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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Bildnngswesen

Die Hochflut der Angriffe auf unsere
hinimllistische Bildung, dieses Wahrzeichen
und Palladium aller höheren Geisteskultur der
abendländischen Welt, hat abgeebbt. Auf der
einen Seite haben sich weite .Kreise der Nation,
und zwar nicht zuletzt auch in den praktischen
Berufszweigen, unzweideutig zu der Über¬
zeugung bekannt, daß wir jenen alterprobten
Bildungsweg nicht verlassen können, ohne uns
selbst schwer zu schädigen; auf der andern
Seite haben die Vertreter der Philologie längst
die bessernde Hand angelegt, um in Wissen¬
schaft und Schule die Violfach verlorenge¬
gangene Fühlung zwischen den Atertumsstudien
und der Gegenwart herzustellen. Sehr groß
ist die Anzahl der literarischen Erscheinungen,
die es sich zur Aufgabe gesetzt haben, dem
modernen Menschen das Erbe der Vergangenheit
nahezubringen und zuzueignen. Zwei Bücher
möchten wir hierherausgreifen; das eine stammt
aus der Feder Robert V.Pöhlmanns,des antiken
Historikers an der Universität München: Aus
Altertum und Gegenwart (München, Beck).
Schon die erste Abhandlung "DaS klassischeAlter-
tum in seiner Bedeutung für die politische Er¬
ziehung des modernen Staatsbürgers" eröffnet
weite und fruchtbare Gesichtspunkte. In ein
uns heute wieder auf die Nägel brennendes
soziales Problem führt uns die Schilderung der
Wohnungsnot in den antiken Großstädten, und
mitten in dieAuseinandersetzung zwischen Agrar-
und Industriestaat hinein versetzt uns die Dar¬
legung über Tiberius Gracchus als Sozial--
reformer. Ein Aufsatz wie der über das
"technische" Jahrhundert ist geeignet, auch dem
unbedingtesten Anhänger Ostwalds und seiner
Gefährten die Augen zu öffnen über die kimmer-
ische Öde einer rein auf mathematisch-natur¬
wissenschaftlichen Grundlage aufgebauten Welt¬
anschauung. Was uns das "Sokrntesproblem"
zu sagen hat, ermißt man sofort, wenn man
sich nur erinnert, daß das gesamte Denken

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Fr. Nietzsches und seine Stellung zur historischen
Romantik orientiert ist nach der Frage seines
wechselndenVerhältnisses zu dem großen Natio¬
nalisten und Sophisten des fünften vorchristlichen
Jahrhunderts. Was wir Heutigen alles aus der
Betrachtung der Antike lernen können, führt in
geradezu packender Anschaulichkeit der letzte
Beitrag vor: Über die Geschichte der Griechen
und das neunzehnte Jahrhundert. Wir sehen
hier, wie sich je nach der Einstellung des
Auges auf den ästhetisch-klassizistischen Blick¬
punkt Goethes oder den demokratisch-liberalen
Grotes oder den Historisch-Psychologischen der
neuesten Forschung die Perspektive des Bildes
verschiebt, daS wir uns vom Hellenentum
machen, und wie die Schwankungsbreite der
Wertung den rosenroten Optimismus von
Schillers Gedicht "Die Götter Griechenlands"
einerseits, den schwarzseherischen Pessimismus
in Jakob Burckhcirots "Griechischer Kultur¬
geschichte" anderseits einschließt.

An das Publikum im weitesten Sinne
wendet sich P. Cainer in seinen Vorträgen über
"Das Altertum im Leben der Gegenwart"
("Aus Natur- und Geisteswelt", 3S6. Bänd¬
chen, Teubner, Leipzig 1911). Entgegen dem
Bestreben, im Altertum mit einseitiger Be¬
tonung immer nur das Abgeschlossene, Gleich¬
artige hervorzuheben, macht der um die Aus¬
söhnung der Altertumswissenschaft mit der
Neuzeit hochverdiente Verfasser Ernst mit der
Durchführung des Entwicklungsgedankens und
der Anwendung freiester Kritik auf die Antike,
deren tatsächlichen Kern wir ebenso aus der
Hülle des Dogmas herauszulösen hätten wie
den des Christentums. Cainer hat den Mut
der Forderung, daß auch in der Schule die
sicheren Ergebnisse rückhaltlos mitgeteilt werden
und alle angeblich pädagogischen Umdeutungen
unterbleiben sollen; auch hier wünscht er im
Sinne des Schillerschen Idealismus "Erziehung
zur Freiheit." Unter diesen Gesichtspunkten
führt er die verschiedenen Gebiete des antiken
Schaffens in Literatur, Religion, Kunst, Wissen-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Bildnngswesen

