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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Allgemeine Wehrpflicht und Präsenzstärke

wenn die Dienstzeit dieser Kategorie von Mannschaften entsprechend ver¬
längert wird; sonst wird ihr praktischer Frontdienst zu sehr verkürzt. Es scheint
deshalb auch des weiteren erforderlich, daß dieser schulmäßigen Ausbildung von
vier Monaten noch ein acht Monate dauernder praktischer Frontdienst als
Portepeeunteroffizier hinzugefügt wird. Geschieht das, so ist für unsere Offiziere
des Beurlaubtenstandes eine Ausbildung geschaffen, die sich von der heutigen
sehr vorteilhaft unterscheiden und derjenigen des aktiven Offiziers wenig nach¬
stehen würde.

Es könnte dabei dem Reserveoffiziersaspiranten freigestellt bleiben, ob er
diese Übungen von vier und acht Monaten, von denen der Kriegsschulkursus
in den Winter, die Portepeeunteroffiziersprüfung auf einmal oder in zwei
Abteilungen von je vier Monaten zerlegt in den Sommer fallen müßte,
unmittelbar an sein erstes Dienstjahr anhängen oder in späterer Zeit, etwa
zwischen beziehungsweise nach den Hochschuljahren, addieren wollte. Diese
Übungen wären lediglich eine Erweiterung der jetzigen, zusammen vier
Monate umfassenden Übungen und 15 als Unteroffizier und Portepeeoffizier;
die seitherigen drei Reserveoffiziersübungen von je zwei Monaten, die Übungen
zur Beförderung und die Landwehrübungen würden dabei selbstverständlich fort¬
bestehen, so daß der Offizier des Beurlaubtenstandes statt wie seither auf etwa
fünfundzwanzig Monate, künftig auf etwa dreiunddreißig Monate Gesamtdienstzeit
käme. Daß das kein unbilliges Verlangen wäre, geht daraus hervor, daß der
gemeine Kavallerist ohne seine Reserveübungen heute schon sechsunddreißig Monate
dient. Man könnte deshalb auch noch weiter gehen und den jungen Reserve¬
offizieren, z. B. den vielen Assessoren, die zunächst keine oder nur eine vorüber¬
gehende Verwendung im Staatsdienste finden, die Möglichkeit einräumen, beliebig
lange weitere freiwillige Übungen von zwei Monaten bis zu einem Jahre oder
noch länger bei der Truppe zu leisten, und man könnte die Bereitwilligkeit zu
solchen Übungen, die doch sicherlich im hohen Interesse des Heeres wäre,
weil sie die Ausbildung eines brauchbaren Feldoffizierskorps wesentlich fördern
müßten, dadurch steigern, daß man die Taggelder der Offiziere des Beurlanbten-
standes den Bezügen der aktiven Offiziere gleichstellte.

Die seitherigen Anforderungen an die Schulbildung der Aspiranten müßten
dabei aber unbedingt beibehalten werden. Eine allgemeine Zulassung der
Mannschaften zur Aspirantenprüsung nach französischem Vorbilde verträgt sich
nicht mit dem Bildungsgrade, der seither gottlob vom deutschen Offizier verlangt
worden ist; ja es ist sogar notwendig, daß hierin noch mehr als seither verlangt
wird, daß die wissenschaftliche Vorbildung des Reserveoffiziers der des aktiven
Offiziers völlig ebenbürtig gemacht wird. Will man nicht vom aktiven wie
vom Reserveoffizier gleichmäßig das Abiturientenexamen einer neunklassigen
Schule verlangen, so sollte wenigstens der Reserveoffizier wie der aktive Offizier
die Reife für die Prima einer solchen Anstalt nachweisen müssen. Mag das
französische System die Zahl der Reserveoffiziere ganz erheblich steigern und


Allgemeine Wehrpflicht und Präsenzstärke

wenn die Dienstzeit dieser Kategorie von Mannschaften entsprechend ver¬
längert wird; sonst wird ihr praktischer Frontdienst zu sehr verkürzt. Es scheint
deshalb auch des weiteren erforderlich, daß dieser schulmäßigen Ausbildung von
vier Monaten noch ein acht Monate dauernder praktischer Frontdienst als
Portepeeunteroffizier hinzugefügt wird. Geschieht das, so ist für unsere Offiziere
des Beurlaubtenstandes eine Ausbildung geschaffen, die sich von der heutigen
sehr vorteilhaft unterscheiden und derjenigen des aktiven Offiziers wenig nach¬
stehen würde.

Es könnte dabei dem Reserveoffiziersaspiranten freigestellt bleiben, ob er
diese Übungen von vier und acht Monaten, von denen der Kriegsschulkursus
in den Winter, die Portepeeunteroffiziersprüfung auf einmal oder in zwei
Abteilungen von je vier Monaten zerlegt in den Sommer fallen müßte,
unmittelbar an sein erstes Dienstjahr anhängen oder in späterer Zeit, etwa
zwischen beziehungsweise nach den Hochschuljahren, addieren wollte. Diese
Übungen wären lediglich eine Erweiterung der jetzigen, zusammen vier
Monate umfassenden Übungen und 15 als Unteroffizier und Portepeeoffizier;
die seitherigen drei Reserveoffiziersübungen von je zwei Monaten, die Übungen
zur Beförderung und die Landwehrübungen würden dabei selbstverständlich fort¬
bestehen, so daß der Offizier des Beurlaubtenstandes statt wie seither auf etwa
fünfundzwanzig Monate, künftig auf etwa dreiunddreißig Monate Gesamtdienstzeit
käme. Daß das kein unbilliges Verlangen wäre, geht daraus hervor, daß der
gemeine Kavallerist ohne seine Reserveübungen heute schon sechsunddreißig Monate
dient. Man könnte deshalb auch noch weiter gehen und den jungen Reserve¬
offizieren, z. B. den vielen Assessoren, die zunächst keine oder nur eine vorüber¬
gehende Verwendung im Staatsdienste finden, die Möglichkeit einräumen, beliebig
lange weitere freiwillige Übungen von zwei Monaten bis zu einem Jahre oder
noch länger bei der Truppe zu leisten, und man könnte die Bereitwilligkeit zu
solchen Übungen, die doch sicherlich im hohen Interesse des Heeres wäre,
weil sie die Ausbildung eines brauchbaren Feldoffizierskorps wesentlich fördern
müßten, dadurch steigern, daß man die Taggelder der Offiziere des Beurlanbten-
standes den Bezügen der aktiven Offiziere gleichstellte.

