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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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des Lebens eine so traurige Rolle zufallen
mußte. Der Mensch will nicht nur Erkenntnis,
er hat auch Bedürfnisse und fordert die Er¬
füllung seines Wollens. Für die einen wird
die Spannung von Wunsch und Wirklichkeit
durch die Religion ausgeglichen. Wer Re¬
ligion nicht hat, für den bestehen zwei Möglich¬
keiten: entweder er ist reich und satt, und er
kann infolgedessen mit dem Leben und der
Wirklichkeit zufrieden sein -- der moderne
Monist; oder er ist arm, und sein höchstes
und einziges Ziel ist der Umsturz unserer
Gesellschaftsordnung -- der moderne Sozial-
demokrat. Selbstverständlich streben auch
religiöse Naturen auf Verbesserung sozialer
Verhältnisse hin, und dies gilt besonders für
das tatkräftige Christentum mit seiner ge¬
staltend ins Leben hineingreifender Macht.
Aber wenn die religiösen Regungen ertötet
sind, dann ist der soziale Umsturz das ein¬
zige Ziel, das dem Leben des Enterbten
seinen Inhalt gibt. Darum bekämpft die
Sozialdemokratie -- in der Praxis wenigstens
-- Religion und Religiosität. Darum, nur
darum steht sie der monistischen Bewegung
unserer Zeit günstig gegenüber: hier wird die
Religion mit einem Schein von Wissenschaft¬
lichkeit untergraben, und am Gläubigen scheint
der Makel der Zurückgebliebenheit zu haften.
Die Führer der Sozialdemokratie sind zu sehr
Realpolitiker, um nicht zu sehen, daß die
Positiven Ziele des Monismus allgemein
menschliche Ziele sind, denen gläubige Kirchen¬
christen ebenso nachstreben. Das gilt von
Wissenschaft und Kunst ebenso wie von sozialer
Tätigkeit, von starker Lebensfreude und heroisch
sich aufopferndem Idealismus.

Daß jede geistige Bewegung erst durch
Organisation stark und von weitesttragender
Bedeutung wird, das ist ein Gedanke, der
unserer Zeit vertraut ist. Die religiösen
Bestrebungen sind nun in der Kirche organi¬
siert. Wenn hierbei individuelle Freiheiten
bisweilen eingeschränkt werden, so hat dies
die Kirche mit jeder anderen Organisation
gemein. Wie alles Irdische ist auch die Kirche
nicht vollkommen; sie hat eine Geschichte, die
reich an großen Taten, aber auch an finsteren
Zeiten ist. Aber das gilt ebenso von anderen
alten Organisationen, wie z. B. vom Staate.
Die Monisten verdammen die Kirche wegen

[Spaltenumbruch]

ihrer Geschichte; aber die Sozialdemokraten
sind nur konsequenter, wenn sie auch unsere
Gesellschaftsordnung verurteilen.

Wenn es nun den Monisten und denen,
die ihnen in ihren Gedanken verwandt sind,
gelänge, die Kirche aufzulösen, die Folge
würden Neuorganisationen der religiösen
Bestrebungen sein; es würden zahlreiche
Selten entstehen, wie dies die amerikanischen
Verhältnisse deutlich zeigen. Dein Monismus
und seiner Forderung einer allgemeinen rein
wissenschaftlich - ästhetischen Weltanschauung
wäre damit nicht gedient. Die Erscheinungen
aber der Religiosität, wie sie in den Sekten
zum Ausdruck kommen, würden den sozial-
demokratischen Führern viel mehr Angriffs¬
flüchen bieten, ihr Kampf gegen die Religion
würde ihnen erleichtert, und das wäre ein
bedeutender Fortschritt im Streben nach ihrem
Ziel.

