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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Potsdamer Stadtarchitektur steht daher schon
ganz im allgemeinen in Europa schlechtweg
einzig da." Überhaupt waltet die Baugeschichte
in dem vorliegenden Buche durchaus vor;
wohlgelungen ist die Darstellung der Werke
Friedrich Wilhelms des Vierten, sozusagen
die Umschönerung der Residenz, ebenso die
Zeichnung des Überganges in eine Beamten¬
stadt nach den Befreiungskriegen. Dennoch
muß man der von den Herausgebern im
Vorwort kundgegebenen Einsicht beipflichten,
daß sie nur eine Abschlagzahlung auf das
Werk der Zukunft darböten. In mancher Be¬
ziehung bildet da die beigegebene "Skizze der
Eingemeindungen" ein Passendes signee. Auch
sie wird in jenem Werke, das dem Kreise
vorschwebt, hoffentlich mit den Borzügen
modern-kartographischer Technik ausgestattet
wieder auferstehen. Das Geleistete erfordert
Anerkennung; wir haben ein gutes, brauch¬
bares Buch empfangen, dessen geistige Ver¬
wandtschaft mit einem "Reiseführer" vor¬
nehmeren Stils jedoch nicht abzuleugnen ist.
Potsdams künftige Munizipalgeschichte wird
zunächst die hier gehäufte Komplikation der
Erscheinungen -- diese Stadt gehört weniger
sich selber an als irgend ein anderes deutsches
Gemeinwesen -- sachlich überwinden und
dann den jeweiligen städtischen Anteil klar
L. N. herausbringen müssen.

In der bekanntenTeubnerschen Sammlung
"Aus Natur und Geisteswelt" hat der Kopen¬
hagener Professor I. L. Heiverg, der beste
Kenner der antiken Mathematik, Natur¬
wissenschaften und Mathematik im klassischen
Altertum behandelt und das Kunststück fertig
gebracht, auf 102 Seiten so ziemlich alles zu
bringen, was ein gebildetes Publikum inter¬
essieren kann, sogar mit Einschluß der Medizin.
Hier wird die imposante Leistung der Antike
auf einem Gebiete, das die Neuzeit nur
zu leicht als ihre Domäne betrachtet, in klarer
und flüssiger Darstellung geschildert. Für den,
der tiefer schöpfen will, sind die Literatur¬
angaben am Schlüsse sehr nützlich.

Bon einem stsnclsrä-xvork der Altertums¬
wissenschaft, Friedliindcrs Darstellungen aus
der Sittengeschichte der römischen Kaiserzeit,
liegen uns Band 3 und 4 der 8. Auflage vor
(Leipzig, Hirzel, 1910); der Verfasser, der

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Ende des Jahres 1909 im Alter von 8ö Jahren
gestorben ist, hat wenige Tage vor seinem
Tode die Ueberarbeitung abschließen können.
Man wird diese Auflage um so freudiger
begrüßen, als die vorige ohne Anmerkungen
erschienen war: denn so flüssig sich auch Fried-
länders Darstellung liest, das, was dem Buche
seine Eigenart verleiht, ist die strenge
Urkundlichkeit. Er schildert eine Epoche, deren
Kultur mehr in die Breite als in die Tiefe
geht und Denkmäler der verschiedensten Art
auf einem Gebiete von ungeheurer Ausdehnung
hinterlassen hat, so daß sich alle wichtigen
Erscheinungen durch eine Fülle von Zeugnissen
belegen lassen. So will es schließlich auch
nicht viel besagen, wenn die letzte Umarbeitung
nicht sehr gründlich gewesen ist: in dem
Abschnitt über die römischen Städte (3, 182)
und dem über die religiösen Zustände (4,121)
hätte sich nach der regen Detailforschung der
letzten Jahrzehnte mehr nachtragen lassen.
Ein künftiger Bearbeiter -- oder die künftigen
Bearbeiter, denn ein einzelner wird den
gewaltigen Stoff kaum beherrschen, -- wird
das leicht nachholen können.

Von ganz anderer Art ist Pöhlmanns
"Geschichte der sozialen Frage und des
Sozialismus in der antiken Welt", die in.
zwei stattlichen Bänden in 2. Auflage vorliegt
(München, Beck. Der Titel der ersten Auflage
lautete: Geschichte des antiken Kommunismus
und Sozialismus). Denn nicht nur ist das
Material hier ziemlich spärlich, sondern der
Verfasser muß noch viel Raum darauf ver¬
wenden, allerlei tendenziös herangezogene
Erscheinungen aus dem Bereiche seines Buches
zu verweisen. Auch so bleibt eher noch zu
viel als zu wenig übrig, und so richtig z.B.
ist, was der Verfasser über die einseitige
Beurteilung CatilinaS durch Cicero und Sallust
sagt, so erscheint es doch bedenklich, ihn im
Zusammenhange mit sozialrevolutionären
Neigungen zu nennen. Denn die geistigen
und politischen Führer gehören im Altertum
durchaus den oberen Ständen an, der vierte
Stand ist durch die Sklaven vertreten, die
nur von Philosophischen Theoretikern voll als
Menschen gewertet werden; aber auch der
dritte hat, wo er einmal eine Politische Rolle
spielt, kein sozialpolitisches Programm. So
ist es auch bei Pöhlmann schließlich die Utopie

