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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Ser Glücksgedanke bei Hermami Hesse

logisch zu begründen wußte, und "dieses phantastische Träumen und Ahnen und
Sehnsuchthaben" der Jugendzeit, was auch einer der jüngsten Gestalten Hesses,
dem "Herrn Piero" *), "schöner und süßer und innerlichst seliger" erscheint als
sein ganzes, späteres Leben.

Endlich weiß der Dichter natürlich auch in seiner Lyrik ("Zuschauer") mit
meisterhafter Prägnanz für jene resignierte Stimmung, wie wir sie schon aus
dem "Peter Camenzind" und der "Gertrud" kennen, einen Ausdruck zu finden:

"Ein altes Herzweh in vernarbter Brust,
Üb' ich der fernen Jugend Lieblingslust:
Dem Weißen Zug der sommerlichen Wolken
Mit stillen Augen stundenlang zu folgen.
Und alles, was ich sah und tat und litt,
Geht in den hohen Wolkenzügen mit.
Ich seh' nach ewigen Gesetzen segeln,
Was einst mir wild erschien und frei von Regeln.
Und seh' die Züge ohne Lust noch Leid
Hinüberfahren in die Ewigkeit."

Ja, diese sich selbst bescheidende Resignation ist doch das Höchste und Schönste,
Mas es auf Erden gibt; sie allein ermöglicht eine solche Lebensanschauung wie
die Kubus, der da sagt, "die unglücklichsten Tage seines Lebens gäbe er schwerer
hui als alle heiteren", und wie sie in dem Gedicht "Dunkelste Stunden" offenbar
wird, von denen der Dichter sagt:





In der Novelle "Herr Piero", Westermmms Monatshefte, Jahrg. 1911, S. 890 ff.
Ser Glücksgedanke bei Hermami Hesse

logisch zu begründen wußte, und „dieses phantastische Träumen und Ahnen und
Sehnsuchthaben" der Jugendzeit, was auch einer der jüngsten Gestalten Hesses,
dem „Herrn Piero" *), „schöner und süßer und innerlichst seliger" erscheint als
sein ganzes, späteres Leben.

Endlich weiß der Dichter natürlich auch in seiner Lyrik („Zuschauer") mit
meisterhafter Prägnanz für jene resignierte Stimmung, wie wir sie schon aus
dem „Peter Camenzind" und der „Gertrud" kennen, einen Ausdruck zu finden:

„Ein altes Herzweh in vernarbter Brust,
Üb' ich der fernen Jugend Lieblingslust:
Dem Weißen Zug der sommerlichen Wolken
Mit stillen Augen stundenlang zu folgen.
Und alles, was ich sah und tat und litt,
Geht in den hohen Wolkenzügen mit.
Ich seh' nach ewigen Gesetzen segeln,
Was einst mir wild erschien und frei von Regeln.
Und seh' die Züge ohne Lust noch Leid
Hinüberfahren in die Ewigkeit."

Ja, diese sich selbst bescheidende Resignation ist doch das Höchste und Schönste,
Mas es auf Erden gibt; sie allein ermöglicht eine solche Lebensanschauung wie
die Kubus, der da sagt, „die unglücklichsten Tage seines Lebens gäbe er schwerer
hui als alle heiteren", und wie sie in dem Gedicht „Dunkelste Stunden" offenbar
wird, von denen der Dichter sagt:





In der Novelle „Herr Piero", Westermmms Monatshefte, Jahrg. 1911, S. 890 ff.
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[0497] Ser Glücksgedanke bei Hermami Hesse logisch zu begründen wußte, und „dieses phantastische Träumen und Ahnen und Sehnsuchthaben" der Jugendzeit, was auch einer der jüngsten Gestalten Hesses, dem „Herrn Piero" *), „schöner und süßer und innerlichst seliger" erscheint als sein ganzes, späteres Leben. Endlich weiß der Dichter natürlich auch in seiner Lyrik („Zuschauer") mit meisterhafter Prägnanz für jene resignierte Stimmung, wie wir sie schon aus dem „Peter Camenzind" und der „Gertrud" kennen, einen Ausdruck zu finden: „Ein altes Herzweh in vernarbter Brust, Üb' ich der fernen Jugend Lieblingslust: Dem Weißen Zug der sommerlichen Wolken Mit stillen Augen stundenlang zu folgen. Und alles, was ich sah und tat und litt, Geht in den hohen Wolkenzügen mit. Ich seh' nach ewigen Gesetzen segeln, Was einst mir wild erschien und frei von Regeln. Und seh' die Züge ohne Lust noch Leid Hinüberfahren in die Ewigkeit." Ja, diese sich selbst bescheidende Resignation ist doch das Höchste und Schönste, Mas es auf Erden gibt; sie allein ermöglicht eine solche Lebensanschauung wie die Kubus, der da sagt, „die unglücklichsten Tage seines Lebens gäbe er schwerer hui als alle heiteren", und wie sie in dem Gedicht „Dunkelste Stunden" offenbar wird, von denen der Dichter sagt: In der Novelle „Herr Piero", Westermmms Monatshefte, Jahrg. 1911, S. 890 ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/497>, abgerufen am 15.05.2024.