Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

psychologischer Experimente von verschiedenen
Forschern erfolgreich an Hypnotisierten durch¬
geführt worden sind. Darin freilich müssen
wir Wundt beistimmen, daß die Herbei¬
führung des hypnotischen Schlafes auch im
Experiment dem kundigen Arzte zum Schutze
der Versuchspersonen vorbehalten bleiben soll.

Was Wundes Theorie der Hypnose betrifft,
so gelten für ihn hierbei die gleichen Physio¬
logischen und Psychologischen Grundlagen, auf
welchen die seelischen Vorgänge im Wachen,
der Schlaf und die Träume aufgebaut sind;
in erster Linie ist es die Einengung des
Bewußtseinsumfangs und die Aufhebung der
willkürlichen Aufmerksamkeit, die den Zustand
der Hypnose charakterisiert und seine Erschei¬
nungen verständlich macht.

Bei seiner Darlegung hat Wundt die
Forschungen der letzten zwei Jahrzehnte nur
vereinzelt berücksichtigt, und auch seine Zitate
beziehen sich nur auf die alten, mittlerweile
vielfach erneuten Auflagen einiger anerkannter
wissenschaftlicher Lehrbücher des Hypnotismus.
Ungeachtet dessen bleibt aber dieser kleinen
Schrift, abgesehen von ihrem historischen
Wert, nach wie vor das Verdienst, die Ob¬
jektivität und unantastbare Geschlossenheit der
naturwissenschaftlichen Forschung auch sür
dieses Gebiet überzeugend dargelegt und
die gesicherte Wissenschaft des Hypnotismus
von der Einmengung alles übernatürlichen
und Okkultistischen, Wenn auch nicht zuni
erstenmal, so doch mit der ganzen Autorität
ihres Verfassers verteidigt zu haben.

Dr. meat. Max Levy-Susi
Sprache

"Sprachdummheitcn" in der Politik. Mit
"rechts" und "links" bezeichnet man Wohl auf
der ganzen Welt den politischen Standpunkt
des Erdbewohners. Links ist fortschrittlich und
rechts ist eben rechts. Das ist so klar, ein¬
fach und kurz, daß man manchmal froh sein
muß, diese Bezeichnungen zu haben. Aber
sie haben auch ihre logischen Schwierigkeiten.
Ein Politiker, der links steht, hat links von
sich Leute, die weniger links stehen. Und ein¬
Politiker, der rechts steht, hat rechts von sich
Leute, die mehr links stehen. Das ist doch
merkwürdig. Es erklärt sich dadurch, dnsz

[Spaltenumbruch]

die Bezeichnungen nicht vom Standorte der
Politiker gewählt sind, sondern vom Stand¬
orte des Präsidenten, der einer Parlamen¬
tarischen Körperschaft vorsitzt. Vom Präsi¬
denten aus gesehen, sitzt Herr von Normann
ini deutschen Reichstage rechts und Herr
Bebel links; von Herrn von Normann aus
gesehen, sitzt dagegen Herr Bebel ganz rechts.
Wenn Herr von Normann sagen würde:
"wir müssen auch an die nationalen Elemente
denken, die links von uns sich befinden," so
könnte er nur die Leute meinen, die im Par¬
lament rechts von ihm ihren Platz haben.
Noch ärger ist es mit dem linken und rechten
Flügel. Wir kommen damit auf militärische
Bezeichnungen. Beim Militär ist der linke
Flügel da, wo der linke Arm ist. Bei den
Parteien ist es umgekehrt. Der linke Flügel
der Nationalliberalen ist derjenige, von den
Nationalliberalen aus gesehen, der im Par¬
lamente sich nach rechts, nämlich an die
Fortschrittlcr und Sozialdemokraten anlehnt.
Ähnlich ist es mit dem linken und rechten
Flügel der Konservativen, des Zentrums und
der Fortschrittler. Wie aber ist es eigentlich
mit der Sozialdemokratie? Wenn Herr Lede-
bour die orthodoxen Marxisten organisiert,
organisiert er dann den rechten oder den
linken Flügel seiner Partei? Ist er das, was
Fuhrmann oder was der jungliberale Kauff-
mann in der nationalliberalen Partei ist?
Man sollte denken, die Sache wäre -- we¬
nigstens "vorn Präsidenten aus gesehen" --
einfach. Ledebour und die Seinen sind doch
die Radikalen, die Extremen im Gegensatz
zu den Revisionisten. Also steht Ledebour,
vom Präsidenten des Reichstags aus gesehen,
links, während ein Revisionist, wie Herr Süde-
kum, mehr rechts steht. Aber das Gefühl
sträubt sich dagegen, einen radikalen Marxisten
als linksstehend zu bezeichnen. Er ist doch
altgläubig, altsozialdemokratisch, der Revi¬
sionist dagegen reformerisch, jungsozialdemo-
kratisch. Hier schiebt sich also eine andere
Vorstellung dazwischen: rechts ist das Starre,
Unwandelbare, links das Fortschreitende und
sich Entwickelnde. Wenn eS eine feste alt¬
konservative Lehre gäbe, so würde man
zweifellos geneigt sein, die Leute, die treu zu
dieser Lehre halten, als rechten Flügel der
Konservativen zu bezeichnen; ähnlich beim

