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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

(gestorben 1862), der Gemahlin des Prinzen
Ferdinand von Sachsen-Koburg und -Gotha,
mit ihren Nachkommen als Nachkommen von
Juden hinstellen zu können. Zu dieser Nach¬
kommenschaft gehören u, a.: das ganze, bis
vor kurzem regierende, Haus Sachsen-Koburg
und Gotha-Braganza in Portugal, also die
Nachkommenschaft des Prinzen Ferdinand von
Sachsen-Koburg und -Gotha, gestorben 1353,
der, als Ferdinand derZweite und als Gemahl
der Königin Maria der Zweiten als Qloris,
König von Portugal war; dann der König
Ferdinand der Erste der Bulgaren; endlich
ein ganzer "Stamm" des Hauses Bourbon-
Orlöans, nämlich die Nachkommenschaft des
Herzogs Ludwig von Nemours, gestorben 1896,
aus dessen Ehe mit der Prinzessin Viktoria
von Sachsen-Koburg und -GothaI

Nun zum Schlüsse nur, für heute we¬
nigstens, noch einige Einzelheiten. Fälschlich
macht der "Semigotha" auch die Grafen
Hoyos zu Nachkommen von Juden. Daß,
wenn dies wahr wäre, der jugendliche Fürst
Otto, dritter Fürst von Bismarck, der Enkel
des großen Kanzlers, durch seine Mutter, ge¬
borene Gräfin Marguerite Hoyos, eine starke
Beimischung jüdischen Blutes in den Adern
hätte, wird aber nicht erwähnt.

Die Behauptung der Gelehrten des "Semi¬
gotha", die ungarischen Grafen Ssndor von
Szlavnicza seien jüdischen Ursprunges, ist
genau ebenso töricht, wie die gleiche hinsicht¬
lich der Kohäry. Macht nichts I Die ver¬
witwete Fürstin von Metternich - Winneburg,
Pauline, geborene Gräfin SÄndor von Szlav¬
nicza, jetzige (seit 1897) "Fürstin von Metter¬
nich-Sündor", mußte "etwas angehängt" be¬
kommen; schlankweg heißt es im "Semigotha"
(S. 77): "Exterieur, Gehaben und Freund¬
schaften der wienbekannten Fürstin," sprächen
auch sehr für ihre jüdische Genesis!

Der Gipfelpunkt wissenschaftlichen Unsinns,
den ich bisher in dem Buche gefunden habe,
ist übrigens die Behauptung (S. 88), der
Minnesänger (!) Oswald von Wollenstein, der,
nebenbei bemerkt, von etwa 1377 bis 1445
lebte, sei "unverkennbar ein Aventurier aus
jüdischem Blute"!

Dr. Stephan Aeknle von Stradonitz [Spaltenumbruch]
Geschichte

Aus Potsdams Vergangenheit. "In
Potsdam erinnert nichts, kein Haus und kein
Stein, nicht einmal ein Grabstein an die Zeit
vor 1650." Diese Feststellung berührt uns
eigentümlich, die wir durch den Augenschein
gewöhnt sind, in der grünumlaubten Havel¬
residenz gleichsam das Großmütterchen zu er¬
blicken, das sein spezielles Inventar so wenig
wie möglich ummodeln ließ. Aber die neue
"Geschichte der Stadt Potsdam", unter Mit¬
wirkung von Rich. Boschan, Marie Heinze,
Hans Karia und Hera. Rademacher, heraus¬
gegeben von Julius Haeckel (Potsdam 1912,
Verlag der Gropiusschen Hofbuchhandlung,
Preis 3 M.). belehrt den Leser bald, wie
gering doch sein Wissen auch über diesen so
vielgenannten und vielbesuchten Punkt auf
Deutschlands Karte ist. Denn die Bauten
aus Friedrich Wilhelms des Ersten Zeit, in
der die Stadt zuerst ausgeweidet wurde, zählen
dort schon unter die Seltenheiten, was keinen
Anlaß zum Bedauern gibt. Der Soldaten¬
könig warf den Komplex hübscher Parkanlagen
und Barockschlößchen, an die sich das bisher
recht kleine Gemeinwesen schmiegte, völlig um.
Der große Kurfürst hatte seinerzeit eine vom
Dreißigjährigen Kriege nahezu verödete Stätte
vorgefunden, die er erst aus dem Pfandbesitz
einer märkischen Adelsfamilie lösen mußte.
Er und sein Nachfolger schufen mit feinem
Naturfilm ein Tuskulum daraus. Seit 1713
aber macht sich der Genius Platter Nützlichkeit
im Stile des russischen Peter geltend, dem
Friedrich Wilhelm der Erste auch sonst manches
absah (vgl. S. 65 des Buches). Eine reiz¬
lose Linealstadt aus rohen Bauten, deren
Hauptzweck in der Einquartierungsmöglichkeit
bestand, hinterließ der zweite Preußenkönig
seinem Sohne. Der große Friedrich wiederum
brachte in gewissem Sinne sein Leben damit
zu, aus dieser öden Prätorianerkaserne das
zu gestalten, was wir heute dort sehen und
bewundern. Mit dem Umbau des Stadt¬
schlosses begann er, "die Stadt selbst faßte
er als weitere Umgebung des Schlosses in
einen künstlerischen Rahmen .. . Dies ist das
merkwürdige der neuen Schöpfungen, daß
alles konzentrisch schließlich auf die Seele des
königlichen Künstlers hin angelegt wird; die

