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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Allgemeine Mehrpflicht und Präsenzstärke

deshalb auch in Deutschland wegen seiner republikanischen Gleichmacherei
mancherseits Anklang finden, so eignet es sich für unsere deutschen Ver¬
hältnisse nicht.

Kann also die Einführung einer zweijährigen Dienstzeit für die Reserve¬
offiziersaspiranten militärisch nicht genug empfohlen werden, so liegt die Sache
militärisch völlig gleich bei denjenigen Mannschaften mit höherer Schulbildung,
welche zwar die zu einer Führerstelle nötigen militärischen Eigenschaften haben,
aber aus sozialen Gründen trotz ihrer militärischen Befähigung nicht zum Offizier
befördert werden können. Auch diese Kategorie von Mannschaften wird bei
zweijähriger Ausbildung jedenfalls dem Heer als Unteroffizier und Portepee¬
unteroffizier im Kriegsfalle bessere Dienste leisten können, als bei nur einjähriger
Ausbildung und es war gerade für diese Elemente seither oft recht schade, daß
ihre bei ausreichender Schulung häufig wertvoll zu gestaltenden Leistungen
bei nur einjähriger Dienstzeit nicht zur Entwicklung kommen konnten. Manch
solcher junge Mann aus kleinbürgerlichen Verhältnissen heraus bringt es heute
oft nicht einmal zum Reserveunteroffizier und verliert verbittert die Freude am
Militär, während er bei zweijähriger Dienstzeit ein recht brauchbarer Portepee¬
unteroffizier hätte werden können. Für diese Art von Mannschaften könnte
ganz gut von der Reife für Prima abgesehen und das Abgangszeugnis
einer sechsklassigen Anstalt als wissenschaftliche Grundlage für die Zulassung
zum Portepeeunteroffizieraspiranten festgesetzt werden, ja es könnten geeignete
Volksschüler bei hervorragenden militärischen Leistungen für diese Kategorie in
Betracht kommen.

Alle diejenigen Mannschaften der Fußtruppen mit höherer Schulbildung,
welche sich weder zum Reserveoffizier- noch zum Portepeeunteroffizieraspiranten
eignen würden, hätten ihre beiden Jahre als Gemeine abzudienen; doch könnte
ihnen wie seither gestattet werden, bei guter Führung nach Beendigung der
militärischen Ausbildung außerhalb der Kaserne zu wohnen und zu essen.
Dasselbe würde auch bei den Reserveoffizier- und Portepeeunteroffizieraspiranten
der Fall sein.


3. Der einjährige Dienst der Volksschullehrer ein unberechtigtes
Vorrecht

Noch in viel höherem Grade als das Vorrecht der Mannschaften mit
höherer Schulbildung auf nur einjährige Dienstzeit, ist das Vorrecht der An¬
gehörigen des Lehrerstandes auf verkürzte Dienstzeit unter den heutigen Ver¬
hältnissen ein Unrecht gegenüber den sonstigen Dienstpflichtigen. Der Einjährig-
Freiwillige bringt doch dem Staate dadurch, daß er sich selbst kleidet, verpflegt
und einquartiert und ohne Sold dient, noch einen Nutzen, indem der Staat
auf diese Weise kostenfrei einen freilich vielfach minderwertigen Soldaten gewinnt;
das Einjährigen-Privileg der Lehrer aber, die während ihrer Dienstzeit vom
Staate erhalten werden müssen, läßt sich nur Historisch verstehen als Herkommen


Allgemeine Mehrpflicht und Präsenzstärke

deshalb auch in Deutschland wegen seiner republikanischen Gleichmacherei
mancherseits Anklang finden, so eignet es sich für unsere deutschen Ver¬
hältnisse nicht.

Kann also die Einführung einer zweijährigen Dienstzeit für die Reserve¬
offiziersaspiranten militärisch nicht genug empfohlen werden, so liegt die Sache
militärisch völlig gleich bei denjenigen Mannschaften mit höherer Schulbildung,
welche zwar die zu einer Führerstelle nötigen militärischen Eigenschaften haben,
aber aus sozialen Gründen trotz ihrer militärischen Befähigung nicht zum Offizier
befördert werden können. Auch diese Kategorie von Mannschaften wird bei
zweijähriger Ausbildung jedenfalls dem Heer als Unteroffizier und Portepee¬
unteroffizier im Kriegsfalle bessere Dienste leisten können, als bei nur einjähriger
Ausbildung und es war gerade für diese Elemente seither oft recht schade, daß
ihre bei ausreichender Schulung häufig wertvoll zu gestaltenden Leistungen
bei nur einjähriger Dienstzeit nicht zur Entwicklung kommen konnten. Manch
solcher junge Mann aus kleinbürgerlichen Verhältnissen heraus bringt es heute
oft nicht einmal zum Reserveunteroffizier und verliert verbittert die Freude am
Militär, während er bei zweijähriger Dienstzeit ein recht brauchbarer Portepee¬
unteroffizier hätte werden können. Für diese Art von Mannschaften könnte
ganz gut von der Reife für Prima abgesehen und das Abgangszeugnis
einer sechsklassigen Anstalt als wissenschaftliche Grundlage für die Zulassung
zum Portepeeunteroffizieraspiranten festgesetzt werden, ja es könnten geeignete
Volksschüler bei hervorragenden militärischen Leistungen für diese Kategorie in
Betracht kommen.

