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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Allgemeine Wehrpflicht und Präsenzstärke

einen erheblichen Vorzug hat. Abgesehen von den materiellen Opfern, welche
der Militärdienst namentlich für den Offizier des Beurlanbtenstandes mit sich
bringt, steht der Dienstpflichtige durch seine einjährige Dienstzeit ein volles Jahr
hinter den Militärfreien zurück und verliert durch seine Übungen in der Regel
ein weiteres halbes Jahr. So kommt es gewöhnlich dahin, daß die militärfrei
gewordenen Kandidaten ihren militärpflichtigen Altersgenossen die besten Ämter
wegschnappen, und wenn sich das durch die Einführung der allgemeinen zwei¬
jährigen Wehrpflicht auch für den Wehrpflichtigen mit höherer Schulbildung noch
verschlimmern würde, so wäre künftig jeder, der dienstpflichtig würde, in schwerster
Weise geschädigt.

Nötig wäre also bei Einführung der allgemeinen zweijährigen Wehrpflicht
vor allem, daß künftig alle oberen, mittleren und unteren Staatsstellen in
erster Linie mit gedienten Personen besetzt würden und daß die Militärdienstzeit
denselben voll und ganz in das Anstellungsdienstalter eingerechnet würde. Der
Offizier, Unteroffizier und gemeine Mann des Beurlaubtenstandes müßten bei
gleicher Befähigung stets die Vorhand bei der Anstellung im Staatsdienst haben,
und dabei müßte wieder die Länge der Dienstzeit ein besonderes Moment bilden.

Wenn auf diese Weise die Erlangung von Staatsämtern für Nichtgediente
sehr erschwert würde, wäre das gar nichts Absonderliches; war doch schon bei
den alten Römern die Erlangung eines Staatsamtes (maZi8tratu8) von der
abgedienten Militärpflicht abhängig. Jedenfalls wäre auf diese Weise der Dienst
im Heere mit solchen sozialen und wirtschaftlichen Vorteilen verbunden, daß die
besten Elemente des Staats sich gern auf zwei bis drei Jahre dem Heerdienst
widmen würden, um auf diese Weise Vorteile in bezug auf die Anstellung im
Staatsdienste zu erwerben.


8. Die Wehrsteuer als materielle Gegenleistung der vom Militärdienst
Befreiten oder nur zur abgekürzten Dienstzeit Herangezogenen

Würde die Verwendung im Staatsdienst die zum Dienst herangezogenen
Wehrpflichtigen für ihren Dienst entschädigen, so wäre anderseits denjenigen
Wehrpflichtigen, welche wegen Ausmusterung oder wegen Überflusses an Wehr¬
pflichtigen gar nicht zum Dienst herangezogen würden, wie nicht minder den¬
jenigen Wehrpflichtigen, welche statt drei Jahre wie der Kavallerist nur zwei
Jahre oder gar nur ein Jahr zu dienen haben, eine materielle Gegenleistung
aufzulegen.

Diese Auflegung einer materiellen Leistung bietet nun aber die Schwierigkeit,
daß die materielle Leistungsfähigkeit der nicht zum Dienst Herangezogenen eine
sehr verschiedene zu sein pflegt, was dann wieder zur Folge hat, daß die über¬
wiegende Zahl der nicht zum Dienst Herangezogenen gar nicht in der Lage ist,
das ihnen eigentlich von Rechts wegen aufzulegende materielle Opfer zu leisten.
Diese Tatsache, daß eben nur die Bemittelteren in der Lage sind, durch ein
ausreichendes Geldopfer den Staat für dessen Verzicht auf den persönlichen


Allgemeine Wehrpflicht und Präsenzstärke

einen erheblichen Vorzug hat. Abgesehen von den materiellen Opfern, welche
der Militärdienst namentlich für den Offizier des Beurlanbtenstandes mit sich
bringt, steht der Dienstpflichtige durch seine einjährige Dienstzeit ein volles Jahr
hinter den Militärfreien zurück und verliert durch seine Übungen in der Regel
ein weiteres halbes Jahr. So kommt es gewöhnlich dahin, daß die militärfrei
gewordenen Kandidaten ihren militärpflichtigen Altersgenossen die besten Ämter
wegschnappen, und wenn sich das durch die Einführung der allgemeinen zwei¬
jährigen Wehrpflicht auch für den Wehrpflichtigen mit höherer Schulbildung noch
verschlimmern würde, so wäre künftig jeder, der dienstpflichtig würde, in schwerster
Weise geschädigt.

Nötig wäre also bei Einführung der allgemeinen zweijährigen Wehrpflicht
vor allem, daß künftig alle oberen, mittleren und unteren Staatsstellen in
erster Linie mit gedienten Personen besetzt würden und daß die Militärdienstzeit
denselben voll und ganz in das Anstellungsdienstalter eingerechnet würde. Der
Offizier, Unteroffizier und gemeine Mann des Beurlaubtenstandes müßten bei
gleicher Befähigung stets die Vorhand bei der Anstellung im Staatsdienst haben,
und dabei müßte wieder die Länge der Dienstzeit ein besonderes Moment bilden.

