Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Neu-San Francisco und die Panama-Pacific-Exposition

halb zweier Stunden durch freiwillige Subskription über 4 Millionen Dollars
auf. Ungefähr viertausend Personen waren bei dieser denkwürdigen Zusammen¬
kunft anwesend. Angebote zwischen einer Viertelmillion und einem bescheidenen
halben Tausend folgten so schnell aufeinander, daß die betreffenden Schreiber
Mühe hatten, sie zu Papier zu bringen. Später bewilligte die Staatslegis¬
latur 5 Millionen Dollars und gestattete die Besteuerung der Stadt San Fran¬
cisco in gleicher Höhe, so daß für die Ausstellung ein Kapital von
17500000 Dollar verfügbar ist. Mit Stolz weist der Bürger von San
Francisco auf dies hübsche Sümmchen hin und bemerkt zugleich, daß die Aus¬
stellung ohne jeglichen Geldzuschuß der Bundesregierung stattfinden wird, --
denn ein solcher wurde schließlich nicht einmal verlangt.


Neu-Sau Francisco

Inzwischen ist San Francisco, der Schauplatz der kommenden Weltaus¬
stellung, mit bewunderungswürdiger Energie neu geschaffen worden, so daß man
nur noch auf einigen Seitenstraßen Spuren jener Schreckenstage wahrnehmen
kann, die für viele das Ende der Stadt am Goldenen Tor bedeuteten. Der
funkelnagelneue Geschäftsteil, in dem kein Gebäude älter als sechs Jahre ist,
hat wieder dasselbe überaus lebhafte Gepräge wie vor dem Feuer. An der
Market Street erheben sich eine Anzahl der sogenannten Skyskrapers, unter
denen namentlich das Claus-Spreckles-Gebäude und die Humboldt-Bank im¬
ponierend in den blauen kalifornischen Himmel hineinragen. Unweit der Haupt¬
verkehrsader, an dem Union-Sauare, steht das San Francis-Hotel, ein
kolossaler schwärzlicher Bau aus Stahl und Stein, der wohl zwanzig Stock¬
werke zählt und aus drei gänzlich gleichen zusammenhängenden Gebäuden
besteht. Weniger hoch, aber breiter und ebenso geräumig, sind andere im
Zentrum der Stadt befindliche Gebäude, in denen Kondore und Läden unter¬
gebracht sind. Auch die Theater wurden längst wieder aufgebaut -- und
zwar prächtiger denn je zuvor.

San Francisco ist besonders reich an Restaurants von europäischem
Muster. Es ist überhaupt immer noch und trotz der enorm gestiegenen Lebens¬
mittelpreise die Stadt für den Gourmand. Man kann hier nicht nur ameri¬
kanisch, sondern auch deutsch, französisch und spanisch, ja sogar chinesisch und
japanisch essen, und zwar für einen verhältnismäßig bescheidenen Preis. In
vielen Restaurants erhält man einen angenehmen Rotwein als Gratiszugabe,
denn Kalifornien ist ja ein Weinland.

Das ganze Leben und Treiben von San Francisco ist durchaus kosmo¬
politisch. Eine glückliche Vereinigung der besten amerikanischen mit den guten
Seiten des europäischen Lebens macht die Stadt zum angenehmsten Aufenthalts¬
ort für uns Herübergekommene, die das spezifisch Amerikanische in seiner aus¬
gesprochenen Neigung für Tugendsimpelei oder ödes Muckertum höchst unsym¬
pathisch berührt. Hier weht ein frischer Geist der Lebensfreude; man genießt


Neu-San Francisco und die Panama-Pacific-Exposition

halb zweier Stunden durch freiwillige Subskription über 4 Millionen Dollars
auf. Ungefähr viertausend Personen waren bei dieser denkwürdigen Zusammen¬
kunft anwesend. Angebote zwischen einer Viertelmillion und einem bescheidenen
halben Tausend folgten so schnell aufeinander, daß die betreffenden Schreiber
Mühe hatten, sie zu Papier zu bringen. Später bewilligte die Staatslegis¬
latur 5 Millionen Dollars und gestattete die Besteuerung der Stadt San Fran¬
cisco in gleicher Höhe, so daß für die Ausstellung ein Kapital von
17500000 Dollar verfügbar ist. Mit Stolz weist der Bürger von San
Francisco auf dies hübsche Sümmchen hin und bemerkt zugleich, daß die Aus¬
stellung ohne jeglichen Geldzuschuß der Bundesregierung stattfinden wird, —
denn ein solcher wurde schließlich nicht einmal verlangt.


