der teilweise
Wettbewerb der Kolonien mit dem Mutterland im Wirtschaftsleben eines
K Rudolf Wagner olonialstaates.


Bank und Geld

Die Auflösung der Staudard Oil Company und die New-Yorker Börse — Ameri¬
kanische Trusts und ihre Mißbräuche — Die Verhandlungen des Kalisyndikats mit
den Amerikanern — Kaliwerk Aschersleben — Der Fiskus im Kohlensyndikat —
Hildesheimer Bank

Gleichsam über Nacht hat die New-Yorker Börse, über deren traurige
Verfassung hier jüngst berichtet werden mußte, ihre Elastizität wiedergefunden;
mit den Kursen schnellten die Umsatzziffern an einem einzigen Tage wieder auf
Millionenhöhe. Was war der Grund zu so freudiger Erregung? Für den


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[0391] Reichsspiegel von der Bundesleitung unter Erdmann verfolgte Politik. Und als während der letzten Landwirtschaftswoche in Berlin im Februar dieses Jahres im Anschluß an einen Vortrag des Geheimrath Wohlsmann über koloniale Landwirtschaft der Vorsitzende des Bundes der Landwirte eine Resolution durchsetzte, in welcher den Kolonien zur Pflicht gemacht wurde, im wesentlichen nur solche Produkte zu liefern, welche die deutsche Landwirtschaft zu liefern nicht in der Lage sei, da gingen den Farmern in Südwest die Augen darüber auf, daß ihre Interessenvertretung beim Bund der Landwirte doch nicht ganz in den richtigen Händen ist. Daran kann auch die kräftige Fürsprache nichts ändern, welche der Bund der Landwirte der Kolonie in wichtigen Momenten hat zuteil werden lassen. Denn in dem Augenblick, wo die Kolonie daran geht, Fleisch auszuführen, hat sie mit der Gegnerschaft der heimischen Agrarier zu rechnen. Und die Kolonie muß Fleisch exportieren; sie würde ihre wichtigste Lebensader unterbinden, wenn sie darauf verzichten wollte. Die Mehrheit des Farmerbundes hat übrigens ganze Arbeit gemacht und den alten Freund der Südwestafrikaner, I)r. Rudolf Rohrbach, dem die Kolonie so unendlich viel verdankt, erneut zu ihrem Vertrauensmann gewählt. Die Buudesleitung hatte ihn jüngst schnöde preisgegeben, weil er dem Bund der Landwirte als Freund Naumanns verdächtig war. Nun ist es durchaus verständlich, wenn man auf konservativer Seite zu verhindern sucht, daß eine linksstehende Persönlichkeit irgendwelchen politischen Einfluß gewinnt, aber den Südwestafrikanern kann das doch ganz gleichgültig sein. Für sie ist die Hauptsache, daß sie sachgemäß in der Heimat vertreten werden. Wie die Dinge in Südwest sich nun entwickeln, läßt sich noch nicht über¬ sehen, dazu müssen er>^ nähere Nachrichten abgewartet werden. So viel aber ist sicher, daß die Kolonie sich unmöglich den heimischen agrarischen Interessen unterordnen kann. Wir glauben auch kaum, daß der Bund der Landwirte auf einem so kurzsichtigen Standpunkt beharren wird. Man könnte ebensogut Ham¬ burg verbieten, Schiffahrt zu treiben, wie Südwest, Vieh zu züchten. Es gibt eben Erscheinungen im Wirtschaftsleben der Nationen, mit denen sich das einzelne Glied des Wirtschaftskörpers abfinden muß, und das ist z. B. der teilweise Wettbewerb der Kolonien mit dem Mutterland im Wirtschaftsleben eines K Rudolf Wagner olonialstaates. Bank und Geld Die Auflösung der Staudard Oil Company und die New-Yorker Börse — Ameri¬ kanische Trusts und ihre Mißbräuche — Die Verhandlungen des Kalisyndikats mit den Amerikanern — Kaliwerk Aschersleben — Der Fiskus im Kohlensyndikat — Hildesheimer Bank Gleichsam über Nacht hat die New-Yorker Börse, über deren traurige Verfassung hier jüngst berichtet werden mußte, ihre Elastizität wiedergefunden; mit den Kursen schnellten die Umsatzziffern an einem einzigen Tage wieder auf Millionenhöhe. Was war der Grund zu so freudiger Erregung? Für den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318282/391>, abgerufen am 19.05.2024.