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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Der Beichtvater eines llaiserxaares

Führers nach Gebühr zu feiern, sagte nicht einmal, wer eigentlich gesiegt hatte,
sondern setzte nur in lakonischer Kürze hinzu: Es war ein historisches Ereignis!
Wer hätte solchen Gründen widerstehen können? Das Kriegsgericht trat ent¬
weder gar nicht zusammen oder kam zu einem bedingungslos freisprechenden
Urteil. Wenige Wochen später aber führte der Emir Azäm den stolzen Titel
"Unterstaatssekretär im Kriegsministerium" und hatte die Anwartschaft, dem¬
nächst Kriegsminister zu werden.




9er Beichtvater eines Aaiservaares
Schilderung eines bewegten Lebenslaufes
von Dr. Arthur Rochs (Schluß)

In Parras, einer Stadt von ungefähr fünfzehntausend Einwohnern, war
Fischer an eitlem jener tückischen Klimafieber erkrankt, welche gerade junge und
kräftige Leute weit gewaltiger packen als ältere und schwächliche Leute. Man
schaffte den schwerkranken Landfremden, dessen verwahrlostes Äußere schon mehr
die Bezeichnung eines Landstreichers zuließ, in das äußerst primitive Hospital,
wo man sich bei seiner (Anlieferung schon ziemlich klar darüber zu sein schien,
daß mau es mit einem Sterbenden zu tun habe. Übergroße Mühe würde man
sich mit dem mittellosen "OrinM", einem der in Mexiko wenig beliebten Nord-
amerikaner, für den man den Kranken hielt, auch wohl schwerlich gegeben haben,
wenn nicht ein alter Priester, der zufällig am Lager des sich in wüsten Fieber¬
delirien Wälzenden vorüberging, gehört hätte, wie der Kranke in wirren:
Durcheinander deutsche und französische Verse sang, auf Englisch und Spanisch
fluchte, dann aber wieder Lateinisch und Griechisch rezitierte.

Diese merkwürdige Vielseitigkeit des kranken Fremden erregte das Interesse
des greise:: Priesters, und gerade diese Anteilnahme genügte wider Erwarten,
den scheinbar bereits dem Tode Geweihten noch am Rande des Grabes zu
retten und in verhältnismäßig kurzer Zeit völlig wiederherzustellen. In der Zeit
der Rekonvaleszenz wurde aus dem bisherigen polternden Freigeist ein ver¬
ständnisvoller, wenn auch schwerlich gläubiger und überzeugungstreuer Katholik,
aus dem sich allmählich unter Beihilfe seines alten klerikalen Freundes aus dem
Hospital, der ihn wiederum der Beachtung und der Gunst des Bischofs der
Diözese empfohlen hatte, in unglaublich kurzer Zeit selbst ein "Geweihter des
Herrn" entwickelte!

Der Bischof hatte die ungewöhnliche Begabung des sprachgewandten jungen
Teutschen bald erkannt, dessen allgemeine Bildung -- so wenig geregelt und
abgerundet sie nach deutschen Schulbegriffen auch sein mochte -- dennoch auf


Der Beichtvater eines llaiserxaares

Führers nach Gebühr zu feiern, sagte nicht einmal, wer eigentlich gesiegt hatte,
sondern setzte nur in lakonischer Kürze hinzu: Es war ein historisches Ereignis!
Wer hätte solchen Gründen widerstehen können? Das Kriegsgericht trat ent¬
weder gar nicht zusammen oder kam zu einem bedingungslos freisprechenden
Urteil. Wenige Wochen später aber führte der Emir Azäm den stolzen Titel
„Unterstaatssekretär im Kriegsministerium" und hatte die Anwartschaft, dem¬
nächst Kriegsminister zu werden.




9er Beichtvater eines Aaiservaares
Schilderung eines bewegten Lebenslaufes
von Dr. Arthur Rochs (Schluß)

In Parras, einer Stadt von ungefähr fünfzehntausend Einwohnern, war
Fischer an eitlem jener tückischen Klimafieber erkrankt, welche gerade junge und
kräftige Leute weit gewaltiger packen als ältere und schwächliche Leute. Man
schaffte den schwerkranken Landfremden, dessen verwahrlostes Äußere schon mehr
die Bezeichnung eines Landstreichers zuließ, in das äußerst primitive Hospital,
wo man sich bei seiner (Anlieferung schon ziemlich klar darüber zu sein schien,
daß mau es mit einem Sterbenden zu tun habe. Übergroße Mühe würde man
sich mit dem mittellosen „OrinM", einem der in Mexiko wenig beliebten Nord-
amerikaner, für den man den Kranken hielt, auch wohl schwerlich gegeben haben,
wenn nicht ein alter Priester, der zufällig am Lager des sich in wüsten Fieber¬
delirien Wälzenden vorüberging, gehört hätte, wie der Kranke in wirren:
Durcheinander deutsche und französische Verse sang, auf Englisch und Spanisch
fluchte, dann aber wieder Lateinisch und Griechisch rezitierte.

