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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Der alte Grient und seine Beziehungen zum Mester

samen Zieles überließ; seine Nachfolger machten sich zwar unabhängig von den
Wünschen des Wiener Kabinetts, das Ergebnis ist jedoch weder für den einen
noch für den anderen Teil günstig. Möchten doch die Vorgänge auf dem
Balkan nicht das Vorspiel sein für das. was sich demnächst in Kleinasien ab¬
spielen wird." Man kann diesen Satz kaum anders verstehen, als daß Deutsch¬
land in Zukunft gut täte, die Bestimmung der gemeinsamen Ziele Deutschlands
und Österreich-Ungarns dem Wiener Kabinett zu überlassen! Gegen ein solches
Programm müssen wir doch, auch wenn es von einer so eminenten publizistischen
Seite kommt, den entschiedensten Protest einlegen. Der Dreibund ist für das
Deutsche Reich der Eckstein seiner politischen Stellung auf dem europäischen
Kontinent, und niemand wird seine Bedeutung in Vergangenheit oder Zukunft
unterschätzen wollen. Aber was unsere weltpolitischen Interessen betrifft, so
bildet der Dreibund für uns nur eine Rückendeckung und kein Instrument zur
Erreichung positiver Ziele; und die Bestimmung unserer weltpolitischen Ziele
werden wir uns, wie bisher, so auch sür die Zukunft selbst vorbehalten.




Der alte Grient und seine Beziehungen zum Westen
von <L, F. Lehmann-Haupt

Die folgenden Ausführungen sind mit Erlaubnis dem in den nächsten
Tagen im Verlage B. G. Teubner, Leipzig, erscheinenden Werke, "DaS
Jahr 1913, ein Gesamtbild der Kulturentwicklung" entnommen (zirka
5S0 Seiten Lexikon-Oktav, gebunden Is Mark), das die bleibenden und
wertvollen Ergebnisse des kulturellen Fortschrittes des Jahres auf allen
Gebieten zur Darstellung bringt.

eMmeer der Kultur des alten Orients verstehen wir in erster Linie
diejenigen Formen menschlicher Gesittung, die sich am Euphrat
und Tigris und am Nil entwickelt haben, und die, großenteils
in starker Wechselwirkung, für die Kulturentwicklung aller übrigen
Völker und Gebiete des westlichen Vorderasiens maßgebend ge-.
wesen sind.

Doch ist auch der ferne Osten zu beachten, und zwar nicht bloß, weil
namentlich Indien und China in sehr alter Zeit von Vorderasien her beeinflußt
worden sind, sondern mehr noch, weil die Zustände und Verhältnisse der ur¬
alten Vorzeit, die wir uns am Nil und im Zweistromland künstlich und müh¬
selig wieder zu beleben suchen, in China vielfach noch jetzt bestehen. Eine
ununterbrochene Überlieferungskette verbindet dort, und dort allein noch, die uralte
Vergangenheit mit dem Heute, das bald genug ein Gestern geworden sein wird.


Der alte Grient und seine Beziehungen zum Mester

samen Zieles überließ; seine Nachfolger machten sich zwar unabhängig von den
Wünschen des Wiener Kabinetts, das Ergebnis ist jedoch weder für den einen
noch für den anderen Teil günstig. Möchten doch die Vorgänge auf dem
Balkan nicht das Vorspiel sein für das. was sich demnächst in Kleinasien ab¬
spielen wird." Man kann diesen Satz kaum anders verstehen, als daß Deutsch¬
land in Zukunft gut täte, die Bestimmung der gemeinsamen Ziele Deutschlands
und Österreich-Ungarns dem Wiener Kabinett zu überlassen! Gegen ein solches
Programm müssen wir doch, auch wenn es von einer so eminenten publizistischen
Seite kommt, den entschiedensten Protest einlegen. Der Dreibund ist für das
Deutsche Reich der Eckstein seiner politischen Stellung auf dem europäischen
Kontinent, und niemand wird seine Bedeutung in Vergangenheit oder Zukunft
unterschätzen wollen. Aber was unsere weltpolitischen Interessen betrifft, so
bildet der Dreibund für uns nur eine Rückendeckung und kein Instrument zur
Erreichung positiver Ziele; und die Bestimmung unserer weltpolitischen Ziele
werden wir uns, wie bisher, so auch sür die Zukunft selbst vorbehalten.




