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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Für dus Erbrecht des Reiches

Exekutive Sache der Regierungsorgane, Sache des Parlaments aber die Legis¬
lative ist, davon ahnte man nichts, sondern mengte sich lustig in alles und jedes
ein, ohne irgend etwas zu verstehen und ohne je etwas zu Ende zu bringen.
Ein ungefähres Bild von diesen sogenannten Parlamentsverhandlungen kann
man sich machen, wenn man erfährt, daß jedermann jederzeit das Recht hatte,
beliebig lange und oft über jedes beliebige Thema zu sprechen. Daß bei dieser
Arbeitsmethode auch nicht das kleinste Resultat erzielt, die vorhandenen Übel¬
stände auch nicht im geringsten gebessert wurden, liegt auf der Hand. Eins
aber hatten alle begriffen, daß von nun an jeder Abgeordnete mit an der
Regierungskrippe sitzen müsse und ein Anrecht auf die fettesten Bissen habe.
Einer der ersten Beschlüsse war die Gründung einer Nationalbank. Geld war
zwar nicht vorhanden, aber um die Mittel zur Beschaffung der nötigen Summen
war man nicht verlegen. Jedermann, der im Rufe stand, Geld zu haben und
ein Reaktionär, d. h. Anhänger des Schäds, zu sein, wurde unter Drohungen
gezwungen, größere Summen für die Nationalbank zu zeichnen. Auf diese
Weise erpreßte man eine Million. Dann war plötzlich nicht mehr die Rede von
der Nationalbank und auch über den Verbleib des Geldes hin man nie wieder
einen Ton gehört. Das Schlimmste aber war, daß mit Einführung der Presse¬
freiheit eine Presse in die Höhe schoß, die in Beschimpfung und Verleumdung
alles Bestehenden jeden Rekord brach.




Für das Erbrecht des Reiches
von Justizrat Bcrmberger 7. Die Statistik von 59 U")

as größte Verdienst um die Sache der Erbrechtsreform hat sich
innerhalb der preußischen Regierung der damalige Finanz¬
minister Freiherr v, Rheinbaben erworben. Seinen amtlichen
und außeramtlichen Bemühungen ist es in erster Linie zuzuschreiben,
daß die Gesetzesvorlage der verbündeten Regierungen vom
3. November 1908 zustande kam. Dem jetzigen Finanzminister haben wir
die erste statistische Erhebung für die Zwecke der Erbrechtsresorm zu verdanken.
Herr Dr. Lentze hat auf meine Bitte durch Erlaß vom 20. Februar 1911
angeordnet, es solle für den Umfang des preußischen Staates festgestellt
werden, welche Beträge im Rechnungsjahr 1908 auf Grund letztwilliger Ver-



") Vgl. die Aufsätze in den Grenzboten 1910, Ur. 41 bis 44, 1911, Ur. ö und 24.
Für dus Erbrecht des Reiches

Exekutive Sache der Regierungsorgane, Sache des Parlaments aber die Legis¬
lative ist, davon ahnte man nichts, sondern mengte sich lustig in alles und jedes
ein, ohne irgend etwas zu verstehen und ohne je etwas zu Ende zu bringen.
Ein ungefähres Bild von diesen sogenannten Parlamentsverhandlungen kann
man sich machen, wenn man erfährt, daß jedermann jederzeit das Recht hatte,
beliebig lange und oft über jedes beliebige Thema zu sprechen. Daß bei dieser
Arbeitsmethode auch nicht das kleinste Resultat erzielt, die vorhandenen Übel¬
stände auch nicht im geringsten gebessert wurden, liegt auf der Hand. Eins
aber hatten alle begriffen, daß von nun an jeder Abgeordnete mit an der
Regierungskrippe sitzen müsse und ein Anrecht auf die fettesten Bissen habe.
Einer der ersten Beschlüsse war die Gründung einer Nationalbank. Geld war
zwar nicht vorhanden, aber um die Mittel zur Beschaffung der nötigen Summen
war man nicht verlegen. Jedermann, der im Rufe stand, Geld zu haben und
ein Reaktionär, d. h. Anhänger des Schäds, zu sein, wurde unter Drohungen
gezwungen, größere Summen für die Nationalbank zu zeichnen. Auf diese
Weise erpreßte man eine Million. Dann war plötzlich nicht mehr die Rede von
der Nationalbank und auch über den Verbleib des Geldes hin man nie wieder
einen Ton gehört. Das Schlimmste aber war, daß mit Einführung der Presse¬
freiheit eine Presse in die Höhe schoß, die in Beschimpfung und Verleumdung
alles Bestehenden jeden Rekord brach.




