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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Der Beichtvater eines Aaiservcmres

auswirft. Solch geschenktes Vertrauen ist aber wieder ein Mittel, das der
Freund der Jugend verwerten kann, das Ehrgefühl der Jungen anzuspornen.
Unmittelbar staatliche Unternehmungen können und dürfen die Jugend-
vereinignngen nicht sein. Aber es kann ein Verhältnis freundschaftlichen Ver¬
trauens bestehen. Und wenn dieses Vertrauen vermittelt wird durch den der
Jugend lieben und vertrauten Führer, nicht als gleichsam eine abstrakte Gabe,
die das Volk gleichmütig wie ein gutes Recht und undankbar hinnimmt, dann
gewinnt auch die Jugend wieder eine andere, bessere Vorstellung von ihrem
vaterländischen Staat. Sie verwächst durch die Freuden, die sie durch ihre
Freunde erlebt hat, dnrch die Charnkterentwicklung, auf die der junge Mann
schließlich selbst mit Staunen und Freude zurücksieht, mit der deutschen heimischen
Kultur, und gewinnt das, was unserem Volke jetzt in so erstaunlicher Weise
fehlt, die treue Dankbarkeit gegen das Vaterland.




T>er Beichtvater eines Aaiserpaares
Schilderung eines bewegten Lebenslaufes
von Dr. Arthur Rochs

o sehr man auch geneigt und berechtigt ist, vom rein menschlichen
Standpunkte aus das Schicksal der Kaiserin Charlotte von Mexiko
und ihres am 19. Juni 1867 am Cerro de la Campana unter
dem Peletonfeuer des Standgerichtes gefallenen Gatten zu beklagen,
so sorgsam sollte man sich doch auch davor hüten, rückhaltlos
den Stab über ihre Gegner zu brechen -- wie das unlängst wiederholt
geschehen ist -- und sie, den trefflichen Benito Juarez, den Reorganisator seines
Vaterlandes, an der Spitze, als Banditen und Mörder zu brandmarken.

Vergleiche hinken ja stets ein wenig, aber trotzdem sind sie zur Erläuterung
oft wirksamer als langatmige Auseinandersetzungen. So stelle man sich einmal
vor, im Deutschen Reiche wogte -- was das gütige Schicksal verhüten möge! --
ein blutiger Kampf zwischen zwei großen Parteien, einer konservativen und einer
ultraradikalen. Letztere bliebe dabei Siegerin und beriefe aus dem Auslande
einen Diktator, um ihre Herrschaft zu einer dauernden zu machen. Besagter
Diktator aber schaltete und waltete im Lande jahrelang als unbeschränkter Macht¬
haber und behandelte als solcher die Führer der unterlegenen konservativen krieg¬
führenden Gegenpartei nicht als solche, sondern als Rebellen, die er, wenn
sie in seine Hände fallen, standrechtlich erschießen läßt. Was würde nun,
wenn sich das Blatt wendet und ans den Besiegten Sieger geworden sind,
geschehen?


Der Beichtvater eines Aaiservcmres

auswirft. Solch geschenktes Vertrauen ist aber wieder ein Mittel, das der
Freund der Jugend verwerten kann, das Ehrgefühl der Jungen anzuspornen.
Unmittelbar staatliche Unternehmungen können und dürfen die Jugend-
vereinignngen nicht sein. Aber es kann ein Verhältnis freundschaftlichen Ver¬
trauens bestehen. Und wenn dieses Vertrauen vermittelt wird durch den der
Jugend lieben und vertrauten Führer, nicht als gleichsam eine abstrakte Gabe,
die das Volk gleichmütig wie ein gutes Recht und undankbar hinnimmt, dann
gewinnt auch die Jugend wieder eine andere, bessere Vorstellung von ihrem
vaterländischen Staat. Sie verwächst durch die Freuden, die sie durch ihre
Freunde erlebt hat, dnrch die Charnkterentwicklung, auf die der junge Mann
schließlich selbst mit Staunen und Freude zurücksieht, mit der deutschen heimischen
Kultur, und gewinnt das, was unserem Volke jetzt in so erstaunlicher Weise
fehlt, die treue Dankbarkeit gegen das Vaterland.




T>er Beichtvater eines Aaiserpaares
Schilderung eines bewegten Lebenslaufes
von Dr. Arthur Rochs

o sehr man auch geneigt und berechtigt ist, vom rein menschlichen
Standpunkte aus das Schicksal der Kaiserin Charlotte von Mexiko
und ihres am 19. Juni 1867 am Cerro de la Campana unter
dem Peletonfeuer des Standgerichtes gefallenen Gatten zu beklagen,
so sorgsam sollte man sich doch auch davor hüten, rückhaltlos
den Stab über ihre Gegner zu brechen — wie das unlängst wiederholt
geschehen ist — und sie, den trefflichen Benito Juarez, den Reorganisator seines
Vaterlandes, an der Spitze, als Banditen und Mörder zu brandmarken.

Vergleiche hinken ja stets ein wenig, aber trotzdem sind sie zur Erläuterung
oft wirksamer als langatmige Auseinandersetzungen. So stelle man sich einmal
vor, im Deutschen Reiche wogte — was das gütige Schicksal verhüten möge! —
ein blutiger Kampf zwischen zwei großen Parteien, einer konservativen und einer
ultraradikalen. Letztere bliebe dabei Siegerin und beriefe aus dem Auslande
einen Diktator, um ihre Herrschaft zu einer dauernden zu machen. Besagter
Diktator aber schaltete und waltete im Lande jahrelang als unbeschränkter Macht¬
haber und behandelte als solcher die Führer der unterlegenen konservativen krieg¬
führenden Gegenpartei nicht als solche, sondern als Rebellen, die er, wenn
sie in seine Hände fallen, standrechtlich erschießen läßt. Was würde nun,
wenn sich das Blatt wendet und ans den Besiegten Sieger geworden sind,
geschehen?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/40>, abgerufen am 29.04.2024.