Der alte Grient und seine Beziehungen zum Westen
von <L, F. Lehmann-Haupt

Die folgenden Ausführungen sind mit Erlaubnis dem in den nächsten
Tagen im Verlage B. G. Teubner, Leipzig, erscheinenden Werke, „DaS
Jahr 1913, ein Gesamtbild der Kulturentwicklung" entnommen (zirka
5S0 Seiten Lexikon-Oktav, gebunden Is Mark), das die bleibenden und
wertvollen Ergebnisse des kulturellen Fortschrittes des Jahres auf allen
Gebieten zur Darstellung bringt.

eMmeer der Kultur des alten Orients verstehen wir in erster Linie
diejenigen Formen menschlicher Gesittung, die sich am Euphrat
und Tigris und am Nil entwickelt haben, und die, großenteils
in starker Wechselwirkung, für die Kulturentwicklung aller übrigen
Völker und Gebiete des westlichen Vorderasiens maßgebend ge-.
wesen sind.

Doch ist auch der ferne Osten zu beachten, und zwar nicht bloß, weil
namentlich Indien und China in sehr alter Zeit von Vorderasien her beeinflußt
worden sind, sondern mehr noch, weil die Zustände und Verhältnisse der ur¬
alten Vorzeit, die wir uns am Nil und im Zweistromland künstlich und müh¬
selig wieder zu beleben suchen, in China vielfach noch jetzt bestehen. Eine
ununterbrochene Überlieferungskette verbindet dort, und dort allein noch, die uralte
Vergangenheit mit dem Heute, das bald genug ein Gestern geworden sein wird.


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[0308] Der alte Grient und seine Beziehungen zum Mester samen Zieles überließ; seine Nachfolger machten sich zwar unabhängig von den Wünschen des Wiener Kabinetts, das Ergebnis ist jedoch weder für den einen noch für den anderen Teil günstig. Möchten doch die Vorgänge auf dem Balkan nicht das Vorspiel sein für das. was sich demnächst in Kleinasien ab¬ spielen wird." Man kann diesen Satz kaum anders verstehen, als daß Deutsch¬ land in Zukunft gut täte, die Bestimmung der gemeinsamen Ziele Deutschlands und Österreich-Ungarns dem Wiener Kabinett zu überlassen! Gegen ein solches Programm müssen wir doch, auch wenn es von einer so eminenten publizistischen Seite kommt, den entschiedensten Protest einlegen. Der Dreibund ist für das Deutsche Reich der Eckstein seiner politischen Stellung auf dem europäischen Kontinent, und niemand wird seine Bedeutung in Vergangenheit oder Zukunft unterschätzen wollen. Aber was unsere weltpolitischen Interessen betrifft, so bildet der Dreibund für uns nur eine Rückendeckung und kein Instrument zur Erreichung positiver Ziele; und die Bestimmung unserer weltpolitischen Ziele werden wir uns, wie bisher, so auch sür die Zukunft selbst vorbehalten. Der alte Grient und seine Beziehungen zum Westen von <L, F. Lehmann-Haupt Die folgenden Ausführungen sind mit Erlaubnis dem in den nächsten Tagen im Verlage B. G. Teubner, Leipzig, erscheinenden Werke, „DaS Jahr 1913, ein Gesamtbild der Kulturentwicklung" entnommen (zirka 5S0 Seiten Lexikon-Oktav, gebunden Is Mark), das die bleibenden und wertvollen Ergebnisse des kulturellen Fortschrittes des Jahres auf allen Gebieten zur Darstellung bringt. eMmeer der Kultur des alten Orients verstehen wir in erster Linie diejenigen Formen menschlicher Gesittung, die sich am Euphrat und Tigris und am Nil entwickelt haben, und die, großenteils in starker Wechselwirkung, für die Kulturentwicklung aller übrigen Völker und Gebiete des westlichen Vorderasiens maßgebend ge-. wesen sind. Doch ist auch der ferne Osten zu beachten, und zwar nicht bloß, weil namentlich Indien und China in sehr alter Zeit von Vorderasien her beeinflußt worden sind, sondern mehr noch, weil die Zustände und Verhältnisse der ur¬ alten Vorzeit, die wir uns am Nil und im Zweistromland künstlich und müh¬ selig wieder zu beleben suchen, in China vielfach noch jetzt bestehen. Eine ununterbrochene Überlieferungskette verbindet dort, und dort allein noch, die uralte Vergangenheit mit dem Heute, das bald genug ein Gestern geworden sein wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/308>, abgerufen am 28.04.2024.