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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Tagesfragen

Ein Einbruch englischer und französischer
Schreibweise? Seit dem vorigen Sommer
konnte man -- vielleicht nicht zufällig -- sowohl
in der Tagespresse wie auch in Periodisch
erscheinenden Zeitschriften die merkwürdige Er¬
scheinung beobachten, daß sich in derSchreibung
bestimmter, dem Lateinischen entstammender
Fremdwörter die Endung lion gedruckt findet,
wo sie nicht hingehört, weil sie entweder ganz
fehlerhaft oder doch wenigstens bei uns nicht
üblich ist. Lager nun nur vereinzelte Druck¬
fehler vor oder vereinzelte Beispiele einer
falschen Analogiebildung, so brauchte man kein
Wort darüber zu verlieren, aber die Menge
der Fälle und die bedenklichen Wiederholungen
zwingen uns, nach einem anderen Grunde zu
suchen. Hier sollen nur einzelne Belege ange¬
führt werden. Im letzten Augustheft der
Preußischen Jahrbücher S. 232 kann man in
einem Aufsatze über Kant Reflek tlo n gedruckt
sehen; und diese Schreibung wird an anderer
Stelle beharrlich wiederholt. Es ist Wohl kaum
nötig, daran zu erinnern, daß das Wort von
dem lateinischen Supinum rsllexum abgeleitet
ist. Das ist aber nicht das Wesentliche bei der
Sache, daß gegen diese Ableitung gefehlt ist,
sondern wir sprechen gar nicht Reflation,
sondern Nefleksion; und wenn einer mit Ver¬
meidung desxNefleksionschreibenwollte, so wäre
dies zwar sonderbar, spräche aber wenigstens
unserer Aussprache nicht Hohn. Anders liegt
die Sache bei den Engländern. Diese schreiben
schon seit geraumer Zeit: t'lection, inklection,
rekleotion statt ilexion, inklexion, reklexion;
und es hat nichts genützt, daß z. B. Stead in
seinem IZt^moloxiesl OiLticmsi-/ 01 etre
IZnZIisK limZusZs die Bemerkung machte:
Vetter reklexion. Aber die Engländer haben
die Entschuldigung, daß in ihrer Aussprache
rekleetion und reklexion gleich lauten müssen.
Sie schreiben auch stets correction statt con-
nexion und haben dafür die gleiche Ent¬
schuldigung. Wenn man aber das in letzter
Zeit so viel gebrauchte Wort Annexion in

[Spaltenumbruch]

Artikeln, die in den Tageszeitungen von Blatt
zu Blatt übernommen werden, zu Annektiou
verunstaltet sieht, so ist dies wirklich schlimm.
Als Beleg will ich nur einen Artikel der
Leipziger Neusten Nachrichten vom S. De¬
zember 1911 anführen über Osterreich un
die Dardanellenfrage, wo man "die böhmische
Annektion" gedruckt sehen kann. Solche Ana¬
logien verbreiten sich wie eine Seuche und
richten allenthalben eine unheilvolle Ver¬
wirrung um, so daß es Wohl an der Zeit ist,
davor zu warnen.

Nun könnte man zwar leicht sagen, daß
die Urheber jener verkehrten Schreibungen an
die Formen: annektieren und reflektieren ge¬
dacht und davon die Substcmtiva fälschlich
abgeleitet haben. Daß dies in einzelnen Fällen
nicht der wirkliche Vorgang gewesen sei, läßt
sich natürlich nicht beweisen. Mir scheint aber
das Beispiel des Englischen, das jetzt mächtig
aus unsere Presse und unser ganzes Denken
eingewirkt hat, die natürlichere Erklärung
darzubieten. Ganz unzweifelhaft liegt aber
französischer Einfluß bei einem anderen
Worte vor, wenn auch sonst der Fall anders
liegt. Die Franzosen schreiben pretention,
wir dagegen schreiben und sprechen Präten¬
sion, wie wir auch Intension und Intention
differenzieren. Wenn wir nun z. B. im Kunst¬
wart Ur. 23 S. 266 Prätention gedruckt sehen,
so könnte man zweifelhaft sein, ob hier der
Schreiber oder Korrektor um die Ableitung von
praetentum gedacht hat oder ob hier schon eine
Einwirkung des Französischen vorliegt. Wenn
aber nun in einem Aufsätze: "Die Prinzipien
einerneuendeutschenHvmerübersetzung" in dem¬
selben Augusthefto der Preußischen Jahrbücher
S. 308 Pretention zu lesen ist, dann ist doch
jeder Zweifel ausgeschlossen, daß wir es mit der
französischen Schreibweise zu tun haben. So
haben wir Wohl das Recht, auch in den oben
angeführten Fällen um fremdsprachliche Ein¬
wirkungen zu denken, die hoffentlich wie jene
bangen Zeilen nur vorübergehend waren.