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Grenzboten III 191230
Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Potsdamer Stadtarchitektur steht daher schon
ganz im allgemeinen in Europa schlechtweg
einzig da." Überhaupt waltet die Baugeschichte
in dem vorliegenden Buche durchaus vor;
wohlgelungen ist die Darstellung der Werke
Friedrich Wilhelms des Vierten, sozusagen
die Umschönerung der Residenz, ebenso die
Zeichnung des Überganges in eine Beamten¬
stadt nach den Befreiungskriegen. Dennoch
muß man der von den Herausgebern im
Vorwort kundgegebenen Einsicht beipflichten,
daß sie nur eine Abschlagzahlung auf das
Werk der Zukunft darböten. In mancher Be¬
ziehung bildet da die beigegebene „Skizze der
Eingemeindungen" ein Passendes signee. Auch
sie wird in jenem Werke, das dem Kreise
vorschwebt, hoffentlich mit den Borzügen
modern-kartographischer Technik ausgestattet
wieder auferstehen. Das Geleistete erfordert
Anerkennung; wir haben ein gutes, brauch¬
bares Buch empfangen, dessen geistige Ver¬
wandtschaft mit einem „Reiseführer" vor¬
nehmeren Stils jedoch nicht abzuleugnen ist.
Potsdams künftige Munizipalgeschichte wird
zunächst die hier gehäufte Komplikation der
Erscheinungen — diese Stadt gehört weniger
sich selber an als irgend ein anderes deutsches
Gemeinwesen — sachlich überwinden und
dann den jeweiligen städtischen Anteil klar
L. N. herausbringen müssen.

In der bekanntenTeubnerschen Sammlung
„Aus Natur und Geisteswelt" hat der Kopen¬
hagener Professor I. L. Heiverg, der beste
Kenner der antiken Mathematik, Natur¬
wissenschaften und Mathematik im klassischen
Altertum behandelt und das Kunststück fertig
gebracht, auf 102 Seiten so ziemlich alles zu
bringen, was ein gebildetes Publikum inter¬
essieren kann, sogar mit Einschluß der Medizin.
Hier wird die imposante Leistung der Antike
auf einem Gebiete, das die Neuzeit nur
zu leicht als ihre Domäne betrachtet, in klarer
und flüssiger Darstellung geschildert. Für den,
der tiefer schöpfen will, sind die Literatur¬
angaben am Schlüsse sehr nützlich.

Bon einem stsnclsrä-xvork der Altertums¬
wissenschaft, Friedliindcrs Darstellungen aus
der Sittengeschichte der römischen Kaiserzeit,
liegen uns Band 3 und 4 der 8. Auflage vor
(Leipzig, Hirzel, 1910); der Verfasser, der

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Ende des Jahres 1909 im Alter von 8ö Jahren
gestorben ist, hat wenige Tage vor seinem
Tode die Ueberarbeitung abschließen können.
Man wird diese Auflage um so freudiger
begrüßen, als die vorige ohne Anmerkungen
erschienen war: denn so flüssig sich auch Fried-
länders Darstellung liest, das, was dem Buche
seine Eigenart verleiht, ist die strenge
Urkundlichkeit. Er schildert eine Epoche, deren
Kultur mehr in die Breite als in die Tiefe
geht und Denkmäler der verschiedensten Art
auf einem Gebiete von ungeheurer Ausdehnung
hinterlassen hat, so daß sich alle wichtigen
Erscheinungen durch eine Fülle von Zeugnissen
belegen lassen. So will es schließlich auch
nicht viel besagen, wenn die letzte Umarbeitung
nicht sehr gründlich gewesen ist: in dem
Abschnitt über die römischen Städte (3, 182)
und dem über die religiösen Zustände (4,121)
hätte sich nach der regen Detailforschung der
letzten Jahrzehnte mehr nachtragen lassen.
Ein künftiger Bearbeiter — oder die künftigen
Bearbeiter, denn ein einzelner wird den
gewaltigen Stoff kaum beherrschen, — wird
das leicht nachholen können.

Von ganz anderer Art ist Pöhlmanns
„Geschichte der sozialen Frage und des
Sozialismus in der antiken Welt", die in.
zwei stattlichen Bänden in 2. Auflage vorliegt
(München, Beck. Der Titel der ersten Auflage
lautete: Geschichte des antiken Kommunismus
und Sozialismus). Denn nicht nur ist das
Material hier ziemlich spärlich, sondern der
Verfasser muß noch viel Raum darauf ver¬
wenden, allerlei tendenziös herangezogene
Erscheinungen aus dem Bereiche seines Buches
zu verweisen. Auch so bleibt eher noch zu
viel als zu wenig übrig, und so richtig z.B.
ist, was der Verfasser über die einseitige
Beurteilung CatilinaS durch Cicero und Sallust
sagt, so erscheint es doch bedenklich, ihn im
Zusammenhange mit sozialrevolutionären
Neigungen zu nennen. Denn die geistigen
und politischen Führer gehören im Altertum
durchaus den oberen Ständen an, der vierte
Stand ist durch die Sklaven vertreten, die
nur von Philosophischen Theoretikern voll als
Menschen gewertet werden; aber auch der
dritte hat, wo er einmal eine Politische Rolle
spielt, kein sozialpolitisches Programm. So
ist es auch bei Pöhlmann schließlich die Utopie

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Grenzboten III 191230
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/245>, abgerufen am 24.05.2024.