Wenn auf diese Weise die Erlangung von Staatsämtern für Nichtgediente
sehr erschwert würde, wäre das gar nichts Absonderliches; war doch schon bei
den alten Römern die Erlangung eines Staatsamtes (maZi8tratu8) von der
abgedienten Militärpflicht abhängig. Jedenfalls wäre auf diese Weise der Dienst
im Heere mit solchen sozialen und wirtschaftlichen Vorteilen verbunden, daß die
besten Elemente des Staats sich gern auf zwei bis drei Jahre dem Heerdienst
widmen würden, um auf diese Weise Vorteile in bezug auf die Anstellung im
Staatsdienste zu erwerben.


8. Die Wehrsteuer als materielle Gegenleistung der vom Militärdienst
Befreiten oder nur zur abgekürzten Dienstzeit Herangezogenen

Würde die Verwendung im Staatsdienst die zum Dienst herangezogenen
Wehrpflichtigen für ihren Dienst entschädigen, so wäre anderseits denjenigen
Wehrpflichtigen, welche wegen Ausmusterung oder wegen Überflusses an Wehr¬
pflichtigen gar nicht zum Dienst herangezogen würden, wie nicht minder den¬
jenigen Wehrpflichtigen, welche statt drei Jahre wie der Kavallerist nur zwei
Jahre oder gar nur ein Jahr zu dienen haben, eine materielle Gegenleistung
aufzulegen.

Diese Auflegung einer materiellen Leistung bietet nun aber die Schwierigkeit,
daß die materielle Leistungsfähigkeit der nicht zum Dienst Herangezogenen eine
sehr verschiedene zu sein pflegt, was dann wieder zur Folge hat, daß die über¬
wiegende Zahl der nicht zum Dienst Herangezogenen gar nicht in der Lage ist,
das ihnen eigentlich von Rechts wegen aufzulegende materielle Opfer zu leisten.
Diese Tatsache, daß eben nur die Bemittelteren in der Lage sind, durch ein
ausreichendes Geldopfer den Staat für dessen Verzicht auf den persönlichen


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[0374] Allgemeine Wehrpflicht und Präsenzstärke einen erheblichen Vorzug hat. Abgesehen von den materiellen Opfern, welche der Militärdienst namentlich für den Offizier des Beurlanbtenstandes mit sich bringt, steht der Dienstpflichtige durch seine einjährige Dienstzeit ein volles Jahr hinter den Militärfreien zurück und verliert durch seine Übungen in der Regel ein weiteres halbes Jahr. So kommt es gewöhnlich dahin, daß die militärfrei gewordenen Kandidaten ihren militärpflichtigen Altersgenossen die besten Ämter wegschnappen, und wenn sich das durch die Einführung der allgemeinen zwei¬ jährigen Wehrpflicht auch für den Wehrpflichtigen mit höherer Schulbildung noch verschlimmern würde, so wäre künftig jeder, der dienstpflichtig würde, in schwerster Weise geschädigt. Nötig wäre also bei Einführung der allgemeinen zweijährigen Wehrpflicht vor allem, daß künftig alle oberen, mittleren und unteren Staatsstellen in erster Linie mit gedienten Personen besetzt würden und daß die Militärdienstzeit denselben voll und ganz in das Anstellungsdienstalter eingerechnet würde. Der Offizier, Unteroffizier und gemeine Mann des Beurlaubtenstandes müßten bei gleicher Befähigung stets die Vorhand bei der Anstellung im Staatsdienst haben, und dabei müßte wieder die Länge der Dienstzeit ein besonderes Moment bilden. Wenn auf diese Weise die Erlangung von Staatsämtern für Nichtgediente sehr erschwert würde, wäre das gar nichts Absonderliches; war doch schon bei den alten Römern die Erlangung eines Staatsamtes (maZi8tratu8) von der abgedienten Militärpflicht abhängig. Jedenfalls wäre auf diese Weise der Dienst im Heere mit solchen sozialen und wirtschaftlichen Vorteilen verbunden, daß die besten Elemente des Staats sich gern auf zwei bis drei Jahre dem Heerdienst widmen würden, um auf diese Weise Vorteile in bezug auf die Anstellung im Staatsdienste zu erwerben. 8. Die Wehrsteuer als materielle Gegenleistung der vom Militärdienst Befreiten oder nur zur abgekürzten Dienstzeit Herangezogenen Würde die Verwendung im Staatsdienst die zum Dienst herangezogenen Wehrpflichtigen für ihren Dienst entschädigen, so wäre anderseits denjenigen Wehrpflichtigen, welche wegen Ausmusterung oder wegen Überflusses an Wehr¬ pflichtigen gar nicht zum Dienst herangezogen würden, wie nicht minder den¬ jenigen Wehrpflichtigen, welche statt drei Jahre wie der Kavallerist nur zwei Jahre oder gar nur ein Jahr zu dienen haben, eine materielle Gegenleistung aufzulegen. Diese Auflegung einer materiellen Leistung bietet nun aber die Schwierigkeit, daß die materielle Leistungsfähigkeit der nicht zum Dienst Herangezogenen eine sehr verschiedene zu sein pflegt, was dann wieder zur Folge hat, daß die über¬ wiegende Zahl der nicht zum Dienst Herangezogenen gar nicht in der Lage ist, das ihnen eigentlich von Rechts wegen aufzulegende materielle Opfer zu leisten. Diese Tatsache, daß eben nur die Bemittelteren in der Lage sind, durch ein ausreichendes Geldopfer den Staat für dessen Verzicht auf den persönlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/374>, abgerufen am 29.04.2024.