Die Hochflut der Angriffe auf unsere
hinimllistische Bildung, dieses Wahrzeichen
und Palladium aller höheren Geisteskultur der
abendländischen Welt, hat abgeebbt. Auf der
einen Seite haben sich weite .Kreise der Nation,
und zwar nicht zuletzt auch in den praktischen
Berufszweigen, unzweideutig zu der Über¬
zeugung bekannt, daß wir jenen alterprobten
Bildungsweg nicht verlassen können, ohne uns
selbst schwer zu schädigen; auf der andern
Seite haben die Vertreter der Philologie längst
die bessernde Hand angelegt, um in Wissen¬
schaft und Schule die Violfach verlorenge¬
gangene Fühlung zwischen den Atertumsstudien
und der Gegenwart herzustellen. Sehr groß
ist die Anzahl der literarischen Erscheinungen,
die es sich zur Aufgabe gesetzt haben, dem
modernen Menschen das Erbe der Vergangenheit
nahezubringen und zuzueignen. Zwei Bücher
möchten wir hierherausgreifen; das eine stammt
aus der Feder Robert V.Pöhlmanns,des antiken
Historikers an der Universität München: Aus
Altertum und Gegenwart (München, Beck).
Schon die erste Abhandlung „DaS klassischeAlter-
tum in seiner Bedeutung für die politische Er¬
ziehung des modernen Staatsbürgers" eröffnet
weite und fruchtbare Gesichtspunkte. In ein
uns heute wieder auf die Nägel brennendes
soziales Problem führt uns die Schilderung der
Wohnungsnot in den antiken Großstädten, und
mitten in dieAuseinandersetzung zwischen Agrar-
und Industriestaat hinein versetzt uns die Dar¬
legung über Tiberius Gracchus als Sozial--
reformer. Ein Aufsatz wie der über das
„technische" Jahrhundert ist geeignet, auch dem
unbedingtesten Anhänger Ostwalds und seiner
Gefährten die Augen zu öffnen über die kimmer-
ische Öde einer rein auf mathematisch-natur¬
wissenschaftlichen Grundlage aufgebauten Welt¬
anschauung. Was uns das „Sokrntesproblem"
zu sagen hat, ermißt man sofort, wenn man
sich nur erinnert, daß das gesamte Denken

[Spaltenumbruch]

Fr. Nietzsches und seine Stellung zur historischen
Romantik orientiert ist nach der Frage seines
wechselndenVerhältnisses zu dem großen Natio¬
nalisten und Sophisten des fünften vorchristlichen
Jahrhunderts. Was wir Heutigen alles aus der
Betrachtung der Antike lernen können, führt in
geradezu packender Anschaulichkeit der letzte
Beitrag vor: Über die Geschichte der Griechen
und das neunzehnte Jahrhundert. Wir sehen
hier, wie sich je nach der Einstellung des
Auges auf den ästhetisch-klassizistischen Blick¬
punkt Goethes oder den demokratisch-liberalen
Grotes oder den Historisch-Psychologischen der
neuesten Forschung die Perspektive des Bildes
verschiebt, daS wir uns vom Hellenentum
machen, und wie die Schwankungsbreite der
Wertung den rosenroten Optimismus von
Schillers Gedicht „Die Götter Griechenlands"
einerseits, den schwarzseherischen Pessimismus
in Jakob Burckhcirots „Griechischer Kultur¬
geschichte" anderseits einschließt.

An das Publikum im weitesten Sinne
wendet sich P. Cainer in seinen Vorträgen über
„Das Altertum im Leben der Gegenwart"
(„Aus Natur- und Geisteswelt", 3S6. Bänd¬
chen, Teubner, Leipzig 1911). Entgegen dem
Bestreben, im Altertum mit einseitiger Be¬
tonung immer nur das Abgeschlossene, Gleich¬
artige hervorzuheben, macht der um die Aus¬
söhnung der Altertumswissenschaft mit der
Neuzeit hochverdiente Verfasser Ernst mit der
Durchführung des Entwicklungsgedankens und
der Anwendung freiester Kritik auf die Antike,
deren tatsächlichen Kern wir ebenso aus der
Hülle des Dogmas herauszulösen hätten wie
den des Christentums. Cainer hat den Mut
der Forderung, daß auch in der Schule die
sicheren Ergebnisse rückhaltlos mitgeteilt werden
und alle angeblich pädagogischen Umdeutungen
unterbleiben sollen; auch hier wünscht er im
Sinne des Schillerschen Idealismus „Erziehung
zur Freiheit." Unter diesen Gesichtspunkten
führt er die verschiedenen Gebiete des antiken
Schaffens in Literatur, Religion, Kunst, Wissen-