Die seitherigen Anforderungen an die Schulbildung der Aspiranten müßten
dabei aber unbedingt beibehalten werden. Eine allgemeine Zulassung der
Mannschaften zur Aspirantenprüsung nach französischem Vorbilde verträgt sich
nicht mit dem Bildungsgrade, der seither gottlob vom deutschen Offizier verlangt
worden ist; ja es ist sogar notwendig, daß hierin noch mehr als seither verlangt
wird, daß die wissenschaftliche Vorbildung des Reserveoffiziers der des aktiven
Offiziers völlig ebenbürtig gemacht wird. Will man nicht vom aktiven wie
vom Reserveoffizier gleichmäßig das Abiturientenexamen einer neunklassigen
Schule verlangen, so sollte wenigstens der Reserveoffizier wie der aktive Offizier
die Reife für die Prima einer solchen Anstalt nachweisen müssen. Mag das
französische System die Zahl der Reserveoffiziere ganz erheblich steigern und


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[0323] Allgemeine Wehrpflicht und Präsenzstärke wenn die Dienstzeit dieser Kategorie von Mannschaften entsprechend ver¬ längert wird; sonst wird ihr praktischer Frontdienst zu sehr verkürzt. Es scheint deshalb auch des weiteren erforderlich, daß dieser schulmäßigen Ausbildung von vier Monaten noch ein acht Monate dauernder praktischer Frontdienst als Portepeeunteroffizier hinzugefügt wird. Geschieht das, so ist für unsere Offiziere des Beurlaubtenstandes eine Ausbildung geschaffen, die sich von der heutigen sehr vorteilhaft unterscheiden und derjenigen des aktiven Offiziers wenig nach¬ stehen würde. Es könnte dabei dem Reserveoffiziersaspiranten freigestellt bleiben, ob er diese Übungen von vier und acht Monaten, von denen der Kriegsschulkursus in den Winter, die Portepeeunteroffiziersprüfung auf einmal oder in zwei Abteilungen von je vier Monaten zerlegt in den Sommer fallen müßte, unmittelbar an sein erstes Dienstjahr anhängen oder in späterer Zeit, etwa zwischen beziehungsweise nach den Hochschuljahren, addieren wollte. Diese Übungen wären lediglich eine Erweiterung der jetzigen, zusammen vier Monate umfassenden Übungen und 15 als Unteroffizier und Portepeeoffizier; die seitherigen drei Reserveoffiziersübungen von je zwei Monaten, die Übungen zur Beförderung und die Landwehrübungen würden dabei selbstverständlich fort¬ bestehen, so daß der Offizier des Beurlaubtenstandes statt wie seither auf etwa fünfundzwanzig Monate, künftig auf etwa dreiunddreißig Monate Gesamtdienstzeit käme. Daß das kein unbilliges Verlangen wäre, geht daraus hervor, daß der gemeine Kavallerist ohne seine Reserveübungen heute schon sechsunddreißig Monate dient. Man könnte deshalb auch noch weiter gehen und den jungen Reserve¬ offizieren, z. B. den vielen Assessoren, die zunächst keine oder nur eine vorüber¬ gehende Verwendung im Staatsdienste finden, die Möglichkeit einräumen, beliebig lange weitere freiwillige Übungen von zwei Monaten bis zu einem Jahre oder noch länger bei der Truppe zu leisten, und man könnte die Bereitwilligkeit zu solchen Übungen, die doch sicherlich im hohen Interesse des Heeres wäre, weil sie die Ausbildung eines brauchbaren Feldoffizierskorps wesentlich fördern müßten, dadurch steigern, daß man die Taggelder der Offiziere des Beurlanbten- standes den Bezügen der aktiven Offiziere gleichstellte. Die seitherigen Anforderungen an die Schulbildung der Aspiranten müßten dabei aber unbedingt beibehalten werden. Eine allgemeine Zulassung der Mannschaften zur Aspirantenprüsung nach französischem Vorbilde verträgt sich nicht mit dem Bildungsgrade, der seither gottlob vom deutschen Offizier verlangt worden ist; ja es ist sogar notwendig, daß hierin noch mehr als seither verlangt wird, daß die wissenschaftliche Vorbildung des Reserveoffiziers der des aktiven Offiziers völlig ebenbürtig gemacht wird. Will man nicht vom aktiven wie vom Reserveoffizier gleichmäßig das Abiturientenexamen einer neunklassigen Schule verlangen, so sollte wenigstens der Reserveoffizier wie der aktive Offizier die Reife für die Prima einer solchen Anstalt nachweisen müssen. Mag das französische System die Zahl der Reserveoffiziere ganz erheblich steigern und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/323>, abgerufen am 15.05.2024.