Für das Erbrecht des Reiches
von Justizrat Bcrmberger 7. Die Statistik von 59 U")

as größte Verdienst um die Sache der Erbrechtsreform hat sich
innerhalb der preußischen Regierung der damalige Finanz¬
minister Freiherr v, Rheinbaben erworben. Seinen amtlichen
und außeramtlichen Bemühungen ist es in erster Linie zuzuschreiben,
daß die Gesetzesvorlage der verbündeten Regierungen vom
3. November 1908 zustande kam. Dem jetzigen Finanzminister haben wir
die erste statistische Erhebung für die Zwecke der Erbrechtsresorm zu verdanken.
Herr Dr. Lentze hat auf meine Bitte durch Erlaß vom 20. Februar 1911
angeordnet, es solle für den Umfang des preußischen Staates festgestellt
werden, welche Beträge im Rechnungsjahr 1908 auf Grund letztwilliger Ver-



") Vgl. die Aufsätze in den Grenzboten 1910, Ur. 41 bis 44, 1911, Ur. ö und 24.
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[0133] Für dus Erbrecht des Reiches Exekutive Sache der Regierungsorgane, Sache des Parlaments aber die Legis¬ lative ist, davon ahnte man nichts, sondern mengte sich lustig in alles und jedes ein, ohne irgend etwas zu verstehen und ohne je etwas zu Ende zu bringen. Ein ungefähres Bild von diesen sogenannten Parlamentsverhandlungen kann man sich machen, wenn man erfährt, daß jedermann jederzeit das Recht hatte, beliebig lange und oft über jedes beliebige Thema zu sprechen. Daß bei dieser Arbeitsmethode auch nicht das kleinste Resultat erzielt, die vorhandenen Übel¬ stände auch nicht im geringsten gebessert wurden, liegt auf der Hand. Eins aber hatten alle begriffen, daß von nun an jeder Abgeordnete mit an der Regierungskrippe sitzen müsse und ein Anrecht auf die fettesten Bissen habe. Einer der ersten Beschlüsse war die Gründung einer Nationalbank. Geld war zwar nicht vorhanden, aber um die Mittel zur Beschaffung der nötigen Summen war man nicht verlegen. Jedermann, der im Rufe stand, Geld zu haben und ein Reaktionär, d. h. Anhänger des Schäds, zu sein, wurde unter Drohungen gezwungen, größere Summen für die Nationalbank zu zeichnen. Auf diese Weise erpreßte man eine Million. Dann war plötzlich nicht mehr die Rede von der Nationalbank und auch über den Verbleib des Geldes hin man nie wieder einen Ton gehört. Das Schlimmste aber war, daß mit Einführung der Presse¬ freiheit eine Presse in die Höhe schoß, die in Beschimpfung und Verleumdung alles Bestehenden jeden Rekord brach. Für das Erbrecht des Reiches von Justizrat Bcrmberger 7. Die Statistik von 59 U") as größte Verdienst um die Sache der Erbrechtsreform hat sich innerhalb der preußischen Regierung der damalige Finanz¬ minister Freiherr v, Rheinbaben erworben. Seinen amtlichen und außeramtlichen Bemühungen ist es in erster Linie zuzuschreiben, daß die Gesetzesvorlage der verbündeten Regierungen vom 3. November 1908 zustande kam. Dem jetzigen Finanzminister haben wir die erste statistische Erhebung für die Zwecke der Erbrechtsresorm zu verdanken. Herr Dr. Lentze hat auf meine Bitte durch Erlaß vom 20. Februar 1911 angeordnet, es solle für den Umfang des preußischen Staates festgestellt werden, welche Beträge im Rechnungsjahr 1908 auf Grund letztwilliger Ver- ") Vgl. die Aufsätze in den Grenzboten 1910, Ur. 41 bis 44, 1911, Ur. ö und 24.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/133>, abgerufen am 29.04.2024.