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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Reichsspiegel

Deutschlands Finanzgebcihrung

Der Umschwung, der sich in der Beurteilung unserer äußeren Politik im
eigenen Lande zu vollziehen beginnt, hat sich auf dem Gebiete der Finanzen
noch nicht erkennbar gemacht. Man mag über die Finanzreform denken wie
man wolle, das Ergebnis ist nicht zu bestreikn: sie hat der Finanzgebahrung
unseres Reiches die im Staatsinteresse erforderliche Bewegungsfreiheit gegeben.
Mit der ungesunden Anleihewirtschaft ist in den letzten zwei bis drei Jahren mit
Erfolg gebrochen worden. Das Budget wurde 1910 und 1911 mit keinen
neuen Anleihen belastet, die Schuldentilgung konnte während der letzten drei
Jahre mit einem Betrage von 150 Millionen Mark bewirkt werden und dürfte
voraussichtlich für 1912 mit weiteren 50 Millionen Mark fortgesetzt werden.

In dein Voranschlage für 1912 zeigt sich diese Besserung der Finanzen
darin, daß die Erfordernisse für den Zinsendienst und die Tilgung der Reichs-
schuld in demi ordentlichen Etat von 230,4 Millionen Mark auf 247,6 Millionen
Mark, d. h. um 32,8 Millionen Mark zurückgegangen sind. Berücksichtigt man
dabei den kleinen Mehrzuwachs der Ausgaben für die Reichsschuld im außer¬
ordentlichen Etat von knapp 200 000 Mark, so hat man im ganzen eine
Besserung von 32,6 Millionen Mark. Die Fortschritte in der inneren Festigung
des Voranschlages für den NeichshauZhaltsetat zeigen sich auch in folgendem:

Das Jahr 1911 brachte außerordentliche Ausgaben von rund 217 Millionen
Mark. In dem Entwurf für 1912 sind nur 134,4 Millionen Mark in Ansatz
gebracht morden, indem 38 Prozent außerordentliche Ausgaben (darunter allein
42 Millionen Mark für die Erweiterung des Kaiser-Wilhelm-Kanals, ferner
Ausgaben für die Vervollständigung des Eisenbahnnetzes im Interesse der Landes¬
verteidigung, für Festungsbauten usw.) auf den ordentlichen Etat übernommen
wurden. Während zur Deckung des außerordentlichen Etats im Jahre 1911 ein
Anleihebetrag von 97.5 Millionen Mark verblieb, hat sich dieser für 1912 auf
43,7 Millionen Mark verringert.

Auf die Zuversicht in der richtigen Bewertung der Reichseinnahmen sowie
der Durchführung des Budgets ist es zurückzuführen, daß für das kommende




Reichsspiegel

Deutschlands Finanzgebcihrung

Der Umschwung, der sich in der Beurteilung unserer äußeren Politik im
eigenen Lande zu vollziehen beginnt, hat sich auf dem Gebiete der Finanzen
noch nicht erkennbar gemacht. Man mag über die Finanzreform denken wie
man wolle, das Ergebnis ist nicht zu bestreikn: sie hat der Finanzgebahrung
unseres Reiches die im Staatsinteresse erforderliche Bewegungsfreiheit gegeben.
Mit der ungesunden Anleihewirtschaft ist in den letzten zwei bis drei Jahren mit
Erfolg gebrochen worden. Das Budget wurde 1910 und 1911 mit keinen
neuen Anleihen belastet, die Schuldentilgung konnte während der letzten drei
Jahre mit einem Betrage von 150 Millionen Mark bewirkt werden und dürfte
voraussichtlich für 1912 mit weiteren 50 Millionen Mark fortgesetzt werden.

