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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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vom Ljöhenbild auf Landkarten

Als die Stille wieder in Schloß und Dorf eingekehrt war, bemerkte man,
daß der junge Neoille verschwunden war. Denen, die sich nach ihrem Sohn
erkundigten, sagten die Eltern, der König habe Gefallen an ihm gefunden und
ihn als Pagen mitgenommen. Die Prinzessin, so hieß es, habe ihren Spielgefährten
anfangs schmerzlich vermißt. . . .


III.

Vor zwei Jahren, im Herbst 1911, fanden Erdarbeiter auf der Ostseite
der Ruine von Bisley Manor, Heinrichs des Achten Landsitz, im Boden einen
schmucklosen steinernen Sarkophag mit den Gebeinen eines jungen Mädchens,
die von Resten feiner Kleidung umgeben waren. Er ruhte dicht am Hause,
unter den Fenstern der Räume, die, nach der Ortschronik, Englands spätere
Königin Elisabeth, die Tochter Heinrichs und der Anna Boleyn, einst in ihrer
Jugend bewohnt haben soll. Der Sarg lag schräg in der Erde, kaum einen
halben Meter unter der Oberfläche, so daß die Finder den Eindruck hatten, er
müsse in größter Eile dort vergraben worden sein. . . .




Vom Höhenbild auf Landkarten

zMAM'! me besondere Schwierigkeit für die kartographische Darstellung bot
von jeher die Abbildung der Erhebungen in den Raum. Eine
Landkarte, die diese Raumverhältnisse für das Auge treu darstellt,
die also raumtreu ist, muß dreierlei abbilden: die Böschungen,
die Formen und die Höhe. In einem dieser Punkte aber sind
alle unsere heutigen Landkarten, so vollkommen sie sonst sein mögen, noch
mangelhaft: in der Abbildung der Höhe.

Da sind z. B. die Schraffenkarten bei senkrechter Beleuchtung! Sie geben
ein vorzügliches Bild der Böschungssteilheit: je dunkler die Zeichnung, desto
steiler das Gehänge; je lichter die Zeichnung, desto sanfter die Böschungen.
Aber schon die Formen veranschaulichen diese Karten nicht immer deutlich, und
ein Bild der Höhe geben sie gar nicht, weder der absoluten noch der relativen
-- abgesehen höchstens von der ganz vagen Höhenvorstellung, die man erhält,
wenn ein hohes Gebirge seinem ganzen Aufbau nach auf einer Karte zu über¬
schauen ist: ein Teil der Schraffen kennzeichnen sich dann als am Rande des
Gebirges liegend und also tieferen Regionen angehörend, ein anderer Teil als
der Gipfelregion angehörend und höher liegend. Ob aber der Fuß des Gebirges


Grenzboten IV 1913 12
vom Ljöhenbild auf Landkarten

Als die Stille wieder in Schloß und Dorf eingekehrt war, bemerkte man,
daß der junge Neoille verschwunden war. Denen, die sich nach ihrem Sohn
erkundigten, sagten die Eltern, der König habe Gefallen an ihm gefunden und
ihn als Pagen mitgenommen. Die Prinzessin, so hieß es, habe ihren Spielgefährten
anfangs schmerzlich vermißt. . . .


III.

Vor zwei Jahren, im Herbst 1911, fanden Erdarbeiter auf der Ostseite
der Ruine von Bisley Manor, Heinrichs des Achten Landsitz, im Boden einen
schmucklosen steinernen Sarkophag mit den Gebeinen eines jungen Mädchens,
die von Resten feiner Kleidung umgeben waren. Er ruhte dicht am Hause,
unter den Fenstern der Räume, die, nach der Ortschronik, Englands spätere
Königin Elisabeth, die Tochter Heinrichs und der Anna Boleyn, einst in ihrer
Jugend bewohnt haben soll. Der Sarg lag schräg in der Erde, kaum einen
halben Meter unter der Oberfläche, so daß die Finder den Eindruck hatten, er
müsse in größter Eile dort vergraben worden sein. . . .




Vom Höhenbild auf Landkarten

zMAM'! me besondere Schwierigkeit für die kartographische Darstellung bot
von jeher die Abbildung der Erhebungen in den Raum. Eine
Landkarte, die diese Raumverhältnisse für das Auge treu darstellt,
die also raumtreu ist, muß dreierlei abbilden: die Böschungen,
die Formen und die Höhe. In einem dieser Punkte aber sind
alle unsere heutigen Landkarten, so vollkommen sie sonst sein mögen, noch
mangelhaft: in der Abbildung der Höhe.

Da sind z. B. die Schraffenkarten bei senkrechter Beleuchtung! Sie geben
ein vorzügliches Bild der Böschungssteilheit: je dunkler die Zeichnung, desto
steiler das Gehänge; je lichter die Zeichnung, desto sanfter die Böschungen.
Aber schon die Formen veranschaulichen diese Karten nicht immer deutlich, und
ein Bild der Höhe geben sie gar nicht, weder der absoluten noch der relativen
— abgesehen höchstens von der ganz vagen Höhenvorstellung, die man erhält,
wenn ein hohes Gebirge seinem ganzen Aufbau nach auf einer Karte zu über¬
schauen ist: ein Teil der Schraffen kennzeichnen sich dann als am Rande des
Gebirges liegend und also tieferen Regionen angehörend, ein anderer Teil als
der Gipfelregion angehörend und höher liegend. Ob aber der Fuß des Gebirges


Grenzboten IV 1913 12
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/189>, abgerufen am 28.04.2024.