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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Ländliche Sozialpolitik in England

richter seiner Selbständigkeit erblicken wird, sondern auch den reichen und
mächtigen Nachbarn, dessen stetig erstarkende wirtschaftliche Kraft mit goldenen
Bergen lockt. Ein reiches, wirtschaftlich aufnahmefähiges Rußland muß natürlich
auf die bisher so armen Landesteile des nördlichen Schwedens und Norwegens,
je mehr sich dort eine auf Export angewiesene Industrie entwickelt, magnetische
Anziehungskraft ausüben. Ein Gegengewicht gegen diese Anziehung kann nur
von Deutschland und England geschaffen werden, deren Beziehungen zum
skandinavischen Markt sich selbstverständlich auch von Jahr zu Jahr steigern
werden und die beide ein zwingendes vitales Interesse an einem starken und
unabhängigen Skandinavien haben. Vielleicht wird Skandinavien aus diesem
Grunde in der Zukunft ein nicht unwesentliches Bindeglied zwischen Deutschland
und England bilden.




Ländliche Sozialpolitik in England
von or. Paul Ulüller-Heymer

In Alfred Kiderlen - Waechters Berichten von den Kaiserreisen findet
sich unter dem 14. Juli 1891 auch folgende Beobachtung: "... Die
herrlichen Ufer des Forth of Leith werden von Prachtvollen Parks und
Schlössern und Ruinen geziert. Dicht am Wasser steht u. a. in einem
gewaltigen Park, der nach seinem Umfange bei uns schon ein hübsches
Gut ausmachen würde, ein schloszartiges Gebäude, das der Besitzer des
Parks, Lord Roseverry, als Dependenz seines weiter rückwärts liegenden
Schlosses lediglich für etwaige Gäste hierher gestellt hat..." (siehe
Grenzboten 1913 Heft 28 S. 72). Die Kehrseite solcher Verwendung des
Heimatbodens zu Luxuszwecken zeigen die nachstehenden Ausführungen.
Die Mitteilungen des "Keport" führen uns so recht eindringlich vor
Augen, wie richtig und im nationalen Sinne wertvoll die Preußische
Ansiedlungstätigkeit war und ist und welchen außerordentlichen Vor¬
sprung das "rückständige" Preußen dank des in unserem Bürgertum
vorhandenen nationalen und sozialen Verantwortungsgefühls vor dem
G. Cl. "fortschrittlichen" England hat.

I le "Land"rede des Schatzkanzlers Lloyd George bildet den Auftakt
und der Bericht des Ermittlungsausschufses für die Landreform
die Grundlage zu dem bedeutsamen Landreformplan der eng¬
lischen Regierung, dessen positives Programm erst in den nächsten
Wochen von den Kabinettsministern entrollt werden soll. Da die
Regierung aber ihre Vorschläge aus dem umfassenden Material des vor¬
erwähnten rund fünfhundert Seiten umfassenden Berichts*) schöpfen wird, so



*) Keport ovinus I (rural) ok tre l^ana Inquir^Lommittee, erschienen bei Messrs. Hodder
u. Stoughton, 1 Schilling.
Ländliche Sozialpolitik in England

richter seiner Selbständigkeit erblicken wird, sondern auch den reichen und
mächtigen Nachbarn, dessen stetig erstarkende wirtschaftliche Kraft mit goldenen
Bergen lockt. Ein reiches, wirtschaftlich aufnahmefähiges Rußland muß natürlich
auf die bisher so armen Landesteile des nördlichen Schwedens und Norwegens,
je mehr sich dort eine auf Export angewiesene Industrie entwickelt, magnetische
Anziehungskraft ausüben. Ein Gegengewicht gegen diese Anziehung kann nur
von Deutschland und England geschaffen werden, deren Beziehungen zum
skandinavischen Markt sich selbstverständlich auch von Jahr zu Jahr steigern
werden und die beide ein zwingendes vitales Interesse an einem starken und
unabhängigen Skandinavien haben. Vielleicht wird Skandinavien aus diesem
Grunde in der Zukunft ein nicht unwesentliches Bindeglied zwischen Deutschland
und England bilden.