Daß andrerseits die Kirche, wie sie heut"
ist, reformbedürftig ist, darüber sind sich Wohl
die meisten einig. Ob eine Reform im Sinne
Jathos und Traubs jedoch der richtige Weg
ist, das scheint mir aber zweifelhaft zu sein.

lvalther Mögt
Ausländische Literatur

Miguel de Cervantes: "Des scharf¬
sinnigen Junkers Don Quixote Leben und
Rittertatcn." Übersetzt und neu bearbeitet
durch Wolfgang Sorge. Bei Wilhelm Born¬
gräber, Verlag Neues Leben. Wenn auch des
"Ladallero nie Is triste kiZura" seltsame
Abenteuer längst heimisch geworden sind in
der deutschen Literatur, ist doch jede neue
Übersetzung derselben iwofern sie gut ist) eine
Bereicherung unseres Bücherschatzes. Denn es
gibt in der gesamten Weltliteratur kaum einen
Roman ähnlicher Art, dessen Stoff gerade den
Germanen sympathischer berührte als der des
Don Quixote, dieses berühmtesten Werkes des
großen Spaniers Cervantes.

Heine, in seiner Borrede zur Luxusausgabe
des Don Quixote, rühmt ihm alle Vorzüge
eines wahren Volksbuches nach. Doch steht
seiner Verbreitung in die weitesten Schichten
seine große Länge Wohl etwas im Wege. Die
oben angezeigte Neubearbeitung des spanischen
Werkes durch Wolfgang Sorge sucht hier

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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des Lebens eine so traurige Rolle zufallen
mußte. Der Mensch will nicht nur Erkenntnis,
er hat auch Bedürfnisse und fordert die Er¬
füllung seines Wollens. Für die einen wird
die Spannung von Wunsch und Wirklichkeit
durch die Religion ausgeglichen. Wer Re¬
ligion nicht hat, für den bestehen zwei Möglich¬
keiten: entweder er ist reich und satt, und er
kann infolgedessen mit dem Leben und der
Wirklichkeit zufrieden sein — der moderne
Monist; oder er ist arm, und sein höchstes
und einziges Ziel ist der Umsturz unserer
Gesellschaftsordnung — der moderne Sozial-
demokrat. Selbstverständlich streben auch
religiöse Naturen auf Verbesserung sozialer
Verhältnisse hin, und dies gilt besonders für
das tatkräftige Christentum mit seiner ge¬
staltend ins Leben hineingreifender Macht.
Aber wenn die religiösen Regungen ertötet
sind, dann ist der soziale Umsturz das ein¬
zige Ziel, das dem Leben des Enterbten
seinen Inhalt gibt. Darum bekämpft die
Sozialdemokratie — in der Praxis wenigstens
— Religion und Religiosität. Darum, nur
darum steht sie der monistischen Bewegung
unserer Zeit günstig gegenüber: hier wird die
Religion mit einem Schein von Wissenschaft¬
lichkeit untergraben, und am Gläubigen scheint
der Makel der Zurückgebliebenheit zu haften.
Die Führer der Sozialdemokratie sind zu sehr
Realpolitiker, um nicht zu sehen, daß die
Positiven Ziele des Monismus allgemein
menschliche Ziele sind, denen gläubige Kirchen¬
christen ebenso nachstreben. Das gilt von
Wissenschaft und Kunst ebenso wie von sozialer
Tätigkeit, von starker Lebensfreude und heroisch
sich aufopferndem Idealismus.

Daß jede geistige Bewegung erst durch
Organisation stark und von weitesttragender
Bedeutung wird, das ist ein Gedanke, der
unserer Zeit vertraut ist. Die religiösen
Bestrebungen sind nun in der Kirche organi¬
siert. Wenn hierbei individuelle Freiheiten
bisweilen eingeschränkt werden, so hat dies
die Kirche mit jeder anderen Organisation
gemein. Wie alles Irdische ist auch die Kirche
nicht vollkommen; sie hat eine Geschichte, die
reich an großen Taten, aber auch an finsteren
Zeiten ist. Aber das gilt ebenso von anderen
alten Organisationen, wie z. B. vom Staate.
Die Monisten verdammen die Kirche wegen

[Spaltenumbruch]

ihrer Geschichte; aber die Sozialdemokraten
sind nur konsequenter, wenn sie auch unsere
Gesellschaftsordnung verurteilen.