[Ende Spaltensatz]
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

psychologischer Experimente von verschiedenen
Forschern erfolgreich an Hypnotisierten durch¬
geführt worden sind. Darin freilich müssen
wir Wundt beistimmen, daß die Herbei¬
führung des hypnotischen Schlafes auch im
Experiment dem kundigen Arzte zum Schutze
der Versuchspersonen vorbehalten bleiben soll.

Was Wundes Theorie der Hypnose betrifft,
so gelten für ihn hierbei die gleichen Physio¬
logischen und Psychologischen Grundlagen, auf
welchen die seelischen Vorgänge im Wachen,
der Schlaf und die Träume aufgebaut sind;
in erster Linie ist es die Einengung des
Bewußtseinsumfangs und die Aufhebung der
willkürlichen Aufmerksamkeit, die den Zustand
der Hypnose charakterisiert und seine Erschei¬
nungen verständlich macht.

Bei seiner Darlegung hat Wundt die
Forschungen der letzten zwei Jahrzehnte nur
vereinzelt berücksichtigt, und auch seine Zitate
beziehen sich nur auf die alten, mittlerweile
vielfach erneuten Auflagen einiger anerkannter
wissenschaftlicher Lehrbücher des Hypnotismus.
Ungeachtet dessen bleibt aber dieser kleinen
Schrift, abgesehen von ihrem historischen
Wert, nach wie vor das Verdienst, die Ob¬
jektivität und unantastbare Geschlossenheit der
naturwissenschaftlichen Forschung auch sür
dieses Gebiet überzeugend dargelegt und
die gesicherte Wissenschaft des Hypnotismus
von der Einmengung alles übernatürlichen
und Okkultistischen, Wenn auch nicht zuni
erstenmal, so doch mit der ganzen Autorität
ihres Verfassers verteidigt zu haben.

Dr. meat. Max Levy-Susi
Sprache

„Sprachdummheitcn" in der Politik. Mit
„rechts" und „links" bezeichnet man Wohl auf
der ganzen Welt den politischen Standpunkt
des Erdbewohners. Links ist fortschrittlich und
rechts ist eben rechts. Das ist so klar, ein¬
fach und kurz, daß man manchmal froh sein
muß, diese Bezeichnungen zu haben. Aber
sie haben auch ihre logischen Schwierigkeiten.
Ein Politiker, der links steht, hat links von
sich Leute, die weniger links stehen. Und ein¬
Politiker, der rechts steht, hat rechts von sich
Leute, die mehr links stehen. Das ist doch
merkwürdig. Es erklärt sich dadurch, dnsz

[Spaltenumbruch]