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[0586] [Abbildung] Maßgebliches und Unmaßgebliches Bildnngswesen Die Hochflut der Angriffe auf unsere hinimllistische Bildung, dieses Wahrzeichen und Palladium aller höheren Geisteskultur der abendländischen Welt, hat abgeebbt. Auf der einen Seite haben sich weite .Kreise der Nation, und zwar nicht zuletzt auch in den praktischen Berufszweigen, unzweideutig zu der Über¬ zeugung bekannt, daß wir jenen alterprobten Bildungsweg nicht verlassen können, ohne uns selbst schwer zu schädigen; auf der andern Seite haben die Vertreter der Philologie längst die bessernde Hand angelegt, um in Wissen¬ schaft und Schule die Violfach verlorenge¬ gangene Fühlung zwischen den Atertumsstudien und der Gegenwart herzustellen. Sehr groß ist die Anzahl der literarischen Erscheinungen, die es sich zur Aufgabe gesetzt haben, dem modernen Menschen das Erbe der Vergangenheit nahezubringen und zuzueignen. Zwei Bücher möchten wir hierherausgreifen; das eine stammt aus der Feder Robert V.Pöhlmanns,des antiken Historikers an der Universität München: Aus Altertum und Gegenwart (München, Beck). Schon die erste Abhandlung „DaS klassischeAlter- tum in seiner Bedeutung für die politische Er¬ ziehung des modernen Staatsbürgers" eröffnet weite und fruchtbare Gesichtspunkte. In ein uns heute wieder auf die Nägel brennendes soziales Problem führt uns die Schilderung der Wohnungsnot in den antiken Großstädten, und mitten in dieAuseinandersetzung zwischen Agrar- und Industriestaat hinein versetzt uns die Dar¬ legung über Tiberius Gracchus als Sozial-- reformer. Ein Aufsatz wie der über das „technische" Jahrhundert ist geeignet, auch dem unbedingtesten Anhänger Ostwalds und seiner Gefährten die Augen zu öffnen über die kimmer- ische Öde einer rein auf mathematisch-natur¬ wissenschaftlichen Grundlage aufgebauten Welt¬ anschauung. Was uns das „Sokrntesproblem" zu sagen hat, ermißt man sofort, wenn man sich nur erinnert, daß das gesamte Denken Fr. Nietzsches und seine Stellung zur historischen Romantik orientiert ist nach der Frage seines wechselndenVerhältnisses zu dem großen Natio¬ nalisten und Sophisten des fünften vorchristlichen Jahrhunderts. Was wir Heutigen alles aus der Betrachtung der Antike lernen können, führt in geradezu packender Anschaulichkeit der letzte Beitrag vor: Über die Geschichte der Griechen und das neunzehnte Jahrhundert. Wir sehen hier, wie sich je nach der Einstellung des Auges auf den ästhetisch-klassizistischen Blick¬ punkt Goethes oder den demokratisch-liberalen Grotes oder den Historisch-Psychologischen der neuesten Forschung die Perspektive des Bildes verschiebt, daS wir uns vom Hellenentum machen, und wie die Schwankungsbreite der Wertung den rosenroten Optimismus von Schillers Gedicht „Die Götter Griechenlands" einerseits, den schwarzseherischen Pessimismus in Jakob Burckhcirots „Griechischer Kultur¬ geschichte" anderseits einschließt. An das Publikum im weitesten Sinne wendet sich P. Cainer in seinen Vorträgen über „Das Altertum im Leben der Gegenwart" („Aus Natur- und Geisteswelt", 3S6. Bänd¬ chen, Teubner, Leipzig 1911). Entgegen dem Bestreben, im Altertum mit einseitiger Be¬ tonung immer nur das Abgeschlossene, Gleich¬ artige hervorzuheben, macht der um die Aus¬ söhnung der Altertumswissenschaft mit der Neuzeit hochverdiente Verfasser Ernst mit der Durchführung des Entwicklungsgedankens und der Anwendung freiester Kritik auf die Antike, deren tatsächlichen Kern wir ebenso aus der Hülle des Dogmas herauszulösen hätten wie den des Christentums. Cainer hat den Mut der Forderung, daß auch in der Schule die sicheren Ergebnisse rückhaltlos mitgeteilt werden und alle angeblich pädagogischen Umdeutungen unterbleiben sollen; auch hier wünscht er im Sinne des Schillerschen Idealismus „Erziehung zur Freiheit." Unter diesen Gesichtspunkten führt er die verschiedenen Gebiete des antiken Schaffens in Literatur, Religion, Kunst, Wissen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/586>, abgerufen am 29.04.2024.