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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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An der Wiege des Aönigreichs Rumänien
Berichte des preußischen Svezialgescmdten Freiherrn von Nichthofen
an Rönig Friedrich Wilhelm den vierten

Die im nachfolgenden erstmalig zur Veröffentlichung gelangenden
Aktenstücke verdanke ich dem freundschaftlichen Entgegenkommen des
Reichstagsabgeordneten Herrn LegationSrat Hartmann Freiherr
von Richthofen, der sie wiederum dem Nachlaß seines Vaters, des
durch frühzeitigen Tod mitten aus seinem Schaffen herausgerissenen
Staatssekretärs des Auswärtigen Amts, Oswald Freiherrn von Richt¬
hofen entnommen hat. Der im vorliegenden Bericht handelnde Diplomat
ist der Vater des Staatssekretärs. -- Es sei bei dieser Gelegenheit darauf
hingewiesen, daß demnächst in den Grenzboten auch eine Reihe von
Briefen Richthofens aus dem deutsch-französischen Kriege, den der nach¬
malige Leiter des Auswärtigen Dienstes als Leutnant mitgemacht hat,
G. Li. erscheinen werden.

1.

er heutige rumänische Königsstaat ist eines der Ergebnisse deutschen
und französischen Zusammenwirkens, auf das beide Völker stolz
sein können und das geeignet sein sollte, die Politiker hüben und
drüben zu ermutigen, die Wege wieder aufzusuchen, die auf dem
Pariser Frieden vom 30. März 1856 betreten, aber durch Napoleon
den Dritten wieder verlassen wurden. Aus zwei halb orientalischen, halb sarmatischen
Fürstentümern, aus der Moldau und der Walachei, ist in bald fünfzigjähriger
hingebender Arbeit eines deutschen Fürstenhauses, des Hauses Hohenzollern, ein
Staat zusammengewachsen, der zwar noch alle Merkmale seiner Vorgeschichte
erkennen läßt, aber berufen scheint, ein Kulturzentrum unter seinen Nach¬
barn zu werden. Angesichts der sich augenscheinlich zuspitzenden Verhältnisse auf dem
Balkan dürfte auch Rumänien in nächster Zeit politisch wieder mehr in den Vorder¬
grund treten und für seine fernere Zukunft kämpfen müssen. Von Bulgarien bedroht,
von Rußland und Ungarn nicht geliebt, wird Rumänien großer innerer Festigkeit
bedürfen, um die herannahenden Sturmzeiten zu überwinden. Aus diesem Grunde
scheint es uns interessant, den Vorhang von Vorgängen zu lüften, die
der Berufung des ersten Königs von Rumänien, des Prinzen Karl von Hohen¬
zollern, vorausgingen und die uns den Grund, auf dem der rumänische Staat
errichtet ist, besser zeigen, als die dickleibigsten Geschichtswerke es vermögen.

Vor uns liegen eine Reihe von Berichten des damaligen preußischen Spezial-
gesandten Dr. peut. Emil Freiherrn Praetorius von Nichthofen an König




An der Wiege des Aönigreichs Rumänien
Berichte des preußischen Svezialgescmdten Freiherrn von Nichthofen
an Rönig Friedrich Wilhelm den vierten

Die im nachfolgenden erstmalig zur Veröffentlichung gelangenden
Aktenstücke verdanke ich dem freundschaftlichen Entgegenkommen des
Reichstagsabgeordneten Herrn LegationSrat Hartmann Freiherr
von Richthofen, der sie wiederum dem Nachlaß seines Vaters, des
durch frühzeitigen Tod mitten aus seinem Schaffen herausgerissenen
Staatssekretärs des Auswärtigen Amts, Oswald Freiherrn von Richt¬
hofen entnommen hat. Der im vorliegenden Bericht handelnde Diplomat
ist der Vater des Staatssekretärs. — Es sei bei dieser Gelegenheit darauf
hingewiesen, daß demnächst in den Grenzboten auch eine Reihe von
Briefen Richthofens aus dem deutsch-französischen Kriege, den der nach¬
malige Leiter des Auswärtigen Dienstes als Leutnant mitgemacht hat,
G. Li. erscheinen werden.