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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(gestorben 1862), der Gemahlin des Prinzen
Ferdinand von Sachsen-Koburg und -Gotha,
mit ihren Nachkommen als Nachkommen von
Juden hinstellen zu können. Zu dieser Nach¬
kommenschaft gehören u, a.: das ganze, bis
vor kurzem regierende, Haus Sachsen-Koburg
und Gotha-Braganza in Portugal, also die
Nachkommenschaft des Prinzen Ferdinand von
Sachsen-Koburg und -Gotha, gestorben 1353,
der, als Ferdinand derZweite und als Gemahl
der Königin Maria der Zweiten als Qloris,
König von Portugal war; dann der König
Ferdinand der Erste der Bulgaren; endlich
ein ganzer „Stamm" des Hauses Bourbon-
Orlöans, nämlich die Nachkommenschaft des
Herzogs Ludwig von Nemours, gestorben 1896,
aus dessen Ehe mit der Prinzessin Viktoria
von Sachsen-Koburg und -GothaI

Nun zum Schlüsse nur, für heute we¬
nigstens, noch einige Einzelheiten. Fälschlich
macht der „Semigotha" auch die Grafen
Hoyos zu Nachkommen von Juden. Daß,
wenn dies wahr wäre, der jugendliche Fürst
Otto, dritter Fürst von Bismarck, der Enkel
des großen Kanzlers, durch seine Mutter, ge¬
borene Gräfin Marguerite Hoyos, eine starke
Beimischung jüdischen Blutes in den Adern
hätte, wird aber nicht erwähnt.

Die Behauptung der Gelehrten des „Semi¬
gotha", die ungarischen Grafen Ssndor von
Szlavnicza seien jüdischen Ursprunges, ist
genau ebenso töricht, wie die gleiche hinsicht¬
lich der Kohäry. Macht nichts I Die ver¬
witwete Fürstin von Metternich - Winneburg,
Pauline, geborene Gräfin SÄndor von Szlav¬
nicza, jetzige (seit 1897) „Fürstin von Metter¬
nich-Sündor", mußte „etwas angehängt" be¬
kommen; schlankweg heißt es im „Semigotha"
(S. 77): „Exterieur, Gehaben und Freund¬
schaften der wienbekannten Fürstin," sprächen
auch sehr für ihre jüdische Genesis!

Der Gipfelpunkt wissenschaftlichen Unsinns,
den ich bisher in dem Buche gefunden habe,
ist übrigens die Behauptung (S. 88), der
Minnesänger (!) Oswald von Wollenstein, der,
nebenbei bemerkt, von etwa 1377 bis 1445
lebte, sei „unverkennbar ein Aventurier aus
jüdischem Blute"!

Dr. Stephan Aeknle von Stradonitz [Spaltenumbruch]
Geschichte

Aus Potsdams Vergangenheit. „In
Potsdam erinnert nichts, kein Haus und kein
Stein, nicht einmal ein Grabstein an die Zeit
vor 1650." Diese Feststellung berührt uns
eigentümlich, die wir durch den Augenschein
gewöhnt sind, in der grünumlaubten Havel¬
residenz gleichsam das Großmütterchen zu er¬
blicken, das sein spezielles Inventar so wenig
wie möglich ummodeln ließ. Aber die neue
„Geschichte der Stadt Potsdam", unter Mit¬
wirkung von Rich. Boschan, Marie Heinze,
Hans Karia und Hera. Rademacher, heraus¬
gegeben von Julius Haeckel (Potsdam 1912,
Verlag der Gropiusschen Hofbuchhandlung,
Preis 3 M.). belehrt den Leser bald, wie
gering doch sein Wissen auch über diesen so
vielgenannten und vielbesuchten Punkt auf
Deutschlands Karte ist. Denn die Bauten
aus Friedrich Wilhelms des Ersten Zeit, in
der die Stadt zuerst ausgeweidet wurde, zählen
dort schon unter die Seltenheiten, was keinen
Anlaß zum Bedauern gibt. Der Soldaten¬
könig warf den Komplex hübscher Parkanlagen
und Barockschlößchen, an die sich das bisher
recht kleine Gemeinwesen schmiegte, völlig um.
Der große Kurfürst hatte seinerzeit eine vom
Dreißigjährigen Kriege nahezu verödete Stätte
vorgefunden, die er erst aus dem Pfandbesitz
einer märkischen Adelsfamilie lösen mußte.
Er und sein Nachfolger schufen mit feinem
Naturfilm ein Tuskulum daraus. Seit 1713
aber macht sich der Genius Platter Nützlichkeit
im Stile des russischen Peter geltend, dem
Friedrich Wilhelm der Erste auch sonst manches
absah (vgl. S. 65 des Buches). Eine reiz¬
lose Linealstadt aus rohen Bauten, deren
Hauptzweck in der Einquartierungsmöglichkeit
bestand, hinterließ der zweite Preußenkönig
seinem Sohne. Der große Friedrich wiederum
brachte in gewissem Sinne sein Leben damit
zu, aus dieser öden Prätorianerkaserne das
zu gestalten, was wir heute dort sehen und
bewundern. Mit dem Umbau des Stadt¬
schlosses begann er, „die Stadt selbst faßte
er als weitere Umgebung des Schlosses in
einen künstlerischen Rahmen .. . Dies ist das
merkwürdige der neuen Schöpfungen, daß
alles konzentrisch schließlich auf die Seele des
königlichen Künstlers hin angelegt wird; die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/244>, abgerufen am 05.05.2024.