Wenn es nun den Monisten und denen,
die ihnen in ihren Gedanken verwandt sind,
gelänge, die Kirche aufzulösen, die Folge
würden Neuorganisationen der religiösen
Bestrebungen sein; es würden zahlreiche
Selten entstehen, wie dies die amerikanischen
Verhältnisse deutlich zeigen. Dein Monismus
und seiner Forderung einer allgemeinen rein
wissenschaftlich - ästhetischen Weltanschauung
wäre damit nicht gedient. Die Erscheinungen
aber der Religiosität, wie sie in den Sekten
zum Ausdruck kommen, würden den sozial-
demokratischen Führern viel mehr Angriffs¬
flüchen bieten, ihr Kampf gegen die Religion
würde ihnen erleichtert, und das wäre ein
bedeutender Fortschritt im Streben nach ihrem
Ziel.

Daß andrerseits die Kirche, wie sie heut«
ist, reformbedürftig ist, darüber sind sich Wohl
die meisten einig. Ob eine Reform im Sinne
Jathos und Traubs jedoch der richtige Weg
ist, das scheint mir aber zweifelhaft zu sein.

lvalther Mögt
Ausländische Literatur

Miguel de Cervantes: „Des scharf¬
sinnigen Junkers Don Quixote Leben und
Rittertatcn." Übersetzt und neu bearbeitet
durch Wolfgang Sorge. Bei Wilhelm Born¬
gräber, Verlag Neues Leben. Wenn auch des
„Ladallero nie Is triste kiZura" seltsame
Abenteuer längst heimisch geworden sind in
der deutschen Literatur, ist doch jede neue
Übersetzung derselben iwofern sie gut ist) eine
Bereicherung unseres Bücherschatzes. Denn es
gibt in der gesamten Weltliteratur kaum einen
Roman ähnlicher Art, dessen Stoff gerade den
Germanen sympathischer berührte als der des
Don Quixote, dieses berühmtesten Werkes des
großen Spaniers Cervantes.

Heine, in seiner Borrede zur Luxusausgabe
des Don Quixote, rühmt ihm alle Vorzüge
eines wahren Volksbuches nach. Doch steht
seiner Verbreitung in die weitesten Schichten
seine große Länge Wohl etwas im Wege. Die
oben angezeigte Neubearbeitung des spanischen
Werkes durch Wolfgang Sorge sucht hier