In dein Voranschlage für 1912 zeigt sich diese Besserung der Finanzen
darin, daß die Erfordernisse für den Zinsendienst und die Tilgung der Reichs-
schuld in demi ordentlichen Etat von 230,4 Millionen Mark auf 247,6 Millionen
Mark, d. h. um 32,8 Millionen Mark zurückgegangen sind. Berücksichtigt man
dabei den kleinen Mehrzuwachs der Ausgaben für die Reichsschuld im außer¬
ordentlichen Etat von knapp 200 000 Mark, so hat man im ganzen eine
Besserung von 32,6 Millionen Mark. Die Fortschritte in der inneren Festigung
des Voranschlages für den NeichshauZhaltsetat zeigen sich auch in folgendem:

Das Jahr 1911 brachte außerordentliche Ausgaben von rund 217 Millionen
Mark. In dem Entwurf für 1912 sind nur 134,4 Millionen Mark in Ansatz
gebracht morden, indem 38 Prozent außerordentliche Ausgaben (darunter allein
42 Millionen Mark für die Erweiterung des Kaiser-Wilhelm-Kanals, ferner
Ausgaben für die Vervollständigung des Eisenbahnnetzes im Interesse der Landes¬
verteidigung, für Festungsbauten usw.) auf den ordentlichen Etat übernommen
wurden. Während zur Deckung des außerordentlichen Etats im Jahre 1911 ein
Anleihebetrag von 97.5 Millionen Mark verblieb, hat sich dieser für 1912 auf
43,7 Millionen Mark verringert.

Auf die Zuversicht in der richtigen Bewertung der Reichseinnahmen sowie
der Durchführung des Budgets ist es zurückzuführen, daß für das kommende




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[0059] Reichsspiegel Deutschlands Finanzgebcihrung Der Umschwung, der sich in der Beurteilung unserer äußeren Politik im eigenen Lande zu vollziehen beginnt, hat sich auf dem Gebiete der Finanzen noch nicht erkennbar gemacht. Man mag über die Finanzreform denken wie man wolle, das Ergebnis ist nicht zu bestreikn: sie hat der Finanzgebahrung unseres Reiches die im Staatsinteresse erforderliche Bewegungsfreiheit gegeben. Mit der ungesunden Anleihewirtschaft ist in den letzten zwei bis drei Jahren mit Erfolg gebrochen worden. Das Budget wurde 1910 und 1911 mit keinen neuen Anleihen belastet, die Schuldentilgung konnte während der letzten drei Jahre mit einem Betrage von 150 Millionen Mark bewirkt werden und dürfte voraussichtlich für 1912 mit weiteren 50 Millionen Mark fortgesetzt werden. In dein Voranschlage für 1912 zeigt sich diese Besserung der Finanzen darin, daß die Erfordernisse für den Zinsendienst und die Tilgung der Reichs- schuld in demi ordentlichen Etat von 230,4 Millionen Mark auf 247,6 Millionen Mark, d. h. um 32,8 Millionen Mark zurückgegangen sind. Berücksichtigt man dabei den kleinen Mehrzuwachs der Ausgaben für die Reichsschuld im außer¬ ordentlichen Etat von knapp 200 000 Mark, so hat man im ganzen eine Besserung von 32,6 Millionen Mark. Die Fortschritte in der inneren Festigung des Voranschlages für den NeichshauZhaltsetat zeigen sich auch in folgendem: Das Jahr 1911 brachte außerordentliche Ausgaben von rund 217 Millionen Mark. In dem Entwurf für 1912 sind nur 134,4 Millionen Mark in Ansatz gebracht morden, indem 38 Prozent außerordentliche Ausgaben (darunter allein 42 Millionen Mark für die Erweiterung des Kaiser-Wilhelm-Kanals, ferner Ausgaben für die Vervollständigung des Eisenbahnnetzes im Interesse der Landes¬ verteidigung, für Festungsbauten usw.) auf den ordentlichen Etat übernommen wurden. Während zur Deckung des außerordentlichen Etats im Jahre 1911 ein Anleihebetrag von 97.5 Millionen Mark verblieb, hat sich dieser für 1912 auf 43,7 Millionen Mark verringert. Auf die Zuversicht in der richtigen Bewertung der Reichseinnahmen sowie der Durchführung des Budgets ist es zurückzuführen, daß für das kommende

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/59>, abgerufen am 29.04.2024.