Prof. Dr. Büttner [Ende Spaltensatz]


Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Tagesfragen

Ein Einbruch englischer und französischer
Schreibweise? Seit dem vorigen Sommer
konnte man — vielleicht nicht zufällig — sowohl
in der Tagespresse wie auch in Periodisch
erscheinenden Zeitschriften die merkwürdige Er¬
scheinung beobachten, daß sich in derSchreibung
bestimmter, dem Lateinischen entstammender
Fremdwörter die Endung lion gedruckt findet,
wo sie nicht hingehört, weil sie entweder ganz
fehlerhaft oder doch wenigstens bei uns nicht
üblich ist. Lager nun nur vereinzelte Druck¬
fehler vor oder vereinzelte Beispiele einer
falschen Analogiebildung, so brauchte man kein
Wort darüber zu verlieren, aber die Menge
der Fälle und die bedenklichen Wiederholungen
zwingen uns, nach einem anderen Grunde zu
suchen. Hier sollen nur einzelne Belege ange¬
führt werden. Im letzten Augustheft der
Preußischen Jahrbücher S. 232 kann man in
einem Aufsatze über Kant Reflek tlo n gedruckt
sehen; und diese Schreibung wird an anderer
Stelle beharrlich wiederholt. Es ist Wohl kaum
nötig, daran zu erinnern, daß das Wort von
dem lateinischen Supinum rsllexum abgeleitet
ist. Das ist aber nicht das Wesentliche bei der
Sache, daß gegen diese Ableitung gefehlt ist,
sondern wir sprechen gar nicht Reflation,
sondern Nefleksion; und wenn einer mit Ver¬
meidung desxNefleksionschreibenwollte, so wäre
dies zwar sonderbar, spräche aber wenigstens
unserer Aussprache nicht Hohn. Anders liegt
die Sache bei den Engländern. Diese schreiben
schon seit geraumer Zeit: t'lection, inklection,
rekleotion statt ilexion, inklexion, reklexion;
und es hat nichts genützt, daß z. B. Stead in
seinem IZt^moloxiesl OiLticmsi-/ 01 etre
IZnZIisK limZusZs die Bemerkung machte:
Vetter reklexion. Aber die Engländer haben
die Entschuldigung, daß in ihrer Aussprache
rekleetion und reklexion gleich lauten müssen.
Sie schreiben auch stets correction statt con-
nexion und haben dafür die gleiche Ent¬
schuldigung. Wenn man aber das in letzter
Zeit so viel gebrauchte Wort Annexion in

[Spaltenumbruch]

Artikeln, die in den Tageszeitungen von Blatt
zu Blatt übernommen werden, zu Annektiou
verunstaltet sieht, so ist dies wirklich schlimm.
Als Beleg will ich nur einen Artikel der
Leipziger Neusten Nachrichten vom S. De¬
zember 1911 anführen über Osterreich un
die Dardanellenfrage, wo man „die böhmische
Annektion" gedruckt sehen kann. Solche Ana¬
logien verbreiten sich wie eine Seuche und
richten allenthalben eine unheilvolle Ver¬
wirrung um, so daß es Wohl an der Zeit ist,
davor zu warnen.

Nun könnte man zwar leicht sagen, daß
die Urheber jener verkehrten Schreibungen an
die Formen: annektieren und reflektieren ge¬
dacht und davon die Substcmtiva fälschlich
abgeleitet haben. Daß dies in einzelnen Fällen
nicht der wirkliche Vorgang gewesen sei, läßt
sich natürlich nicht beweisen. Mir scheint aber
das Beispiel des Englischen, das jetzt mächtig
aus unsere Presse und unser ganzes Denken
eingewirkt hat, die natürlichere Erklärung
darzubieten. Ganz unzweifelhaft liegt aber
französischer Einfluß bei einem anderen
Worte vor, wenn auch sonst der Fall anders
liegt. Die Franzosen schreiben pretention,
wir dagegen schreiben und sprechen Präten¬
sion, wie wir auch Intension und Intention
differenzieren. Wenn wir nun z. B. im Kunst¬
wart Ur. 23 S. 266 Prätention gedruckt sehen,
so könnte man zweifelhaft sein, ob hier der
Schreiber oder Korrektor um die Ableitung von
praetentum gedacht hat oder ob hier schon eine
Einwirkung des Französischen vorliegt. Wenn
aber nun in einem Aufsätze: „Die Prinzipien
einerneuendeutschenHvmerübersetzung" in dem¬
selben Augusthefto der Preußischen Jahrbücher
S. 308 Pretention zu lesen ist, dann ist doch
jeder Zweifel ausgeschlossen, daß wir es mit der
französischen Schreibweise zu tun haben. So
haben wir Wohl das Recht, auch in den oben
angeführten Fällen um fremdsprachliche Ein¬
wirkungen zu denken, die hoffentlich wie jene
bangen Zeilen nur vorübergehend waren.