die Bezeichnungen nicht vom Standorte der
Politiker gewählt sind, sondern vom Stand¬
orte des Präsidenten, der einer Parlamen¬
tarischen Körperschaft vorsitzt. Vom Präsi¬
denten aus gesehen, sitzt Herr von Normann
ini deutschen Reichstage rechts und Herr
Bebel links; von Herrn von Normann aus
gesehen, sitzt dagegen Herr Bebel ganz rechts.
Wenn Herr von Normann sagen würde:
„wir müssen auch an die nationalen Elemente
denken, die links von uns sich befinden," so
könnte er nur die Leute meinen, die im Par¬
lament rechts von ihm ihren Platz haben.
Noch ärger ist es mit dem linken und rechten
Flügel. Wir kommen damit auf militärische
Bezeichnungen. Beim Militär ist der linke
Flügel da, wo der linke Arm ist. Bei den
Parteien ist es umgekehrt. Der linke Flügel
der Nationalliberalen ist derjenige, von den
Nationalliberalen aus gesehen, der im Par¬
lamente sich nach rechts, nämlich an die
Fortschrittlcr und Sozialdemokraten anlehnt.
Ähnlich ist es mit dem linken und rechten
Flügel der Konservativen, des Zentrums und
der Fortschrittler. Wie aber ist es eigentlich
mit der Sozialdemokratie? Wenn Herr Lede-
bour die orthodoxen Marxisten organisiert,
organisiert er dann den rechten oder den
linken Flügel seiner Partei? Ist er das, was
Fuhrmann oder was der jungliberale Kauff-
mann in der nationalliberalen Partei ist?
Man sollte denken, die Sache wäre — we¬
nigstens „vorn Präsidenten aus gesehen" —
einfach. Ledebour und die Seinen sind doch
die Radikalen, die Extremen im Gegensatz
zu den Revisionisten. Also steht Ledebour,
vom Präsidenten des Reichstags aus gesehen,
links, während ein Revisionist, wie Herr Süde-
kum, mehr rechts steht. Aber das Gefühl
sträubt sich dagegen, einen radikalen Marxisten
als linksstehend zu bezeichnen. Er ist doch
altgläubig, altsozialdemokratisch, der Revi¬
sionist dagegen reformerisch, jungsozialdemo-
kratisch. Hier schiebt sich also eine andere
Vorstellung dazwischen: rechts ist das Starre,
Unwandelbare, links das Fortschreitende und
sich Entwickelnde. Wenn eS eine feste alt¬
konservative Lehre gäbe, so würde man
zweifellos geneigt sein, die Leute, die treu zu
dieser Lehre halten, als rechten Flügel der
Konservativen zu bezeichnen; ähnlich beim