Alle diejenigen Mannschaften der Fußtruppen mit höherer Schulbildung,
welche sich weder zum Reserveoffizier- noch zum Portepeeunteroffizieraspiranten
eignen würden, hätten ihre beiden Jahre als Gemeine abzudienen; doch könnte
ihnen wie seither gestattet werden, bei guter Führung nach Beendigung der
militärischen Ausbildung außerhalb der Kaserne zu wohnen und zu essen.
Dasselbe würde auch bei den Reserveoffizier- und Portepeeunteroffizieraspiranten
der Fall sein.


3. Der einjährige Dienst der Volksschullehrer ein unberechtigtes
Vorrecht

Noch in viel höherem Grade als das Vorrecht der Mannschaften mit
höherer Schulbildung auf nur einjährige Dienstzeit, ist das Vorrecht der An¬
gehörigen des Lehrerstandes auf verkürzte Dienstzeit unter den heutigen Ver¬
hältnissen ein Unrecht gegenüber den sonstigen Dienstpflichtigen. Der Einjährig-
Freiwillige bringt doch dem Staate dadurch, daß er sich selbst kleidet, verpflegt
und einquartiert und ohne Sold dient, noch einen Nutzen, indem der Staat
auf diese Weise kostenfrei einen freilich vielfach minderwertigen Soldaten gewinnt;
das Einjährigen-Privileg der Lehrer aber, die während ihrer Dienstzeit vom
Staate erhalten werden müssen, läßt sich nur Historisch verstehen als Herkommen


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[0324] Allgemeine Mehrpflicht und Präsenzstärke deshalb auch in Deutschland wegen seiner republikanischen Gleichmacherei mancherseits Anklang finden, so eignet es sich für unsere deutschen Ver¬ hältnisse nicht. Kann also die Einführung einer zweijährigen Dienstzeit für die Reserve¬ offiziersaspiranten militärisch nicht genug empfohlen werden, so liegt die Sache militärisch völlig gleich bei denjenigen Mannschaften mit höherer Schulbildung, welche zwar die zu einer Führerstelle nötigen militärischen Eigenschaften haben, aber aus sozialen Gründen trotz ihrer militärischen Befähigung nicht zum Offizier befördert werden können. Auch diese Kategorie von Mannschaften wird bei zweijähriger Ausbildung jedenfalls dem Heer als Unteroffizier und Portepee¬ unteroffizier im Kriegsfalle bessere Dienste leisten können, als bei nur einjähriger Ausbildung und es war gerade für diese Elemente seither oft recht schade, daß ihre bei ausreichender Schulung häufig wertvoll zu gestaltenden Leistungen bei nur einjähriger Dienstzeit nicht zur Entwicklung kommen konnten. Manch solcher junge Mann aus kleinbürgerlichen Verhältnissen heraus bringt es heute oft nicht einmal zum Reserveunteroffizier und verliert verbittert die Freude am Militär, während er bei zweijähriger Dienstzeit ein recht brauchbarer Portepee¬ unteroffizier hätte werden können. Für diese Art von Mannschaften könnte ganz gut von der Reife für Prima abgesehen und das Abgangszeugnis einer sechsklassigen Anstalt als wissenschaftliche Grundlage für die Zulassung zum Portepeeunteroffizieraspiranten festgesetzt werden, ja es könnten geeignete Volksschüler bei hervorragenden militärischen Leistungen für diese Kategorie in Betracht kommen. Alle diejenigen Mannschaften der Fußtruppen mit höherer Schulbildung, welche sich weder zum Reserveoffizier- noch zum Portepeeunteroffizieraspiranten eignen würden, hätten ihre beiden Jahre als Gemeine abzudienen; doch könnte ihnen wie seither gestattet werden, bei guter Führung nach Beendigung der militärischen Ausbildung außerhalb der Kaserne zu wohnen und zu essen. Dasselbe würde auch bei den Reserveoffizier- und Portepeeunteroffizieraspiranten der Fall sein. 3. Der einjährige Dienst der Volksschullehrer ein unberechtigtes Vorrecht Noch in viel höherem Grade als das Vorrecht der Mannschaften mit höherer Schulbildung auf nur einjährige Dienstzeit, ist das Vorrecht der An¬ gehörigen des Lehrerstandes auf verkürzte Dienstzeit unter den heutigen Ver¬ hältnissen ein Unrecht gegenüber den sonstigen Dienstpflichtigen. Der Einjährig- Freiwillige bringt doch dem Staate dadurch, daß er sich selbst kleidet, verpflegt und einquartiert und ohne Sold dient, noch einen Nutzen, indem der Staat auf diese Weise kostenfrei einen freilich vielfach minderwertigen Soldaten gewinnt; das Einjährigen-Privileg der Lehrer aber, die während ihrer Dienstzeit vom Staate erhalten werden müssen, läßt sich nur Historisch verstehen als Herkommen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/324>, abgerufen am 29.04.2024.