Ländliche Sozialpolitik in England
von or. Paul Ulüller-Heymer

In Alfred Kiderlen - Waechters Berichten von den Kaiserreisen findet
sich unter dem 14. Juli 1891 auch folgende Beobachtung: „... Die
herrlichen Ufer des Forth of Leith werden von Prachtvollen Parks und
Schlössern und Ruinen geziert. Dicht am Wasser steht u. a. in einem
gewaltigen Park, der nach seinem Umfange bei uns schon ein hübsches
Gut ausmachen würde, ein schloszartiges Gebäude, das der Besitzer des
Parks, Lord Roseverry, als Dependenz seines weiter rückwärts liegenden
Schlosses lediglich für etwaige Gäste hierher gestellt hat..." (siehe
Grenzboten 1913 Heft 28 S. 72). Die Kehrseite solcher Verwendung des
Heimatbodens zu Luxuszwecken zeigen die nachstehenden Ausführungen.
Die Mitteilungen des „Keport" führen uns so recht eindringlich vor
Augen, wie richtig und im nationalen Sinne wertvoll die Preußische
Ansiedlungstätigkeit war und ist und welchen außerordentlichen Vor¬
sprung das „rückständige" Preußen dank des in unserem Bürgertum
vorhandenen nationalen und sozialen Verantwortungsgefühls vor dem
G. Cl. „fortschrittlichen" England hat.

I le „Land"rede des Schatzkanzlers Lloyd George bildet den Auftakt
und der Bericht des Ermittlungsausschufses für die Landreform
die Grundlage zu dem bedeutsamen Landreformplan der eng¬
lischen Regierung, dessen positives Programm erst in den nächsten
Wochen von den Kabinettsministern entrollt werden soll. Da die
Regierung aber ihre Vorschläge aus dem umfassenden Material des vor¬
erwähnten rund fünfhundert Seiten umfassenden Berichts*) schöpfen wird, so



*) Keport ovinus I (rural) ok tre l^ana Inquir^Lommittee, erschienen bei Messrs. Hodder
u. Stoughton, 1 Schilling.
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[0209] Ländliche Sozialpolitik in England richter seiner Selbständigkeit erblicken wird, sondern auch den reichen und mächtigen Nachbarn, dessen stetig erstarkende wirtschaftliche Kraft mit goldenen Bergen lockt. Ein reiches, wirtschaftlich aufnahmefähiges Rußland muß natürlich auf die bisher so armen Landesteile des nördlichen Schwedens und Norwegens, je mehr sich dort eine auf Export angewiesene Industrie entwickelt, magnetische Anziehungskraft ausüben. Ein Gegengewicht gegen diese Anziehung kann nur von Deutschland und England geschaffen werden, deren Beziehungen zum skandinavischen Markt sich selbstverständlich auch von Jahr zu Jahr steigern werden und die beide ein zwingendes vitales Interesse an einem starken und unabhängigen Skandinavien haben. Vielleicht wird Skandinavien aus diesem Grunde in der Zukunft ein nicht unwesentliches Bindeglied zwischen Deutschland und England bilden. Ländliche Sozialpolitik in England von or. Paul Ulüller-Heymer In Alfred Kiderlen - Waechters Berichten von den Kaiserreisen findet sich unter dem 14. Juli 1891 auch folgende Beobachtung: „... Die herrlichen Ufer des Forth of Leith werden von Prachtvollen Parks und Schlössern und Ruinen geziert. Dicht am Wasser steht u. a. in einem gewaltigen Park, der nach seinem Umfange bei uns schon ein hübsches Gut ausmachen würde, ein schloszartiges Gebäude, das der Besitzer des Parks, Lord Roseverry, als Dependenz seines weiter rückwärts liegenden Schlosses lediglich für etwaige Gäste hierher gestellt hat..." (siehe Grenzboten 1913 Heft 28 S. 72). Die Kehrseite solcher Verwendung des Heimatbodens zu Luxuszwecken zeigen die nachstehenden Ausführungen. Die Mitteilungen des „Keport" führen uns so recht eindringlich vor Augen, wie richtig und im nationalen Sinne wertvoll die Preußische Ansiedlungstätigkeit war und ist und welchen außerordentlichen Vor¬ sprung das „rückständige" Preußen dank des in unserem Bürgertum vorhandenen nationalen und sozialen Verantwortungsgefühls vor dem G. Cl. „fortschrittlichen" England hat. I le „Land"rede des Schatzkanzlers Lloyd George bildet den Auftakt und der Bericht des Ermittlungsausschufses für die Landreform die Grundlage zu dem bedeutsamen Landreformplan der eng¬ lischen Regierung, dessen positives Programm erst in den nächsten Wochen von den Kabinettsministern entrollt werden soll. Da die Regierung aber ihre Vorschläge aus dem umfassenden Material des vor¬ erwähnten rund fünfhundert Seiten umfassenden Berichts*) schöpfen wird, so *) Keport ovinus I (rural) ok tre l^ana Inquir^Lommittee, erschienen bei Messrs. Hodder u. Stoughton, 1 Schilling.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/209>, abgerufen am 28.04.2024.