Neu-Sau Francisco

Inzwischen ist San Francisco, der Schauplatz der kommenden Weltaus¬
stellung, mit bewunderungswürdiger Energie neu geschaffen worden, so daß man
nur noch auf einigen Seitenstraßen Spuren jener Schreckenstage wahrnehmen
kann, die für viele das Ende der Stadt am Goldenen Tor bedeuteten. Der
funkelnagelneue Geschäftsteil, in dem kein Gebäude älter als sechs Jahre ist,
hat wieder dasselbe überaus lebhafte Gepräge wie vor dem Feuer. An der
Market Street erheben sich eine Anzahl der sogenannten Skyskrapers, unter
denen namentlich das Claus-Spreckles-Gebäude und die Humboldt-Bank im¬
ponierend in den blauen kalifornischen Himmel hineinragen. Unweit der Haupt¬
verkehrsader, an dem Union-Sauare, steht das San Francis-Hotel, ein
kolossaler schwärzlicher Bau aus Stahl und Stein, der wohl zwanzig Stock¬
werke zählt und aus drei gänzlich gleichen zusammenhängenden Gebäuden
besteht. Weniger hoch, aber breiter und ebenso geräumig, sind andere im
Zentrum der Stadt befindliche Gebäude, in denen Kondore und Läden unter¬
gebracht sind. Auch die Theater wurden längst wieder aufgebaut — und
zwar prächtiger denn je zuvor.

San Francisco ist besonders reich an Restaurants von europäischem
Muster. Es ist überhaupt immer noch und trotz der enorm gestiegenen Lebens¬
mittelpreise die Stadt für den Gourmand. Man kann hier nicht nur ameri¬
kanisch, sondern auch deutsch, französisch und spanisch, ja sogar chinesisch und
japanisch essen, und zwar für einen verhältnismäßig bescheidenen Preis. In
vielen Restaurants erhält man einen angenehmen Rotwein als Gratiszugabe,
denn Kalifornien ist ja ein Weinland.

Das ganze Leben und Treiben von San Francisco ist durchaus kosmo¬
politisch. Eine glückliche Vereinigung der besten amerikanischen mit den guten
Seiten des europäischen Lebens macht die Stadt zum angenehmsten Aufenthalts¬
ort für uns Herübergekommene, die das spezifisch Amerikanische in seiner aus¬
gesprochenen Neigung für Tugendsimpelei oder ödes Muckertum höchst unsym¬
pathisch berührt. Hier weht ein frischer Geist der Lebensfreude; man genießt


