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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Karl Salzer

intensive Betriebsweise ermöglicht und fördert. Ohne diese beiden Errungen¬
schaften wäre Deutschland wahrscheinlich schon im vollsten Übergange zur Vieh-
Großwirtschaft mit einer Mindestleistung von Arbeit und einer Mindestmenge
von Landbevölkerung. Der landwirtschaftliche Großbetrieb ist an fich
politisch, sozial und wirtschaftlich genau so berechtigt wie der
gewerbliche; auch vom völkischen Standpunkt ist er keineswegs zu verwerfen,
vorausgesetzt, daß er seinen Stamm von nationalen Arbeitern
festhält, wie dies besonders auf fideikommissarisch oder traditionell befestigten
Gütern der Fall ist. Gefährlich ist nur seine kapitalistische Aus¬
gestaltung unter Verwendung ausländischer Saisonarbeiter und
übermäßiger Maschinenkraft. Diese Gefahren liegen bei dem Kleinbetriebe
nicht in demselben Maße vor, und seine Vermehrung ist daher eine nationale
Pflicht und Forderung, um so mehr, als der Kleinbesitz in seinem Bestände durch
die wenig glückliche Agrargesetzgebung von 1807/1816 gelitten hat.




Aarl Walzer
<Lin Roman
Richard Rnies von
(Sechste Fortsetzung)

Karl nimmt sich ein Schemelstühlchen, stellt es dicht neben die Tante, setzt
sich darauf, lehnt den Kopf Wider Settchens Bein und sagt:

"So hock ich gut, Tante Seelchen, als wenn du meine Mutter wärst. Jetzert
kannst du mir sagen, was du noch zu sagen hast!"

Die Alte zieht die nasse Hand aus dem Wasser, trocknet sie an der Schürze
ab, streichelt über Karls Haar und spricht dann zu nur, indem sie ihre Arbeit
wieder aufnimmt:

"Siehst du, lieber Bub, du bist ja noch jung und kannst dich wieder heraus¬
schaffen; du darfst den Mut net verlieren. Es wird uns ja jetzert alles versteigt,
und nix bleibt übrig; auch mein Vermögen schlüpft mit drein. Aber da liegt mir
nix dran. Ich bins Schaffen ja gewöhnt, und ich will ja gern schaffen für dich
und das Made. Wenn ich mal net mehr da bin, sollt ihr zwei an mich denken
können wie an euer zweit Mutter!

"Aber, Tante Seelchen!" unterbricht Karl die Sprechende, "tu doch net, als
ob du morgen schon sterben müßt!"

Tante Seelchen schüttelt den Kopf und fährt weiter:

"Nein, Karl, da soll unser Herrgott mich vorläufig davor bewahren, denn ich
bin noch nötig für euch zwei! Am meisten für das Made. Und dabei mußt du


Karl Salzer

intensive Betriebsweise ermöglicht und fördert. Ohne diese beiden Errungen¬
schaften wäre Deutschland wahrscheinlich schon im vollsten Übergange zur Vieh-
Großwirtschaft mit einer Mindestleistung von Arbeit und einer Mindestmenge
von Landbevölkerung. Der landwirtschaftliche Großbetrieb ist an fich
politisch, sozial und wirtschaftlich genau so berechtigt wie der
gewerbliche; auch vom völkischen Standpunkt ist er keineswegs zu verwerfen,
vorausgesetzt, daß er seinen Stamm von nationalen Arbeitern
festhält, wie dies besonders auf fideikommissarisch oder traditionell befestigten
Gütern der Fall ist. Gefährlich ist nur seine kapitalistische Aus¬
gestaltung unter Verwendung ausländischer Saisonarbeiter und
übermäßiger Maschinenkraft. Diese Gefahren liegen bei dem Kleinbetriebe
nicht in demselben Maße vor, und seine Vermehrung ist daher eine nationale
Pflicht und Forderung, um so mehr, als der Kleinbesitz in seinem Bestände durch
die wenig glückliche Agrargesetzgebung von 1807/1816 gelitten hat.




