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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Wilhelm v, Humboldt

Geschäftsführung eines Ministeriums in Hellas -- man denke an Bulgaris
1875 -- kein Novum bedeutet. Die hellenischen Wahlen am 11. Dezember
haben, wie man voraussehen konnte, dein Ministerpräsidenten Venizelos einen
gewaltigen Erfolg gebracht.




Wilhelm v. Humboldt
als Organisator des preußischen Bildungswesens
vortrag
auf der 5^. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner am Oktober ^
Prof. Dr. Paul Lauer- in Posen gehalten von

WM
>MM
LW^K>
WW^!laton verlangte, damit das beste Staatswesen zustande komme,,
müßten entweder die Philosophen, d. i. die Denker und Forscher,
die Regierung übernehmen oder die Regierenden Philosophen
werden. Dieser Wunsch ist in Preußen nicht oft erfüllt gewesen.
Die beiden Perioden aber, in denen das einigermaßen der Fall
war, zeugen doch wohl für ihn: einmal, als König Friedrich eine preußische
Großmacht schuf, und weiter, als Stein und die Seinen den Staat Friedrichs des
Großen vor der Zerstörung bewahrten und innerlich umbildeten. Am meisten,
möchte man vermuten, wird derjenige Teil des öffentlichen Lebens den Segen
einer durchgeistigten Leitung empfangen haben, der selbst geistiger Art ist. Auf
Steins Veranlassung wurde Wilhelm v. Humboldt an die Spitze des Unterrichts¬
wesens berufen; und die in seiner kurzen Amtsführung gegebenen Impulse sind
für die gesamte Entwicklung des neunzehnten Jahrhunderts bestimmend gewesen.
Also auch sür die Bedrängnis und die Nöte, aus denen sich herauszuwinden
die moderne "Schulreform" immer noch bemüht ist? Für die Beantwortung
dieser Frage bietet sich seit kurzem in bedeutenden urkundlichen Publikationen das
zuverlässigste Material.

Blickt man von den Gutachten und Entwürfen des hohen Beamten zurück
auf das erste politische Bekenntnis des Jünglings, so zeigt sich freilich ein
gewaltiger Abstand. Humboldt gehörte zu den Deutschen, die, wie Klopstock
und Schiller, aufs lebhafteste von den Gedanken ergriffen wurden, mit denen
die französische Revolution anfing. Auf der anderen Seite trieb ihn das
Wöllnersche Regiment zunächst aus dem Staatsdienst hinaus. Unter diesen
doppelten Eindrücken entstanden im Jahre 1792 seine "Ideen zu einem Versuch,
die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen". Außerordentlich eng
zog der Fünfundzwanzigjährige diese Grenzen. Aller Sorgfalt für den positiven
Wohlstand der Bürger sollte sich der Staat enthalten und keinen Schritt weiter


Wilhelm v, Humboldt

Geschäftsführung eines Ministeriums in Hellas — man denke an Bulgaris
1875 — kein Novum bedeutet. Die hellenischen Wahlen am 11. Dezember
haben, wie man voraussehen konnte, dein Ministerpräsidenten Venizelos einen
gewaltigen Erfolg gebracht.




Wilhelm v. Humboldt
als Organisator des preußischen Bildungswesens
vortrag
auf der 5^. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner am Oktober ^
Prof. Dr. Paul Lauer- in Posen gehalten von

WM
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WW^!laton verlangte, damit das beste Staatswesen zustande komme,,
müßten entweder die Philosophen, d. i. die Denker und Forscher,
die Regierung übernehmen oder die Regierenden Philosophen
werden. Dieser Wunsch ist in Preußen nicht oft erfüllt gewesen.
Die beiden Perioden aber, in denen das einigermaßen der Fall
war, zeugen doch wohl für ihn: einmal, als König Friedrich eine preußische
Großmacht schuf, und weiter, als Stein und die Seinen den Staat Friedrichs des
Großen vor der Zerstörung bewahrten und innerlich umbildeten. Am meisten,
möchte man vermuten, wird derjenige Teil des öffentlichen Lebens den Segen
einer durchgeistigten Leitung empfangen haben, der selbst geistiger Art ist. Auf
Steins Veranlassung wurde Wilhelm v. Humboldt an die Spitze des Unterrichts¬
wesens berufen; und die in seiner kurzen Amtsführung gegebenen Impulse sind
für die gesamte Entwicklung des neunzehnten Jahrhunderts bestimmend gewesen.
Also auch sür die Bedrängnis und die Nöte, aus denen sich herauszuwinden
die moderne „Schulreform" immer noch bemüht ist? Für die Beantwortung
dieser Frage bietet sich seit kurzem in bedeutenden urkundlichen Publikationen das
zuverlässigste Material.

Blickt man von den Gutachten und Entwürfen des hohen Beamten zurück
auf das erste politische Bekenntnis des Jünglings, so zeigt sich freilich ein
gewaltiger Abstand. Humboldt gehörte zu den Deutschen, die, wie Klopstock
und Schiller, aufs lebhafteste von den Gedanken ergriffen wurden, mit denen
die französische Revolution anfing. Auf der anderen Seite trieb ihn das
Wöllnersche Regiment zunächst aus dem Staatsdienst hinaus. Unter diesen
doppelten Eindrücken entstanden im Jahre 1792 seine „Ideen zu einem Versuch,
die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen". Außerordentlich eng
zog der Fünfundzwanzigjährige diese Grenzen. Aller Sorgfalt für den positiven
Wohlstand der Bürger sollte sich der Staat enthalten und keinen Schritt weiter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/67>, abgerufen am 06.05.2024.