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0279" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327091"/>
            <fw type="header" place="top"> Neu-San Francisco und die Panama-Pacific-Exposition</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1049" prev="#ID_1048"> halb zweier Stunden durch freiwillige Subskription über 4 Millionen Dollars<lb/>
auf. Ungefähr viertausend Personen waren bei dieser denkwürdigen Zusammen¬<lb/>
kunft anwesend. Angebote zwischen einer Viertelmillion und einem bescheidenen<lb/>
halben Tausend folgten so schnell aufeinander, daß die betreffenden Schreiber<lb/>
Mühe hatten, sie zu Papier zu bringen. Später bewilligte die Staatslegis¬<lb/>
latur 5 Millionen Dollars und gestattete die Besteuerung der Stadt San Fran¬<lb/>
cisco in gleicher Höhe, so daß für die Ausstellung ein Kapital von<lb/>
17500000 Dollar verfügbar ist. Mit Stolz weist der Bürger von San<lb/>
Francisco auf dies hübsche Sümmchen hin und bemerkt zugleich, daß die Aus¬<lb/>
stellung ohne jeglichen Geldzuschuß der Bundesregierung stattfinden wird, &#x2014;<lb/>
denn ein solcher wurde schließlich nicht einmal verlangt.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Neu-Sau Francisco</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1050"> Inzwischen ist San Francisco, der Schauplatz der kommenden Weltaus¬<lb/>
stellung, mit bewunderungswürdiger Energie neu geschaffen worden, so daß man<lb/>
nur noch auf einigen Seitenstraßen Spuren jener Schreckenstage wahrnehmen<lb/>
kann, die für viele das Ende der Stadt am Goldenen Tor bedeuteten. Der<lb/>
funkelnagelneue Geschäftsteil, in dem kein Gebäude älter als sechs Jahre ist,<lb/>
hat wieder dasselbe überaus lebhafte Gepräge wie vor dem Feuer. An der<lb/>
Market Street erheben sich eine Anzahl der sogenannten Skyskrapers, unter<lb/>
denen namentlich das Claus-Spreckles-Gebäude und die Humboldt-Bank im¬<lb/>
ponierend in den blauen kalifornischen Himmel hineinragen. Unweit der Haupt¬<lb/>
verkehrsader, an dem Union-Sauare, steht das San Francis-Hotel, ein<lb/>
kolossaler schwärzlicher Bau aus Stahl und Stein, der wohl zwanzig Stock¬<lb/>
werke zählt und aus drei gänzlich gleichen zusammenhängenden Gebäuden<lb/>
besteht. Weniger hoch, aber breiter und ebenso geräumig, sind andere im<lb/>
Zentrum der Stadt befindliche Gebäude, in denen Kondore und Läden unter¬<lb/>
gebracht sind. Auch die Theater wurden längst wieder aufgebaut &#x2014; und<lb/>
zwar prächtiger denn je zuvor.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1051"> San Francisco ist besonders reich an Restaurants von europäischem<lb/>
Muster. Es ist überhaupt immer noch und trotz der enorm gestiegenen Lebens¬<lb/>
mittelpreise die Stadt für den Gourmand. Man kann hier nicht nur ameri¬<lb/>
kanisch, sondern auch deutsch, französisch und spanisch, ja sogar chinesisch und<lb/>
japanisch essen, und zwar für einen verhältnismäßig bescheidenen Preis. In<lb/>
vielen Restaurants erhält man einen angenehmen Rotwein als Gratiszugabe,<lb/>
denn Kalifornien ist ja ein Weinland.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1052" next="#ID_1053"> Das ganze Leben und Treiben von San Francisco ist durchaus kosmo¬<lb/>
politisch. Eine glückliche Vereinigung der besten amerikanischen mit den guten<lb/>
Seiten des europäischen Lebens macht die Stadt zum angenehmsten Aufenthalts¬<lb/>
ort für uns Herübergekommene, die das spezifisch Amerikanische in seiner aus¬<lb/>
gesprochenen Neigung für Tugendsimpelei oder ödes Muckertum höchst unsym¬<lb/>
pathisch berührt. Hier weht ein frischer Geist der Lebensfreude; man genießt</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0279] Neu-San Francisco und die Panama-Pacific-Exposition halb zweier Stunden durch freiwillige Subskription über 4 Millionen Dollars auf. Ungefähr viertausend Personen waren bei dieser denkwürdigen Zusammen¬ kunft anwesend. Angebote zwischen einer Viertelmillion und einem bescheidenen halben Tausend folgten so schnell aufeinander, daß die betreffenden Schreiber Mühe hatten, sie zu Papier zu bringen. Später bewilligte die Staatslegis¬ latur 5 Millionen Dollars und gestattete die Besteuerung der Stadt San Fran¬ cisco in gleicher Höhe, so daß für die Ausstellung ein Kapital von 17500000 Dollar verfügbar ist. Mit Stolz weist der Bürger von San Francisco auf dies hübsche Sümmchen hin und bemerkt zugleich, daß die Aus¬ stellung ohne jeglichen Geldzuschuß der Bundesregierung stattfinden wird, — denn ein solcher wurde schließlich nicht einmal verlangt. Neu-Sau Francisco Inzwischen ist San Francisco, der Schauplatz der kommenden Weltaus¬ stellung, mit bewunderungswürdiger Energie neu geschaffen worden, so daß man nur noch auf einigen Seitenstraßen Spuren jener Schreckenstage wahrnehmen kann, die für viele das Ende der Stadt am Goldenen Tor bedeuteten. Der funkelnagelneue Geschäftsteil, in dem kein Gebäude älter als sechs Jahre ist, hat wieder dasselbe überaus lebhafte Gepräge wie vor dem Feuer. An der Market Street erheben sich eine Anzahl der sogenannten Skyskrapers, unter denen namentlich das Claus-Spreckles-Gebäude und die Humboldt-Bank im¬ ponierend in den blauen kalifornischen Himmel hineinragen. Unweit der Haupt¬ verkehrsader, an dem Union-Sauare, steht das San Francis-Hotel, ein kolossaler schwärzlicher Bau aus Stahl und Stein, der wohl zwanzig Stock¬ werke zählt und aus drei gänzlich gleichen zusammenhängenden Gebäuden besteht. Weniger hoch, aber breiter und ebenso geräumig, sind andere im Zentrum der Stadt befindliche Gebäude, in denen Kondore und Läden unter¬ gebracht sind. Auch die Theater wurden längst wieder aufgebaut — und zwar prächtiger denn je zuvor. San Francisco ist besonders reich an Restaurants von europäischem Muster. Es ist überhaupt immer noch und trotz der enorm gestiegenen Lebens¬ mittelpreise die Stadt für den Gourmand. Man kann hier nicht nur ameri¬ kanisch, sondern auch deutsch, französisch und spanisch, ja sogar chinesisch und japanisch essen, und zwar für einen verhältnismäßig bescheidenen Preis. In vielen Restaurants erhält man einen angenehmen Rotwein als Gratiszugabe, denn Kalifornien ist ja ein Weinland. Das ganze Leben und Treiben von San Francisco ist durchaus kosmo¬ politisch. Eine glückliche Vereinigung der besten amerikanischen mit den guten Seiten des europäischen Lebens macht die Stadt zum angenehmsten Aufenthalts¬ ort für uns Herübergekommene, die das spezifisch Amerikanische in seiner aus¬ gesprochenen Neigung für Tugendsimpelei oder ödes Muckertum höchst unsym¬ pathisch berührt. Hier weht ein frischer Geist der Lebensfreude; man genießt

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/279
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/279>, abgerufen am 28.04.2024.