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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

der Abfall von der Biophon-, Bioskop-, Bio-
gram- usw. Malerei ist vollzogen. Mich dünkt,
der Messer °Löst wird noch ein Hodler-
Schwärn?er, oder gar ein Maler.

Neben diesen Gesichtspunkten erscheint
einem die eigentliche Beurteilung der Aus¬
stellung fast nebensächlich. Die großen, be¬
kannten Schweizer haben kaun? etwas Neues
zu bieten gehabt. Nur bei Max Buri und
bei Abraham Hermcmjat erscheint die Fülle
ihrer Entfaltung in einer bisher unbekannten
Pracht. Buri hat in seinem Dorfklatsch,
Besuch bei den Großeltern, Brienzersce eine
Helligkeit der ihn? so geläufigen blauen Töne,
eine Schärfe des Konturs mit der Vermei¬
dung jeder Härte, ja mit einer Süßigkeit und
heuduftenden Zartheit der Atmosphäre vereinen
können, die seiner Entwicklung den Sommer
gebracht. Seine Eigenart steht heute rein
und vollendet auf dem Boden seiner Heimat,
gleich unabhängig vom farbenunfähigen Genre,
wie vom unstofflichen, französischen Impressio¬
nismus. Sein Saal mit den zweiundzwanzig
Bildern übersonnt von einer Glücksempfin¬
dung, der sich jede soziale Schicht ohne
Widerspruch und freudig ergibt. Das Glück
hat uns alle in seiner Gewalt und Buri
scheint seine Farben erfunden zu haben. Man
kann es nicht anders bezeichnen: ungebrochenes
Kinderglück strahlt Buri aus. Eine Art Über¬
raschung bedeutet der Faucheur von Hermcmjat.
Man erwartete seit langem viel von diesen?
Künstler. Nun scheint sein Most auf einmal
alle bisherige Trübe der Gärung auf den
Boden geschlagen zu haben. Auch er mußte
sich von den Franzosen einerseits, von Hodler
anderseits losarbeiten, bevor es ihm gelungen,
er selbst zu werden. Sein Faucheur ist samt
der Wiese ein Duft, ein Blick durch zarte
Nebel hindurch, der ein Gewühl von schmet¬
ternden Farben in die feine Mattigkeit einer
flimmernden,perlmuttgrauen Sonnenstrahlung
hineingetrunken hat, das ferne, gebändigte
Getön ahnen läßt und dem schweren, wiegenden
Ausholen des Masters, den? Fallen der
Garben die gegenwärtige Zeitlichkeit der Vision
gibt. Alles so zart, so dampfend, daß man
beklommen nach der Tür sieht, es könnte ein
Luftzug das ganze Gesicht von bannen wehen.

Es bliebe noch vieles zu sagen übrig.
Doch der Raum verbietet es; so seien bloß

[Spaltenumbruch]

einige Namen genannt, Namen, die hierzu¬
lande mit Recht einen guten Klang führen
und an die sich das reichSdeutsche Ohr doch
sehr bald wird gewöhnen müssen: Auber-
jonois, Blanchet, Breßler, Donzö, Gilliard,
Paul-Theophile Robert, Stiefel, Torcapel
und Valled.

Richard Meszlöny
Aus der Kunstliteratur.

So oft noch ein
Handbuch über die Kunst des neunzehnten
Jahrhunderts erschien -- und das war in
dein letzten Jahrzehnt häufig genug der Fall
-- wurde eS aus Gründen der Unzuläng¬
lichkeit und Unzuverlässigkeit von der be¬
rufenen Kritik abgelehnt, und jedesmal wurde
dabei der Wunsch nach einer wirklich brauchbaren
Darstellung laut, die dem wißbegierigen Laien
unbedenklich in die Hände gegeben werden
könnte. Karl Scheffler, der angesehene Kunst¬
schriftsteller und Herausgeber von "Kunst und
Künstler", hat diese Not offenbar ebenfalls
einPfunden, als er eS unternahm, dasselbe
Thema zu behandeln, diesmal in der Gestalt
eines umfänglichen und reich illustrierten,
historisch-kritischen Führers durch die Na-
tionalgalerie.^) Das Buch ist kürzlich im Ver¬
lage von Bruno Cassirer erschiene?? und ver¬
dient nicht allein des Problems wegen Be¬
achtung, sondern vornehmlich auch deshalb,
weil viele Wohl gerade diesem Autor eine
vollauf befriedigende Lösung zugetraut haben
mögen.

Wir erhalten zunächst einen historischen
Überblick über die Sammlung von 1861 bis
1911, wobei eingehend, wenn auch etwas
einseitig, die Bedeutung Tschudis und die
Richtlinien seines Programms erörtert werden.
Darauf lernen wir in kurzen Abschnitten das
Gebäude selbst, seine Entstehung und seine
sämtlichen Mängel, sowie das Sammelgebiet
kennen, den? es gewidmet ist. Dann geht
der Verfasser zu??? Hauptthema seiner Arbeit,
der deutschen Malerei des neunzehnten Jahr¬
hunderts, über.

D. Schrftltg. [Ende Spaltensatz]
*) Wir haben bereits in Heft 8 Jhrg. 1912
eine kurze Anzeige dieses Buches gebracht,
möchten aber die ausführlichere Würdigung in
Anbetracht der Wichtigkeit des Gegenstandes
unsern Lesern nicht vorenthalten.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

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der Abfall von der Biophon-, Bioskop-, Bio-
gram- usw. Malerei ist vollzogen. Mich dünkt,
der Messer °Löst wird noch ein Hodler-
Schwärn?er, oder gar ein Maler.