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[0403] Maßgebliches und Unmaßgebliches des Lebens eine so traurige Rolle zufallen mußte. Der Mensch will nicht nur Erkenntnis, er hat auch Bedürfnisse und fordert die Er¬ füllung seines Wollens. Für die einen wird die Spannung von Wunsch und Wirklichkeit durch die Religion ausgeglichen. Wer Re¬ ligion nicht hat, für den bestehen zwei Möglich¬ keiten: entweder er ist reich und satt, und er kann infolgedessen mit dem Leben und der Wirklichkeit zufrieden sein — der moderne Monist; oder er ist arm, und sein höchstes und einziges Ziel ist der Umsturz unserer Gesellschaftsordnung — der moderne Sozial- demokrat. Selbstverständlich streben auch religiöse Naturen auf Verbesserung sozialer Verhältnisse hin, und dies gilt besonders für das tatkräftige Christentum mit seiner ge¬ staltend ins Leben hineingreifender Macht. Aber wenn die religiösen Regungen ertötet sind, dann ist der soziale Umsturz das ein¬ zige Ziel, das dem Leben des Enterbten seinen Inhalt gibt. Darum bekämpft die Sozialdemokratie — in der Praxis wenigstens — Religion und Religiosität. Darum, nur darum steht sie der monistischen Bewegung unserer Zeit günstig gegenüber: hier wird die Religion mit einem Schein von Wissenschaft¬ lichkeit untergraben, und am Gläubigen scheint der Makel der Zurückgebliebenheit zu haften. Die Führer der Sozialdemokratie sind zu sehr Realpolitiker, um nicht zu sehen, daß die Positiven Ziele des Monismus allgemein menschliche Ziele sind, denen gläubige Kirchen¬ christen ebenso nachstreben. Das gilt von Wissenschaft und Kunst ebenso wie von sozialer Tätigkeit, von starker Lebensfreude und heroisch sich aufopferndem Idealismus. Daß jede geistige Bewegung erst durch Organisation stark und von weitesttragender Bedeutung wird, das ist ein Gedanke, der unserer Zeit vertraut ist. Die religiösen Bestrebungen sind nun in der Kirche organi¬ siert. Wenn hierbei individuelle Freiheiten bisweilen eingeschränkt werden, so hat dies die Kirche mit jeder anderen Organisation gemein. Wie alles Irdische ist auch die Kirche nicht vollkommen; sie hat eine Geschichte, die reich an großen Taten, aber auch an finsteren Zeiten ist. Aber das gilt ebenso von anderen alten Organisationen, wie z. B. vom Staate. Die Monisten verdammen die Kirche wegen ihrer Geschichte; aber die Sozialdemokraten sind nur konsequenter, wenn sie auch unsere Gesellschaftsordnung verurteilen. Wenn es nun den Monisten und denen, die ihnen in ihren Gedanken verwandt sind, gelänge, die Kirche aufzulösen, die Folge würden Neuorganisationen der religiösen Bestrebungen sein; es würden zahlreiche Selten entstehen, wie dies die amerikanischen Verhältnisse deutlich zeigen. Dein Monismus und seiner Forderung einer allgemeinen rein wissenschaftlich - ästhetischen Weltanschauung wäre damit nicht gedient. Die Erscheinungen aber der Religiosität, wie sie in den Sekten zum Ausdruck kommen, würden den sozial- demokratischen Führern viel mehr Angriffs¬ flüchen bieten, ihr Kampf gegen die Religion würde ihnen erleichtert, und das wäre ein bedeutender Fortschritt im Streben nach ihrem Ziel. Daß andrerseits die Kirche, wie sie heut« ist, reformbedürftig ist, darüber sind sich Wohl die meisten einig. Ob eine Reform im Sinne Jathos und Traubs jedoch der richtige Weg ist, das scheint mir aber zweifelhaft zu sein. lvalther Mögt Ausländische Literatur Miguel de Cervantes: „Des scharf¬ sinnigen Junkers Don Quixote Leben und Rittertatcn." Übersetzt und neu bearbeitet durch Wolfgang Sorge. Bei Wilhelm Born¬ gräber, Verlag Neues Leben. Wenn auch des „Ladallero nie Is triste kiZura" seltsame Abenteuer längst heimisch geworden sind in der deutschen Literatur, ist doch jede neue Übersetzung derselben iwofern sie gut ist) eine Bereicherung unseres Bücherschatzes. Denn es gibt in der gesamten Weltliteratur kaum einen Roman ähnlicher Art, dessen Stoff gerade den Germanen sympathischer berührte als der des Don Quixote, dieses berühmtesten Werkes des großen Spaniers Cervantes. Heine, in seiner Borrede zur Luxusausgabe des Don Quixote, rühmt ihm alle Vorzüge eines wahren Volksbuches nach. Doch steht seiner Verbreitung in die weitesten Schichten seine große Länge Wohl etwas im Wege. Die oben angezeigte Neubearbeitung des spanischen Werkes durch Wolfgang Sorge sucht hier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/403>, abgerufen am 04.05.2024.