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0102" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321849"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <cb type="start"/>
            <p xml:id="ID_370" prev="#ID_369"> psychologischer Experimente von verschiedenen<lb/>
Forschern erfolgreich an Hypnotisierten durch¬<lb/>
geführt worden sind. Darin freilich müssen<lb/>
wir Wundt beistimmen, daß die Herbei¬<lb/>
führung des hypnotischen Schlafes auch im<lb/>
Experiment dem kundigen Arzte zum Schutze<lb/>
der Versuchspersonen vorbehalten bleiben soll.</p>
            <p xml:id="ID_371"> Was Wundes Theorie der Hypnose betrifft,<lb/>
so gelten für ihn hierbei die gleichen Physio¬<lb/>
logischen und Psychologischen Grundlagen, auf<lb/>
welchen die seelischen Vorgänge im Wachen,<lb/>
der Schlaf und die Träume aufgebaut sind;<lb/>
in erster Linie ist es die Einengung des<lb/>
Bewußtseinsumfangs und die Aufhebung der<lb/>
willkürlichen Aufmerksamkeit, die den Zustand<lb/>
der Hypnose charakterisiert und seine Erschei¬<lb/>
nungen verständlich macht.</p>
            <p xml:id="ID_372"> Bei seiner Darlegung hat Wundt die<lb/>
Forschungen der letzten zwei Jahrzehnte nur<lb/>
vereinzelt berücksichtigt, und auch seine Zitate<lb/>
beziehen sich nur auf die alten, mittlerweile<lb/>
vielfach erneuten Auflagen einiger anerkannter<lb/>
wissenschaftlicher Lehrbücher des Hypnotismus.<lb/>
Ungeachtet dessen bleibt aber dieser kleinen<lb/>
Schrift, abgesehen von ihrem historischen<lb/>
Wert, nach wie vor das Verdienst, die Ob¬<lb/>
jektivität und unantastbare Geschlossenheit der<lb/>
naturwissenschaftlichen Forschung auch sür<lb/>
dieses Gebiet überzeugend dargelegt und<lb/>
die gesicherte Wissenschaft des Hypnotismus<lb/>
von der Einmengung alles übernatürlichen<lb/>
und Okkultistischen, Wenn auch nicht zuni<lb/>
erstenmal, so doch mit der ganzen Autorität<lb/>
ihres Verfassers verteidigt zu haben.</p>
            <note type="byline"> Dr. meat. Max Levy-Susi</note>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Sprache</head>
            <p xml:id="ID_373" next="#ID_374"> &#x201E;Sprachdummheitcn" in der Politik. Mit<lb/>
&#x201E;rechts" und &#x201E;links" bezeichnet man Wohl auf<lb/>
der ganzen Welt den politischen Standpunkt<lb/>
des Erdbewohners. Links ist fortschrittlich und<lb/>
rechts ist eben rechts. Das ist so klar, ein¬<lb/>
fach und kurz, daß man manchmal froh sein<lb/>
muß, diese Bezeichnungen zu haben. Aber<lb/>
sie haben auch ihre logischen Schwierigkeiten.<lb/>
Ein Politiker, der links steht, hat links von<lb/>
sich Leute, die weniger links stehen. Und ein¬<lb/>
Politiker, der rechts steht, hat rechts von sich<lb/>
Leute, die mehr links stehen. Das ist doch<lb/>
merkwürdig.  Es erklärt sich dadurch, dnsz</p>
            <cb/><lb/>
            <p xml:id="ID_374" prev="#ID_373" next="#ID_375"> die Bezeichnungen nicht vom Standorte der<lb/>
Politiker gewählt sind, sondern vom Stand¬<lb/>
orte des Präsidenten, der einer Parlamen¬<lb/>
tarischen Körperschaft vorsitzt. Vom Präsi¬<lb/>
denten aus gesehen, sitzt Herr von Normann<lb/>
ini deutschen Reichstage rechts und Herr<lb/>
Bebel links; von Herrn von Normann aus<lb/>
gesehen, sitzt dagegen Herr Bebel ganz rechts.<lb/>
Wenn Herr von Normann sagen würde:<lb/>
&#x201E;wir müssen auch an die nationalen Elemente<lb/>
denken, die links von uns sich befinden," so<lb/>
könnte er nur die Leute meinen, die im Par¬<lb/>
lament rechts von ihm ihren Platz haben.<lb/>
Noch ärger ist es mit dem linken und rechten<lb/>
Flügel. Wir kommen damit auf militärische<lb/>
Bezeichnungen. Beim Militär ist der linke<lb/>
Flügel da, wo der linke Arm ist. Bei den<lb/>
Parteien ist es umgekehrt. Der linke Flügel<lb/>
der Nationalliberalen ist derjenige, von den<lb/>
Nationalliberalen aus gesehen, der im Par¬<lb/>
lamente sich nach rechts, nämlich an die<lb/>
Fortschrittlcr und Sozialdemokraten anlehnt.<lb/>
Ähnlich ist es mit dem linken und rechten<lb/>
Flügel der Konservativen, des Zentrums und<lb/>
der Fortschrittler. Wie aber ist es eigentlich<lb/>
mit der Sozialdemokratie? Wenn Herr Lede-<lb/>
bour die orthodoxen Marxisten organisiert,<lb/>
organisiert er dann den rechten oder den<lb/>
linken Flügel seiner Partei? Ist er das, was<lb/>
Fuhrmann oder was der jungliberale Kauff-<lb/>
mann in der nationalliberalen Partei ist?<lb/>
Man sollte denken, die Sache wäre &#x2014; we¬<lb/>
nigstens &#x201E;vorn Präsidenten aus gesehen" &#x2014;<lb/>
einfach. Ledebour und die Seinen sind doch<lb/>
die Radikalen, die Extremen im Gegensatz<lb/>
zu den Revisionisten. Also steht Ledebour,<lb/>
vom Präsidenten des Reichstags aus gesehen,<lb/>
links, während ein Revisionist, wie Herr Süde-<lb/>
kum, mehr rechts steht. Aber das Gefühl<lb/>
sträubt sich dagegen, einen radikalen Marxisten<lb/>
als linksstehend zu bezeichnen. Er ist doch<lb/>
altgläubig, altsozialdemokratisch, der Revi¬<lb/>
sionist dagegen reformerisch, jungsozialdemo-<lb/>