Neben diesen Gesichtspunkten erscheint
einem die eigentliche Beurteilung der Aus¬
stellung fast nebensächlich. Die großen, be¬
kannten Schweizer haben kaun? etwas Neues
zu bieten gehabt. Nur bei Max Buri und
bei Abraham Hermcmjat erscheint die Fülle
ihrer Entfaltung in einer bisher unbekannten
Pracht. Buri hat in seinem Dorfklatsch,
Besuch bei den Großeltern, Brienzersce eine
Helligkeit der ihn? so geläufigen blauen Töne,
eine Schärfe des Konturs mit der Vermei¬
dung jeder Härte, ja mit einer Süßigkeit und
heuduftenden Zartheit der Atmosphäre vereinen
können, die seiner Entwicklung den Sommer
gebracht. Seine Eigenart steht heute rein
und vollendet auf dem Boden seiner Heimat,
gleich unabhängig vom farbenunfähigen Genre,
wie vom unstofflichen, französischen Impressio¬
nismus. Sein Saal mit den zweiundzwanzig
Bildern übersonnt von einer Glücksempfin¬
dung, der sich jede soziale Schicht ohne
Widerspruch und freudig ergibt. Das Glück
hat uns alle in seiner Gewalt und Buri
scheint seine Farben erfunden zu haben. Man
kann es nicht anders bezeichnen: ungebrochenes
Kinderglück strahlt Buri aus. Eine Art Über¬
raschung bedeutet der Faucheur von Hermcmjat.
Man erwartete seit langem viel von diesen?
Künstler. Nun scheint sein Most auf einmal
alle bisherige Trübe der Gärung auf den
Boden geschlagen zu haben. Auch er mußte
sich von den Franzosen einerseits, von Hodler
anderseits losarbeiten, bevor es ihm gelungen,
er selbst zu werden. Sein Faucheur ist samt
der Wiese ein Duft, ein Blick durch zarte
Nebel hindurch, der ein Gewühl von schmet¬
ternden Farben in die feine Mattigkeit einer
flimmernden,perlmuttgrauen Sonnenstrahlung
hineingetrunken hat, das ferne, gebändigte
Getön ahnen läßt und dem schweren, wiegenden
Ausholen des Masters, den? Fallen der
Garben die gegenwärtige Zeitlichkeit der Vision
gibt. Alles so zart, so dampfend, daß man
beklommen nach der Tür sieht, es könnte ein
Luftzug das ganze Gesicht von bannen wehen.

Es bliebe noch vieles zu sagen übrig.
Doch der Raum verbietet es; so seien bloß

[Spaltenumbruch]

einige Namen genannt, Namen, die hierzu¬
lande mit Recht einen guten Klang führen
und an die sich das reichSdeutsche Ohr doch
sehr bald wird gewöhnen müssen: Auber-
jonois, Blanchet, Breßler, Donzö, Gilliard,
Paul-Theophile Robert, Stiefel, Torcapel
und Valled.

Richard Meszlöny
Aus der Kunstliteratur.

So oft noch ein
Handbuch über die Kunst des neunzehnten
Jahrhunderts erschien — und das war in
dein letzten Jahrzehnt häufig genug der Fall
— wurde eS aus Gründen der Unzuläng¬
lichkeit und Unzuverlässigkeit von der be¬
rufenen Kritik abgelehnt, und jedesmal wurde
dabei der Wunsch nach einer wirklich brauchbaren
Darstellung laut, die dem wißbegierigen Laien
unbedenklich in die Hände gegeben werden
könnte. Karl Scheffler, der angesehene Kunst¬
schriftsteller und Herausgeber von „Kunst und
Künstler", hat diese Not offenbar ebenfalls
einPfunden, als er eS unternahm, dasselbe
Thema zu behandeln, diesmal in der Gestalt
eines umfänglichen und reich illustrierten,
historisch-kritischen Führers durch die Na-
tionalgalerie.^) Das Buch ist kürzlich im Ver¬
lage von Bruno Cassirer erschiene?? und ver¬
dient nicht allein des Problems wegen Be¬
achtung, sondern vornehmlich auch deshalb,
weil viele Wohl gerade diesem Autor eine
vollauf befriedigende Lösung zugetraut haben
mögen.

Wir erhalten zunächst einen historischen
Überblick über die Sammlung von 1861 bis
1911, wobei eingehend, wenn auch etwas
einseitig, die Bedeutung Tschudis und die
Richtlinien seines Programms erörtert werden.
Darauf lernen wir in kurzen Abschnitten das
Gebäude selbst, seine Entstehung und seine
sämtlichen Mängel, sowie das Sammelgebiet
kennen, den? es gewidmet ist. Dann geht
der Verfasser zu??? Hauptthema seiner Arbeit,
der deutschen Malerei des neunzehnten Jahr¬
hunderts, über.

D. Schrftltg. [Ende Spaltensatz]
*) Wir haben bereits in Heft 8 Jhrg. 1912
eine kurze Anzeige dieses Buches gebracht,
möchten aber die ausführlichere Würdigung in
Anbetracht der Wichtigkeit des Gegenstandes
unsern Lesern nicht vorenthalten.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/290>, abgerufen am 08.05.2024.