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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Religionsfreiheit und Airchenreform
Pfarrer lind Privatdozent v, Erich Foerfter- von I.

as Thema "Religionsfreiheit und Kirchenreform" findet den
Katholiken und Protestanten von vornherein in sehr verschiedener
Lage. Für den Katholiken ist es selbstverständlich, daß dies
Angelegenheiten sind, deren Ordnung zur Zuständigkeit der kirch¬
lichen Autorität gehört. Obendrein kann für ihn Religionsfreiheit
nur den Sinn einer Forderung an den Staat haben, der katholischen Kirche
innerhalb seiner Grenzen freie Bewegung zu gewährleisten. Eine Religions¬
freiheit des einzelnen Katholiken innerhalb seiner Kirche widerstreitet dem
katholischen Prinzip. Fühlt er sich in der Kirche nach irgendeiner Seite beengt
und bedrückt, glaubt er die Mangelhaftigkeit und Rückständigkeit bestehender
kirchlicher Ordnungen zu erkennen, so kann er den Weg einer Bitte an die
berufenen Träger der Kirchengewalt einschlagen, aber er muß willens sein, sich
deren Urteil und Entscheidung zu unterwerfen. Sonst verletzt er eine religiöse
Pflicht. Denn der katholische Glaube schließt in sich die Anerkennung einer von
Gott geordneten Regierung der Kirche und eines auf Offenbarung beruhenden
göttlichen Kirchenrechts. Protestanten werden gut tun, diese Tatsache einfach
anzuerkennen und die innerkirchlichen Verhältnisse des katholischen Bevölkerungs¬
teils mit strenger Zurückhaltung sich selbst zu überlassen. Auch deshalb, weil
jeder Eingriff in die Geltung des katholischen Kirchenrechts die Katholiken an
einer besonders empfindlichen Stelle trifft, und weil der moderne konstitutionelle
Staat dem verletzten Empfinden der Katholiken die Mittel energischer und wirk¬
samer Abwehr in die Hand gegeben hat und nicht entziehen kann. Es ist im
Interesse des Staates, die Reibungsmöglichkeiten zwischen katholischer Kirchlichkeit
und Staatstreue aufs äußerste zu vermindern und nur da Schranken auf-


Grenzboten IV 1911 Lg


Religionsfreiheit und Airchenreform
Pfarrer lind Privatdozent v, Erich Foerfter- von I.

as Thema „Religionsfreiheit und Kirchenreform" findet den
Katholiken und Protestanten von vornherein in sehr verschiedener
Lage. Für den Katholiken ist es selbstverständlich, daß dies
Angelegenheiten sind, deren Ordnung zur Zuständigkeit der kirch¬
lichen Autorität gehört. Obendrein kann für ihn Religionsfreiheit
nur den Sinn einer Forderung an den Staat haben, der katholischen Kirche
innerhalb seiner Grenzen freie Bewegung zu gewährleisten. Eine Religions¬
freiheit des einzelnen Katholiken innerhalb seiner Kirche widerstreitet dem
katholischen Prinzip. Fühlt er sich in der Kirche nach irgendeiner Seite beengt
und bedrückt, glaubt er die Mangelhaftigkeit und Rückständigkeit bestehender
kirchlicher Ordnungen zu erkennen, so kann er den Weg einer Bitte an die
berufenen Träger der Kirchengewalt einschlagen, aber er muß willens sein, sich
deren Urteil und Entscheidung zu unterwerfen. Sonst verletzt er eine religiöse
Pflicht. Denn der katholische Glaube schließt in sich die Anerkennung einer von
Gott geordneten Regierung der Kirche und eines auf Offenbarung beruhenden
göttlichen Kirchenrechts. Protestanten werden gut tun, diese Tatsache einfach
anzuerkennen und die innerkirchlichen Verhältnisse des katholischen Bevölkerungs¬
teils mit strenger Zurückhaltung sich selbst zu überlassen. Auch deshalb, weil
jeder Eingriff in die Geltung des katholischen Kirchenrechts die Katholiken an
einer besonders empfindlichen Stelle trifft, und weil der moderne konstitutionelle
Staat dem verletzten Empfinden der Katholiken die Mittel energischer und wirk¬
samer Abwehr in die Hand gegeben hat und nicht entziehen kann. Es ist im
Interesse des Staates, die Reibungsmöglichkeiten zwischen katholischer Kirchlichkeit
und Staatstreue aufs äußerste zu vermindern und nur da Schranken auf-


Grenzboten IV 1911 Lg
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[0425] [Abbildung] Religionsfreiheit und Airchenreform Pfarrer lind Privatdozent v, Erich Foerfter- von I. as Thema „Religionsfreiheit und Kirchenreform" findet den Katholiken und Protestanten von vornherein in sehr verschiedener Lage. Für den Katholiken ist es selbstverständlich, daß dies Angelegenheiten sind, deren Ordnung zur Zuständigkeit der kirch¬ lichen Autorität gehört. Obendrein kann für ihn Religionsfreiheit nur den Sinn einer Forderung an den Staat haben, der katholischen Kirche innerhalb seiner Grenzen freie Bewegung zu gewährleisten. Eine Religions¬ freiheit des einzelnen Katholiken innerhalb seiner Kirche widerstreitet dem katholischen Prinzip. Fühlt er sich in der Kirche nach irgendeiner Seite beengt und bedrückt, glaubt er die Mangelhaftigkeit und Rückständigkeit bestehender kirchlicher Ordnungen zu erkennen, so kann er den Weg einer Bitte an die berufenen Träger der Kirchengewalt einschlagen, aber er muß willens sein, sich deren Urteil und Entscheidung zu unterwerfen. Sonst verletzt er eine religiöse Pflicht. Denn der katholische Glaube schließt in sich die Anerkennung einer von Gott geordneten Regierung der Kirche und eines auf Offenbarung beruhenden göttlichen Kirchenrechts. Protestanten werden gut tun, diese Tatsache einfach anzuerkennen und die innerkirchlichen Verhältnisse des katholischen Bevölkerungs¬ teils mit strenger Zurückhaltung sich selbst zu überlassen. Auch deshalb, weil jeder Eingriff in die Geltung des katholischen Kirchenrechts die Katholiken an einer besonders empfindlichen Stelle trifft, und weil der moderne konstitutionelle Staat dem verletzten Empfinden der Katholiken die Mittel energischer und wirk¬ samer Abwehr in die Hand gegeben hat und nicht entziehen kann. Es ist im Interesse des Staates, die Reibungsmöglichkeiten zwischen katholischer Kirchlichkeit und Staatstreue aufs äußerste zu vermindern und nur da Schranken auf- Grenzboten IV 1911 Lg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/425>, abgerufen am 05.05.2024.