1.

er heutige rumänische Königsstaat ist eines der Ergebnisse deutschen
und französischen Zusammenwirkens, auf das beide Völker stolz
sein können und das geeignet sein sollte, die Politiker hüben und
drüben zu ermutigen, die Wege wieder aufzusuchen, die auf dem
Pariser Frieden vom 30. März 1856 betreten, aber durch Napoleon
den Dritten wieder verlassen wurden. Aus zwei halb orientalischen, halb sarmatischen
Fürstentümern, aus der Moldau und der Walachei, ist in bald fünfzigjähriger
hingebender Arbeit eines deutschen Fürstenhauses, des Hauses Hohenzollern, ein
Staat zusammengewachsen, der zwar noch alle Merkmale seiner Vorgeschichte
erkennen läßt, aber berufen scheint, ein Kulturzentrum unter seinen Nach¬
barn zu werden. Angesichts der sich augenscheinlich zuspitzenden Verhältnisse auf dem
Balkan dürfte auch Rumänien in nächster Zeit politisch wieder mehr in den Vorder¬
grund treten und für seine fernere Zukunft kämpfen müssen. Von Bulgarien bedroht,
von Rußland und Ungarn nicht geliebt, wird Rumänien großer innerer Festigkeit
bedürfen, um die herannahenden Sturmzeiten zu überwinden. Aus diesem Grunde
scheint es uns interessant, den Vorhang von Vorgängen zu lüften, die
der Berufung des ersten Königs von Rumänien, des Prinzen Karl von Hohen¬
zollern, vorausgingen und die uns den Grund, auf dem der rumänische Staat
errichtet ist, besser zeigen, als die dickleibigsten Geschichtswerke es vermögen.

Vor uns liegen eine Reihe von Berichten des damaligen preußischen Spezial-
gesandten Dr. peut. Emil Freiherrn Praetorius von Nichthofen an König


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[0082] [Abbildung] An der Wiege des Aönigreichs Rumänien Berichte des preußischen Svezialgescmdten Freiherrn von Nichthofen an Rönig Friedrich Wilhelm den vierten Die im nachfolgenden erstmalig zur Veröffentlichung gelangenden Aktenstücke verdanke ich dem freundschaftlichen Entgegenkommen des Reichstagsabgeordneten Herrn LegationSrat Hartmann Freiherr von Richthofen, der sie wiederum dem Nachlaß seines Vaters, des durch frühzeitigen Tod mitten aus seinem Schaffen herausgerissenen Staatssekretärs des Auswärtigen Amts, Oswald Freiherrn von Richt¬ hofen entnommen hat. Der im vorliegenden Bericht handelnde Diplomat ist der Vater des Staatssekretärs. — Es sei bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen, daß demnächst in den Grenzboten auch eine Reihe von Briefen Richthofens aus dem deutsch-französischen Kriege, den der nach¬ malige Leiter des Auswärtigen Dienstes als Leutnant mitgemacht hat, G. Li. erscheinen werden. 1. er heutige rumänische Königsstaat ist eines der Ergebnisse deutschen und französischen Zusammenwirkens, auf das beide Völker stolz sein können und das geeignet sein sollte, die Politiker hüben und drüben zu ermutigen, die Wege wieder aufzusuchen, die auf dem Pariser Frieden vom 30. März 1856 betreten, aber durch Napoleon den Dritten wieder verlassen wurden. Aus zwei halb orientalischen, halb sarmatischen Fürstentümern, aus der Moldau und der Walachei, ist in bald fünfzigjähriger hingebender Arbeit eines deutschen Fürstenhauses, des Hauses Hohenzollern, ein Staat zusammengewachsen, der zwar noch alle Merkmale seiner Vorgeschichte erkennen läßt, aber berufen scheint, ein Kulturzentrum unter seinen Nach¬ barn zu werden. Angesichts der sich augenscheinlich zuspitzenden Verhältnisse auf dem Balkan dürfte auch Rumänien in nächster Zeit politisch wieder mehr in den Vorder¬ grund treten und für seine fernere Zukunft kämpfen müssen. Von Bulgarien bedroht, von Rußland und Ungarn nicht geliebt, wird Rumänien großer innerer Festigkeit bedürfen, um die herannahenden Sturmzeiten zu überwinden. Aus diesem Grunde scheint es uns interessant, den Vorhang von Vorgängen zu lüften, die der Berufung des ersten Königs von Rumänien, des Prinzen Karl von Hohen¬ zollern, vorausgingen und die uns den Grund, auf dem der rumänische Staat errichtet ist, besser zeigen, als die dickleibigsten Geschichtswerke es vermögen. Vor uns liegen eine Reihe von Berichten des damaligen preußischen Spezial- gesandten Dr. peut. Emil Freiherrn Praetorius von Nichthofen an König

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/82>, abgerufen am 05.05.2024.