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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Reichsspiegel
Bank und Geld

Die DiskontermMgung der Reichsbank -- Die Marktlage der Staatsanleihen --
Die Sicherheit der Staaispapiere -- Kapitalsverlust und Kursrückgang -- Staats¬
anleihen und andere Anlageformen -- Ursachen des Kursrückganges der staatlichen
Rentenanleihen -- Goldentwertung?

Ganz überraschenderweise hat sich die Reichsbank kurz vor dem Semester¬
schluß doch noch zu einer Ermäßigung ihres Diskontsatzes bewegen lassen.
Überraschend war dieser Entschluß nicht nur deshalb, weil er zu einem höchst
ungewöhnlichen Zeitpunkt erfolgt ist, sondern auch weil die verhältnismäßig
geringe Verbesserung des Bankstatus in der ersten Juniwoche kaum ein aus¬
reichender Anlaß war. von der so lange mit Zähigkeit festgehaltenen Diskont¬
politik abzuweichen, und endlich auch deshalb, weil in der Zinsherabsetzung
eine Maßregel erblickt werden muß, welche den vom Reichsbankprästdenten mit
so viel Nachdruck geförderten Bestrebungen auf Einschränkung der Kredit¬
ansprüche entgegenwirkt. Zwar hat der Präsident mit der an die Diskont¬
ermäßigung angeknüpften Mahnung zur Vorsicht in der Gelddisposition versucht,
die Berechtigung jener Kreditpolitik aufs neue einzuschärfen, aber da zwischen
Worten und Taten ein erheblicher Unterschied obwaltet, so kann er nicht ver¬
hindern, wenn aus der Tatsache der Zinsermäßigung der Schluß gezogen wird,
er habe vorher die Dinge zu schwarz gesehen und in der Herabsetzung des
Bankdiskonts sei eigentlich eine Desavouierung seiner früheren Haltung zu
erblicken. Indessen zeigt doch die Entwicklung des Geldmarkts seit der Diskont¬
ermäßigung, daß nur eine kaum bemerkbare Verminderung der Spannung ein¬
getreten ist. Der Privatdiskont hält sich jetzt in unmittelbarer Nähe der Bank¬
rate, Ultimogeld wird mit 6 Prozent bezahlt -- also Zinssätze, die für die
Sommermonate ganz ungewöhnlich sind und nicht darauf schließen lassen, daß
sich am Geldmarkt einstweilen die Dinge zum besseren gewendet haben. Es ist
daher sehr wahrscheinlich, daß bei dem Entschluß der Reichsbank andere als
rein monetäre Gründe den Ausschlag gegeben haben. Dagegen ist auch insofern
nichts einzuwenden, als ja in der Tat eine geschickte Handhabung der Diskont¬
politik sich nicht damit begnügen kann, ihre Maßnahmen lediglich auf Grund
des Bankstatus zu treffen, sondern häufig andere Momente wirtschaftlicher, ja
sogar politischer Natur in Berücksichtigung ziehen muß. Man wird daher nicht
fehlgehen, wenn man in der Zinsfußermäßigung eine Maßnahme sieht, die in




Reichsspiegel
Bank und Geld

Die DiskontermMgung der Reichsbank — Die Marktlage der Staatsanleihen —
Die Sicherheit der Staaispapiere — Kapitalsverlust und Kursrückgang — Staats¬
anleihen und andere Anlageformen — Ursachen des Kursrückganges der staatlichen
Rentenanleihen — Goldentwertung?

