Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.Briefe aus Gstasien Von weiland Professor Dr. Wilhelm Grube ) An seine Schwester. Tokyo. den 16. Juni 1897. Liebe Weinande! s gibt keine Worte, die den Eindruck schildern und wiedergeben Vorgestern Morgen um 6 Uhr kamen wir wohlbehalten in Uokohama an, ") Diese Briefe schließen sich den in den Heften 4S bis 47 und 49 bis 52 des Jahr¬
gangs 1911 veröffentlichten "Briefen aus China" um. Briefe aus Gstasien Von weiland Professor Dr. Wilhelm Grube ) An seine Schwester. Tokyo. den 16. Juni 1897. Liebe Weinande! s gibt keine Worte, die den Eindruck schildern und wiedergeben Vorgestern Morgen um 6 Uhr kamen wir wohlbehalten in Uokohama an, ") Diese Briefe schließen sich den in den Heften 4S bis 47 und 49 bis 52 des Jahr¬
gangs 1911 veröffentlichten „Briefen aus China" um. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0135" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321218"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341895_321082/figures/grenzboten_341895_321082_321218_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Briefe aus Gstasien <note type="byline"> Von weiland Professor Dr. Wilhelm Grube</note> )</head><lb/> <p xml:id="ID_536"> An seine Schwester.</p><lb/> <p xml:id="ID_537"> Tokyo. den 16. Juni 1897.</p><lb/> <note type="salute"> Liebe Weinande!</note><lb/> <p xml:id="ID_538"> s gibt keine Worte, die den Eindruck schildern und wiedergeben<lb/> können, den dieses Märchenland gleich am ersten Tage auf uns<lb/> gemacht hat!! Das ist wirklich eine neue Welt, mit deren<lb/> Eigenart und unbeschreiblicher Anmut sich nichts von alledem<lb/> vergleichen läßt, was wir bisher gesehen haben!</p><lb/> <p xml:id="ID_539"> Vorgestern Morgen um 6 Uhr kamen wir wohlbehalten in Uokohama an,<lb/> wo uns eine kleine Dampfbarkasse von Bord der „Emvreß" an Land brachte.<lb/> Nach sehr glimpflicher Zollrevision erfolgte dann unser japanisches Debüt mit<lb/> der Fahrt ins Hotel per Jinriksha. Wie Du vielleicht weißt, gibt es in diesem<lb/> gesegneten Lande nur zweibeinige Gäule in Gestalt reizend graziöser Kukis, von<lb/> denen man in leichtgebauten, zweirädrigen Karren im Laufschritt durch die<lb/> Straßen gezogen wird. Natürlich kann nur eine Person in einem solchen<lb/> Wägelchen Platz finden, und da Lilly voranfuhr, so konnte ich den göttlichen<lb/> Anblick von hinten genießen. Die Beine des Kukis, der den Karren zog, waren<lb/> unter dem letzteren sichtbar und sahen genau so aus, als gehörten sie zu meiner<lb/> besseren Hälfte. Diese köstliche Zusammenstellung wirkte rin unwiderstehlicher<lb/> Macht auf meine Lachmuskeln! Kaum hatten wir uns in unserem reizenden<lb/> Zimmer im Grand Hotel installiert, als sich nach schüchternem Klopfen ein<lb/> bezopfter Chinese mit Stoffproben aller Art durch die Tür wand und mir unter<lb/> vielen tiefen Bücklingen seine Dienste als Schneidermeister anbot. Es ist nämlich<lb/> Sitte, daß sich jeder Europäer gleich mit leichten Sachen versieht, falls er es<lb/> nicht vorzieht, elendiglich in seinem eigenen Schweiße zu ertrinken. Ich wurde<lb/> denn auch bald mit dem braven Meister Chang Choo handelseinig, und binnen<lb/> vierundzwanzig Stunden lieferte er mir drei Leinen-, zwei Flanell- und einen<lb/> ganz leichten Tuchanzug, die alle sechs tadellos sitzen, für den Gesamtpreis von<lb/> «5 Yen 130 Mark____</p><lb/> <note xml:id="FID_19" place="foot"> ") Diese Briefe schließen sich den in den Heften 4S bis 47 und 49 bis 52 des Jahr¬<lb/> gangs 1911 veröffentlichten „Briefen aus China" um.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0135]
[Abbildung]
Briefe aus Gstasien Von weiland Professor Dr. Wilhelm Grube )
An seine Schwester.
Tokyo. den 16. Juni 1897.
Liebe Weinande!
s gibt keine Worte, die den Eindruck schildern und wiedergeben
können, den dieses Märchenland gleich am ersten Tage auf uns
gemacht hat!! Das ist wirklich eine neue Welt, mit deren
Eigenart und unbeschreiblicher Anmut sich nichts von alledem
vergleichen läßt, was wir bisher gesehen haben!
Vorgestern Morgen um 6 Uhr kamen wir wohlbehalten in Uokohama an,
wo uns eine kleine Dampfbarkasse von Bord der „Emvreß" an Land brachte.
Nach sehr glimpflicher Zollrevision erfolgte dann unser japanisches Debüt mit
der Fahrt ins Hotel per Jinriksha. Wie Du vielleicht weißt, gibt es in diesem
gesegneten Lande nur zweibeinige Gäule in Gestalt reizend graziöser Kukis, von
denen man in leichtgebauten, zweirädrigen Karren im Laufschritt durch die
Straßen gezogen wird. Natürlich kann nur eine Person in einem solchen
Wägelchen Platz finden, und da Lilly voranfuhr, so konnte ich den göttlichen
Anblick von hinten genießen. Die Beine des Kukis, der den Karren zog, waren
unter dem letzteren sichtbar und sahen genau so aus, als gehörten sie zu meiner
besseren Hälfte. Diese köstliche Zusammenstellung wirkte rin unwiderstehlicher
Macht auf meine Lachmuskeln! Kaum hatten wir uns in unserem reizenden
Zimmer im Grand Hotel installiert, als sich nach schüchternem Klopfen ein
bezopfter Chinese mit Stoffproben aller Art durch die Tür wand und mir unter
vielen tiefen Bücklingen seine Dienste als Schneidermeister anbot. Es ist nämlich
Sitte, daß sich jeder Europäer gleich mit leichten Sachen versieht, falls er es
nicht vorzieht, elendiglich in seinem eigenen Schweiße zu ertrinken. Ich wurde
denn auch bald mit dem braven Meister Chang Choo handelseinig, und binnen
vierundzwanzig Stunden lieferte er mir drei Leinen-, zwei Flanell- und einen
ganz leichten Tuchanzug, die alle sechs tadellos sitzen, für den Gesamtpreis von
«5 Yen 130 Mark____
") Diese Briefe schließen sich den in den Heften 4S bis 47 und 49 bis 52 des Jahr¬
gangs 1911 veröffentlichten „Briefen aus China" um.
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