Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.Englands Achillesferse von Hugo Barte is iele Jahrzehnte lang haben die Briten als Muster politischen An großen, die Sinne blendenden Schlagworten fehlt es auf der britischen An Verheißungen also ist kein Mangel, und selbst wenn mau allen Wahl¬ Englands Achillesferse von Hugo Barte is iele Jahrzehnte lang haben die Briten als Muster politischen An großen, die Sinne blendenden Schlagworten fehlt es auf der britischen An Verheißungen also ist kein Mangel, und selbst wenn mau allen Wahl¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0321" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321404"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341895_321082/figures/grenzboten_341895_321082_321404_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Englands Achillesferse<lb/><note type="byline"> von Hugo Barte is</note></head><lb/> <p xml:id="ID_1341"> iele Jahrzehnte lang haben die Briten als Muster politischen<lb/> Verständnisses gegolten. Gewiß haben die führenden Schichten<lb/> des britischen Volkes ein hohes, bei uns unerreichtes und, unseren<lb/> verschiedenen Verhältnissen entsprechend, unerreichbares Maß<lb/> politischer Schulung. Aber diese Schulung, so nützlich sie ist, kann<lb/> doch nur die taktische Seite politischer Betätigung betreffen. Wirkliches politisches<lb/> Verständnis erfordert einen Staatsmann und wirkliche Staatsmänner, die die<lb/> Aufgaben ihrer Zeit klar zu erkennen vermögen, sind überall und zu allen Zeiten<lb/> dünn gesät. England macht darin keine Ausnahme und die großen Erfolge,<lb/> die es in der Welt gehabt hat, ergaben sich auch zum Teil aus der Gunst<lb/> seiner Lage und der Gunst der allgemeinen Verhältnisse.</p><lb/> <p xml:id="ID_1342"> An großen, die Sinne blendenden Schlagworten fehlt es auf der britischen<lb/> Insel nicht. Wenn man den Konservativen oder — wie sie sich mit Vorliebe<lb/> nennen — Unionisten glauben will, so müßte für das gesamte britische Weltreich,<lb/> England eingeschlossen, eine herrliche Zeit anbrechen, wollten sie die Regierung<lb/> übernehmen. Ein Schutzzollsystem soll ihnen ermöglichen, alle Kolonien mit dem<lb/> Mutterlande zu einem Zollverein, zu einem einheitlichen Wirtschaftsgebiete<lb/> zusammenzuschließen, das für Großbritannien selbst den Vorzug haben würde,<lb/> der Arbeitlosigkeit abzuhelfen, die Einfuhr fremder Erzeugnisse zu beschränken<lb/> und obendrein Geld in den Staatssäckel zu bringen, ohne das Leben zu ver¬<lb/> teuern; der Ausländer würde die Einfuhrzölle bezahlen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1343" next="#ID_1344"> An Verheißungen also ist kein Mangel, und selbst wenn mau allen Wahl¬<lb/> köder abrechnet, bleibt noch genug übrig, um dem Briten den Mund wässrig zu<lb/> machen. Wenn man aber die Unterlagen des Planes, die Art seiner möglichen<lb/> Ausführung und die voraussichtliche Wirkung näher betrachtet, erheben sich so<lb/> große Bedenken, daß man zweifeln muß, ob denn in der Partei, die den Schutz¬<lb/> zoll befürwortet, wirklich staatsmännische Fähigkeit zu finden ist. Immer und<lb/> immer wieder wird das Beispiel Deutschlands herangezogen, das durch den<lb/> Zollverein und seine Schutzzölle aufgeblüht sei. Doch nirgends wird die Frage<lb/> aufgeworfen, ob denn die Verhältnisse überhaupt vergleichbar seien, ob ein über</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0321]
[Abbildung]
Englands Achillesferse
von Hugo Barte is
iele Jahrzehnte lang haben die Briten als Muster politischen
Verständnisses gegolten. Gewiß haben die führenden Schichten
des britischen Volkes ein hohes, bei uns unerreichtes und, unseren
verschiedenen Verhältnissen entsprechend, unerreichbares Maß
politischer Schulung. Aber diese Schulung, so nützlich sie ist, kann
doch nur die taktische Seite politischer Betätigung betreffen. Wirkliches politisches
Verständnis erfordert einen Staatsmann und wirkliche Staatsmänner, die die
Aufgaben ihrer Zeit klar zu erkennen vermögen, sind überall und zu allen Zeiten
dünn gesät. England macht darin keine Ausnahme und die großen Erfolge,
die es in der Welt gehabt hat, ergaben sich auch zum Teil aus der Gunst
seiner Lage und der Gunst der allgemeinen Verhältnisse.
An großen, die Sinne blendenden Schlagworten fehlt es auf der britischen
Insel nicht. Wenn man den Konservativen oder — wie sie sich mit Vorliebe
nennen — Unionisten glauben will, so müßte für das gesamte britische Weltreich,
England eingeschlossen, eine herrliche Zeit anbrechen, wollten sie die Regierung
übernehmen. Ein Schutzzollsystem soll ihnen ermöglichen, alle Kolonien mit dem
Mutterlande zu einem Zollverein, zu einem einheitlichen Wirtschaftsgebiete
zusammenzuschließen, das für Großbritannien selbst den Vorzug haben würde,
der Arbeitlosigkeit abzuhelfen, die Einfuhr fremder Erzeugnisse zu beschränken
und obendrein Geld in den Staatssäckel zu bringen, ohne das Leben zu ver¬
teuern; der Ausländer würde die Einfuhrzölle bezahlen.
An Verheißungen also ist kein Mangel, und selbst wenn mau allen Wahl¬
köder abrechnet, bleibt noch genug übrig, um dem Briten den Mund wässrig zu
machen. Wenn man aber die Unterlagen des Planes, die Art seiner möglichen
Ausführung und die voraussichtliche Wirkung näher betrachtet, erheben sich so
große Bedenken, daß man zweifeln muß, ob denn in der Partei, die den Schutz¬
zoll befürwortet, wirklich staatsmännische Fähigkeit zu finden ist. Immer und
immer wieder wird das Beispiel Deutschlands herangezogen, das durch den
Zollverein und seine Schutzzölle aufgeblüht sei. Doch nirgends wird die Frage
aufgeworfen, ob denn die Verhältnisse überhaupt vergleichbar seien, ob ein über
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