Prof. Dr. Büttner [Ende Spaltensatz]


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[0498] Maßgebliches und Unmaßgebliches Maßgebliches und Unmaßgebliches Tagesfragen Ein Einbruch englischer und französischer Schreibweise? Seit dem vorigen Sommer konnte man — vielleicht nicht zufällig — sowohl in der Tagespresse wie auch in Periodisch erscheinenden Zeitschriften die merkwürdige Er¬ scheinung beobachten, daß sich in derSchreibung bestimmter, dem Lateinischen entstammender Fremdwörter die Endung lion gedruckt findet, wo sie nicht hingehört, weil sie entweder ganz fehlerhaft oder doch wenigstens bei uns nicht üblich ist. Lager nun nur vereinzelte Druck¬ fehler vor oder vereinzelte Beispiele einer falschen Analogiebildung, so brauchte man kein Wort darüber zu verlieren, aber die Menge der Fälle und die bedenklichen Wiederholungen zwingen uns, nach einem anderen Grunde zu suchen. Hier sollen nur einzelne Belege ange¬ führt werden. Im letzten Augustheft der Preußischen Jahrbücher S. 232 kann man in einem Aufsatze über Kant Reflek tlo n gedruckt sehen; und diese Schreibung wird an anderer Stelle beharrlich wiederholt. Es ist Wohl kaum nötig, daran zu erinnern, daß das Wort von dem lateinischen Supinum rsllexum abgeleitet ist. Das ist aber nicht das Wesentliche bei der Sache, daß gegen diese Ableitung gefehlt ist, sondern wir sprechen gar nicht Reflation, sondern Nefleksion; und wenn einer mit Ver¬ meidung desxNefleksionschreibenwollte, so wäre dies zwar sonderbar, spräche aber wenigstens unserer Aussprache nicht Hohn. Anders liegt die Sache bei den Engländern. Diese schreiben schon seit geraumer Zeit: t'lection, inklection, rekleotion statt ilexion, inklexion, reklexion; und es hat nichts genützt, daß z. B. Stead in seinem IZt^moloxiesl OiLticmsi-/ 01 etre IZnZIisK limZusZs die Bemerkung machte: Vetter reklexion. Aber die Engländer haben die Entschuldigung, daß in ihrer Aussprache rekleetion und reklexion gleich lauten müssen. Sie schreiben auch stets correction statt con- nexion und haben dafür die gleiche Ent¬ schuldigung. Wenn man aber das in letzter Zeit so viel gebrauchte Wort Annexion in Artikeln, die in den Tageszeitungen von Blatt zu Blatt übernommen werden, zu Annektiou verunstaltet sieht, so ist dies wirklich schlimm. Als Beleg will ich nur einen Artikel der Leipziger Neusten Nachrichten vom S. De¬ zember 1911 anführen über Osterreich un die Dardanellenfrage, wo man „die böhmische Annektion" gedruckt sehen kann. Solche Ana¬ logien verbreiten sich wie eine Seuche und richten allenthalben eine unheilvolle Ver¬ wirrung um, so daß es Wohl an der Zeit ist, davor zu warnen. Nun könnte man zwar leicht sagen, daß die Urheber jener verkehrten Schreibungen an die Formen: annektieren und reflektieren ge¬ dacht und davon die Substcmtiva fälschlich abgeleitet haben. Daß dies in einzelnen Fällen nicht der wirkliche Vorgang gewesen sei, läßt sich natürlich nicht beweisen. Mir scheint aber das Beispiel des Englischen, das jetzt mächtig aus unsere Presse und unser ganzes Denken eingewirkt hat, die natürlichere Erklärung darzubieten. Ganz unzweifelhaft liegt aber französischer Einfluß bei einem anderen Worte vor, wenn auch sonst der Fall anders liegt. Die Franzosen schreiben pretention, wir dagegen schreiben und sprechen Präten¬ sion, wie wir auch Intension und Intention differenzieren. Wenn wir nun z. B. im Kunst¬ wart Ur. 23 S. 266 Prätention gedruckt sehen, so könnte man zweifelhaft sein, ob hier der Schreiber oder Korrektor um die Ableitung von praetentum gedacht hat oder ob hier schon eine Einwirkung des Französischen vorliegt. Wenn aber nun in einem Aufsätze: „Die Prinzipien einerneuendeutschenHvmerübersetzung" in dem¬ selben Augusthefto der Preußischen Jahrbücher S. 308 Pretention zu lesen ist, dann ist doch jeder Zweifel ausgeschlossen, daß wir es mit der französischen Schreibweise zu tun haben. So haben wir Wohl das Recht, auch in den oben angeführten Fällen um fremdsprachliche Ein¬ wirkungen zu denken, die hoffentlich wie jene bangen Zeilen nur vorübergehend waren. Prof. Dr. Büttner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/498>, abgerufen am 29.04.2024.