Ganz überraschenderweise hat sich die Reichsbank kurz vor dem Semester¬
schluß doch noch zu einer Ermäßigung ihres Diskontsatzes bewegen lassen.
Überraschend war dieser Entschluß nicht nur deshalb, weil er zu einem höchst
ungewöhnlichen Zeitpunkt erfolgt ist, sondern auch weil die verhältnismäßig
geringe Verbesserung des Bankstatus in der ersten Juniwoche kaum ein aus¬
reichender Anlaß war. von der so lange mit Zähigkeit festgehaltenen Diskont¬
politik abzuweichen, und endlich auch deshalb, weil in der Zinsherabsetzung
eine Maßregel erblickt werden muß, welche den vom Reichsbankprästdenten mit
so viel Nachdruck geförderten Bestrebungen auf Einschränkung der Kredit¬
ansprüche entgegenwirkt. Zwar hat der Präsident mit der an die Diskont¬
ermäßigung angeknüpften Mahnung zur Vorsicht in der Gelddisposition versucht,
die Berechtigung jener Kreditpolitik aufs neue einzuschärfen, aber da zwischen
Worten und Taten ein erheblicher Unterschied obwaltet, so kann er nicht ver¬
hindern, wenn aus der Tatsache der Zinsermäßigung der Schluß gezogen wird,
er habe vorher die Dinge zu schwarz gesehen und in der Herabsetzung des
Bankdiskonts sei eigentlich eine Desavouierung seiner früheren Haltung zu
erblicken. Indessen zeigt doch die Entwicklung des Geldmarkts seit der Diskont¬
ermäßigung, daß nur eine kaum bemerkbare Verminderung der Spannung ein¬
getreten ist. Der Privatdiskont hält sich jetzt in unmittelbarer Nähe der Bank¬
rate, Ultimogeld wird mit 6 Prozent bezahlt — also Zinssätze, die für die
Sommermonate ganz ungewöhnlich sind und nicht darauf schließen lassen, daß
sich am Geldmarkt einstweilen die Dinge zum besseren gewendet haben. Es ist
daher sehr wahrscheinlich, daß bei dem Entschluß der Reichsbank andere als
rein monetäre Gründe den Ausschlag gegeben haben. Dagegen ist auch insofern
nichts einzuwenden, als ja in der Tat eine geschickte Handhabung der Diskont¬
politik sich nicht damit begnügen kann, ihre Maßnahmen lediglich auf Grund
des Bankstatus zu treffen, sondern häufig andere Momente wirtschaftlicher, ja
sogar politischer Natur in Berücksichtigung ziehen muß. Man wird daher nicht
fehlgehen, wenn man in der Zinsfußermäßigung eine Maßnahme sieht, die in


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[0652] [Abbildung] Reichsspiegel Bank und Geld Die DiskontermMgung der Reichsbank — Die Marktlage der Staatsanleihen — Die Sicherheit der Staaispapiere — Kapitalsverlust und Kursrückgang — Staats¬ anleihen und andere Anlageformen — Ursachen des Kursrückganges der staatlichen Rentenanleihen — Goldentwertung? Ganz überraschenderweise hat sich die Reichsbank kurz vor dem Semester¬ schluß doch noch zu einer Ermäßigung ihres Diskontsatzes bewegen lassen. Überraschend war dieser Entschluß nicht nur deshalb, weil er zu einem höchst ungewöhnlichen Zeitpunkt erfolgt ist, sondern auch weil die verhältnismäßig geringe Verbesserung des Bankstatus in der ersten Juniwoche kaum ein aus¬ reichender Anlaß war. von der so lange mit Zähigkeit festgehaltenen Diskont¬ politik abzuweichen, und endlich auch deshalb, weil in der Zinsherabsetzung eine Maßregel erblickt werden muß, welche den vom Reichsbankprästdenten mit so viel Nachdruck geförderten Bestrebungen auf Einschränkung der Kredit¬ ansprüche entgegenwirkt. Zwar hat der Präsident mit der an die Diskont¬ ermäßigung angeknüpften Mahnung zur Vorsicht in der Gelddisposition versucht, die Berechtigung jener Kreditpolitik aufs neue einzuschärfen, aber da zwischen Worten und Taten ein erheblicher Unterschied obwaltet, so kann er nicht ver¬ hindern, wenn aus der Tatsache der Zinsermäßigung der Schluß gezogen wird, er habe vorher die Dinge zu schwarz gesehen und in der Herabsetzung des Bankdiskonts sei eigentlich eine Desavouierung seiner früheren Haltung zu erblicken. Indessen zeigt doch die Entwicklung des Geldmarkts seit der Diskont¬ ermäßigung, daß nur eine kaum bemerkbare Verminderung der Spannung ein¬ getreten ist. Der Privatdiskont hält sich jetzt in unmittelbarer Nähe der Bank¬ rate, Ultimogeld wird mit 6 Prozent bezahlt — also Zinssätze, die für die Sommermonate ganz ungewöhnlich sind und nicht darauf schließen lassen, daß sich am Geldmarkt einstweilen die Dinge zum besseren gewendet haben. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß bei dem Entschluß der Reichsbank andere als rein monetäre Gründe den Ausschlag gegeben haben. Dagegen ist auch insofern nichts einzuwenden, als ja in der Tat eine geschickte Handhabung der Diskont¬ politik sich nicht damit begnügen kann, ihre Maßnahmen lediglich auf Grund des Bankstatus zu treffen, sondern häufig andere Momente wirtschaftlicher, ja sogar politischer Natur in Berücksichtigung ziehen muß. Man wird daher nicht fehlgehen, wenn man in der Zinsfußermäßigung eine Maßnahme sieht, die in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/652>, abgerufen am 19.05.2024.