Aarl Walzer
<Lin Roman
Richard Rnies von
(Sechste Fortsetzung)

Karl nimmt sich ein Schemelstühlchen, stellt es dicht neben die Tante, setzt
sich darauf, lehnt den Kopf Wider Settchens Bein und sagt:

„So hock ich gut, Tante Seelchen, als wenn du meine Mutter wärst. Jetzert
kannst du mir sagen, was du noch zu sagen hast!"

Die Alte zieht die nasse Hand aus dem Wasser, trocknet sie an der Schürze
ab, streichelt über Karls Haar und spricht dann zu nur, indem sie ihre Arbeit
wieder aufnimmt:

„Siehst du, lieber Bub, du bist ja noch jung und kannst dich wieder heraus¬
schaffen; du darfst den Mut net verlieren. Es wird uns ja jetzert alles versteigt,
und nix bleibt übrig; auch mein Vermögen schlüpft mit drein. Aber da liegt mir
nix dran. Ich bins Schaffen ja gewöhnt, und ich will ja gern schaffen für dich
und das Made. Wenn ich mal net mehr da bin, sollt ihr zwei an mich denken
können wie an euer zweit Mutter!

„Aber, Tante Seelchen!" unterbricht Karl die Sprechende, „tu doch net, als
ob du morgen schon sterben müßt!"

Tante Seelchen schüttelt den Kopf und fährt weiter:

„Nein, Karl, da soll unser Herrgott mich vorläufig davor bewahren, denn ich
bin noch nötig für euch zwei! Am meisten für das Made. Und dabei mußt du


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[0091] Karl Salzer intensive Betriebsweise ermöglicht und fördert. Ohne diese beiden Errungen¬ schaften wäre Deutschland wahrscheinlich schon im vollsten Übergange zur Vieh- Großwirtschaft mit einer Mindestleistung von Arbeit und einer Mindestmenge von Landbevölkerung. Der landwirtschaftliche Großbetrieb ist an fich politisch, sozial und wirtschaftlich genau so berechtigt wie der gewerbliche; auch vom völkischen Standpunkt ist er keineswegs zu verwerfen, vorausgesetzt, daß er seinen Stamm von nationalen Arbeitern festhält, wie dies besonders auf fideikommissarisch oder traditionell befestigten Gütern der Fall ist. Gefährlich ist nur seine kapitalistische Aus¬ gestaltung unter Verwendung ausländischer Saisonarbeiter und übermäßiger Maschinenkraft. Diese Gefahren liegen bei dem Kleinbetriebe nicht in demselben Maße vor, und seine Vermehrung ist daher eine nationale Pflicht und Forderung, um so mehr, als der Kleinbesitz in seinem Bestände durch die wenig glückliche Agrargesetzgebung von 1807/1816 gelitten hat. Aarl Walzer <Lin Roman Richard Rnies von (Sechste Fortsetzung) Karl nimmt sich ein Schemelstühlchen, stellt es dicht neben die Tante, setzt sich darauf, lehnt den Kopf Wider Settchens Bein und sagt: „So hock ich gut, Tante Seelchen, als wenn du meine Mutter wärst. Jetzert kannst du mir sagen, was du noch zu sagen hast!" Die Alte zieht die nasse Hand aus dem Wasser, trocknet sie an der Schürze ab, streichelt über Karls Haar und spricht dann zu nur, indem sie ihre Arbeit wieder aufnimmt: „Siehst du, lieber Bub, du bist ja noch jung und kannst dich wieder heraus¬ schaffen; du darfst den Mut net verlieren. Es wird uns ja jetzert alles versteigt, und nix bleibt übrig; auch mein Vermögen schlüpft mit drein. Aber da liegt mir nix dran. Ich bins Schaffen ja gewöhnt, und ich will ja gern schaffen für dich und das Made. Wenn ich mal net mehr da bin, sollt ihr zwei an mich denken können wie an euer zweit Mutter! „Aber, Tante Seelchen!" unterbricht Karl die Sprechende, „tu doch net, als ob du morgen schon sterben müßt!" Tante Seelchen schüttelt den Kopf und fährt weiter: „Nein, Karl, da soll unser Herrgott mich vorläufig davor bewahren, denn ich bin noch nötig für euch zwei! Am meisten für das Made. Und dabei mußt du

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/91>, abgerufen am 09.05.2024.