Diese merkwürdige Vielseitigkeit des kranken Fremden erregte das Interesse
des greise:: Priesters, und gerade diese Anteilnahme genügte wider Erwarten,
den scheinbar bereits dem Tode Geweihten noch am Rande des Grabes zu
retten und in verhältnismäßig kurzer Zeit völlig wiederherzustellen. In der Zeit
der Rekonvaleszenz wurde aus dem bisherigen polternden Freigeist ein ver¬
ständnisvoller, wenn auch schwerlich gläubiger und überzeugungstreuer Katholik,
aus dem sich allmählich unter Beihilfe seines alten klerikalen Freundes aus dem
Hospital, der ihn wiederum der Beachtung und der Gunst des Bischofs der
Diözese empfohlen hatte, in unglaublich kurzer Zeit selbst ein „Geweihter des
Herrn" entwickelte!

Der Bischof hatte die ungewöhnliche Begabung des sprachgewandten jungen
Teutschen bald erkannt, dessen allgemeine Bildung — so wenig geregelt und
abgerundet sie nach deutschen Schulbegriffen auch sein mochte — dennoch auf


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[0084] Der Beichtvater eines llaiserxaares Führers nach Gebühr zu feiern, sagte nicht einmal, wer eigentlich gesiegt hatte, sondern setzte nur in lakonischer Kürze hinzu: Es war ein historisches Ereignis! Wer hätte solchen Gründen widerstehen können? Das Kriegsgericht trat ent¬ weder gar nicht zusammen oder kam zu einem bedingungslos freisprechenden Urteil. Wenige Wochen später aber führte der Emir Azäm den stolzen Titel „Unterstaatssekretär im Kriegsministerium" und hatte die Anwartschaft, dem¬ nächst Kriegsminister zu werden. 9er Beichtvater eines Aaiservaares Schilderung eines bewegten Lebenslaufes von Dr. Arthur Rochs (Schluß) In Parras, einer Stadt von ungefähr fünfzehntausend Einwohnern, war Fischer an eitlem jener tückischen Klimafieber erkrankt, welche gerade junge und kräftige Leute weit gewaltiger packen als ältere und schwächliche Leute. Man schaffte den schwerkranken Landfremden, dessen verwahrlostes Äußere schon mehr die Bezeichnung eines Landstreichers zuließ, in das äußerst primitive Hospital, wo man sich bei seiner (Anlieferung schon ziemlich klar darüber zu sein schien, daß mau es mit einem Sterbenden zu tun habe. Übergroße Mühe würde man sich mit dem mittellosen „OrinM", einem der in Mexiko wenig beliebten Nord- amerikaner, für den man den Kranken hielt, auch wohl schwerlich gegeben haben, wenn nicht ein alter Priester, der zufällig am Lager des sich in wüsten Fieber¬ delirien Wälzenden vorüberging, gehört hätte, wie der Kranke in wirren: Durcheinander deutsche und französische Verse sang, auf Englisch und Spanisch fluchte, dann aber wieder Lateinisch und Griechisch rezitierte. Diese merkwürdige Vielseitigkeit des kranken Fremden erregte das Interesse des greise:: Priesters, und gerade diese Anteilnahme genügte wider Erwarten, den scheinbar bereits dem Tode Geweihten noch am Rande des Grabes zu retten und in verhältnismäßig kurzer Zeit völlig wiederherzustellen. In der Zeit der Rekonvaleszenz wurde aus dem bisherigen polternden Freigeist ein ver¬ ständnisvoller, wenn auch schwerlich gläubiger und überzeugungstreuer Katholik, aus dem sich allmählich unter Beihilfe seines alten klerikalen Freundes aus dem Hospital, der ihn wiederum der Beachtung und der Gunst des Bischofs der Diözese empfohlen hatte, in unglaublich kurzer Zeit selbst ein „Geweihter des Herrn" entwickelte! Der Bischof hatte die ungewöhnliche Begabung des sprachgewandten jungen Teutschen bald erkannt, dessen allgemeine Bildung — so wenig geregelt und abgerundet sie nach deutschen Schulbegriffen auch sein mochte — dennoch auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/84>, abgerufen am 29.04.2024.