kratisch. Hier schiebt sich also eine andere<lb/>
Vorstellung dazwischen: rechts ist das Starre,<lb/>
Unwandelbare, links das Fortschreitende und<lb/>
sich Entwickelnde. Wenn eS eine feste alt¬<lb/>
konservative Lehre gäbe, so würde man<lb/>
zweifellos geneigt sein, die Leute, die treu zu<lb/>
dieser Lehre halten, als rechten Flügel der<lb/>
Konservativen zu bezeichnen; ähnlich beim</p>
            <cb type="end"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0102] Maßgebliches und Unmaßgebliches psychologischer Experimente von verschiedenen Forschern erfolgreich an Hypnotisierten durch¬ geführt worden sind. Darin freilich müssen wir Wundt beistimmen, daß die Herbei¬ führung des hypnotischen Schlafes auch im Experiment dem kundigen Arzte zum Schutze der Versuchspersonen vorbehalten bleiben soll. Was Wundes Theorie der Hypnose betrifft, so gelten für ihn hierbei die gleichen Physio¬ logischen und Psychologischen Grundlagen, auf welchen die seelischen Vorgänge im Wachen, der Schlaf und die Träume aufgebaut sind; in erster Linie ist es die Einengung des Bewußtseinsumfangs und die Aufhebung der willkürlichen Aufmerksamkeit, die den Zustand der Hypnose charakterisiert und seine Erschei¬ nungen verständlich macht. Bei seiner Darlegung hat Wundt die Forschungen der letzten zwei Jahrzehnte nur vereinzelt berücksichtigt, und auch seine Zitate beziehen sich nur auf die alten, mittlerweile vielfach erneuten Auflagen einiger anerkannter wissenschaftlicher Lehrbücher des Hypnotismus. Ungeachtet dessen bleibt aber dieser kleinen Schrift, abgesehen von ihrem historischen Wert, nach wie vor das Verdienst, die Ob¬ jektivität und unantastbare Geschlossenheit der naturwissenschaftlichen Forschung auch sür dieses Gebiet überzeugend dargelegt und die gesicherte Wissenschaft des Hypnotismus von der Einmengung alles übernatürlichen und Okkultistischen, Wenn auch nicht zuni erstenmal, so doch mit der ganzen Autorität ihres Verfassers verteidigt zu haben. Dr. meat. Max Levy-Susi Sprache „Sprachdummheitcn" in der Politik. Mit „rechts" und „links" bezeichnet man Wohl auf der ganzen Welt den politischen Standpunkt des Erdbewohners. Links ist fortschrittlich und rechts ist eben rechts. Das ist so klar, ein¬ fach und kurz, daß man manchmal froh sein muß, diese Bezeichnungen zu haben. Aber sie haben auch ihre logischen Schwierigkeiten. Ein Politiker, der links steht, hat links von sich Leute, die weniger links stehen. Und ein¬ Politiker, der rechts steht, hat rechts von sich Leute, die mehr links stehen. Das ist doch merkwürdig. Es erklärt sich dadurch, dnsz die Bezeichnungen nicht vom Standorte der Politiker gewählt sind, sondern vom Stand¬ orte des Präsidenten, der einer Parlamen¬ tarischen Körperschaft vorsitzt. Vom Präsi¬ denten aus gesehen, sitzt Herr von Normann ini deutschen Reichstage rechts und Herr Bebel links; von Herrn von Normann aus gesehen, sitzt dagegen Herr Bebel ganz rechts. Wenn Herr von Normann sagen würde: „wir müssen auch an die nationalen Elemente denken, die links von uns sich befinden," so könnte er nur die Leute meinen, die im Par¬ lament rechts von ihm ihren Platz haben. Noch ärger ist es mit dem linken und rechten Flügel. Wir kommen damit auf militärische Bezeichnungen. Beim Militär ist der linke Flügel da, wo der linke Arm ist. Bei den Parteien ist es umgekehrt. Der linke Flügel der Nationalliberalen ist derjenige, von den Nationalliberalen aus gesehen, der im Par¬ lamente sich nach rechts, nämlich an die Fortschrittlcr und Sozialdemokraten anlehnt. Ähnlich ist es mit dem linken und rechten Flügel der Konservativen, des Zentrums und der Fortschrittler. Wie aber ist es eigentlich mit der Sozialdemokratie? Wenn Herr Lede- bour die orthodoxen Marxisten organisiert, organisiert er dann den rechten oder den linken Flügel seiner Partei? Ist er das, was Fuhrmann oder was der jungliberale Kauff- mann in der nationalliberalen Partei ist? Man sollte denken, die Sache wäre — we¬ nigstens „vorn Präsidenten aus gesehen" — einfach. Ledebour und die Seinen sind doch die Radikalen, die Extremen im Gegensatz zu den Revisionisten. Also steht Ledebour, vom Präsidenten des Reichstags aus gesehen, links, während ein Revisionist, wie Herr Süde- kum, mehr rechts steht. Aber das Gefühl sträubt sich dagegen, einen radikalen Marxisten als linksstehend zu bezeichnen. Er ist doch altgläubig, altsozialdemokratisch, der Revi¬ sionist dagegen reformerisch, jungsozialdemo- kratisch. Hier schiebt sich also eine andere Vorstellung dazwischen: rechts ist das Starre, Unwandelbare, links das Fortschreitende und sich Entwickelnde. Wenn eS eine feste alt¬ konservative Lehre gäbe, so würde man zweifellos geneigt sein, die Leute, die treu zu dieser Lehre halten, als rechten Flügel der Konservativen zu bezeichnen; ähnlich beim

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/102
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/102>, abgerufen am 05.05.2024.