Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Reichsspiegel
Nares den Arupp-Prozessen

Trotz Einsetzung zweier neuer Bundesfürsten war das Interesse des deutschen
Volkes während der letzten beiden Wochen nicht auf München oder Braunschweig
vereinigt, sondern auf eine Gerichtsverhandlung zu Berlin, die rein juristisch
betrachtet keine sehr aufregenden Vorkommnisse des bürgerlichen Lebens zum
Gegenstand hatte. Die Thronbesteigungen Ludwigs des Tritten und des Herzogs
Ernst August von Cumberland behielten vorwiegend lokales Kolorit, während
der Prozeß gegen zwei Beamte eines industriellen Privatunternehmens mitten
hinein gestellt ward in das Weltgetriebe. Dabei handelte es sich nicht einmal
um Millionen.

War es auch ein Werk des blinden Zufalls, daß die unter dem Kennwort
Krupp-Prozesse bekannten Vorgänge zusammen mit den Thronbesteigungen fielen,
so geschieht die Gegenüberstellung doch nicht willkürlich. Sie drängt sich uns auf,
weil diesen Vorgängen der Interessengegensatz zu Grunde liegt zwischen dem
in festen Überlieferungen wurzelnden monarchischen Staat und den Bedürfnissen
eines tatkräftigen, unbeschränkte.Bewegungsfreiheit heischenden Unternehmertums,
das keinerlei Grenzen für seine Machtbetätigung anerkennen will.

Im Mittelpunkt der ganzen Angelegenheit stand der Wunsch der Militär¬
behörde, den Staat aus seiner Abhängigkeit von dem größten deutschen Waffen¬
lieferanten zu befreien. Vorsichtige Heranziehung einer Konkurrenz mit bureau-
krntischen Mitteln, zu denen Erschwerung des Verkehrs und Verlangsamung be¬
stimmter Nachrichten gehörten, bezeichneten den Weg. Die Firma Krupp, die
dadurch mit einzelnen Artikeln auf dem inneren Markt ins Hintertreffen geriet,
suchte der Maßnahme der militärischen Bureaukratie durch eine feinere Aus¬
gestaltung ihres eigenen Nachrichtendienstes zu begegnen und hatte Erfolg:
wie sich herausgestellt hat. durch die Herstellung von Verbindungen zwischen
subalternen Organen, die wieder zu Bestechungen von mittleren Staatsbeamten
durch einen Beamten der Firma geführt haben.




Reichsspiegel
Nares den Arupp-Prozessen

Trotz Einsetzung zweier neuer Bundesfürsten war das Interesse des deutschen
Volkes während der letzten beiden Wochen nicht auf München oder Braunschweig
vereinigt, sondern auf eine Gerichtsverhandlung zu Berlin, die rein juristisch
betrachtet keine sehr aufregenden Vorkommnisse des bürgerlichen Lebens zum
Gegenstand hatte. Die Thronbesteigungen Ludwigs des Tritten und des Herzogs
Ernst August von Cumberland behielten vorwiegend lokales Kolorit, während
der Prozeß gegen zwei Beamte eines industriellen Privatunternehmens mitten
hinein gestellt ward in das Weltgetriebe. Dabei handelte es sich nicht einmal
um Millionen.

War es auch ein Werk des blinden Zufalls, daß die unter dem Kennwort
Krupp-Prozesse bekannten Vorgänge zusammen mit den Thronbesteigungen fielen,
so geschieht die Gegenüberstellung doch nicht willkürlich. Sie drängt sich uns auf,
weil diesen Vorgängen der Interessengegensatz zu Grunde liegt zwischen dem
in festen Überlieferungen wurzelnden monarchischen Staat und den Bedürfnissen
eines tatkräftigen, unbeschränkte.Bewegungsfreiheit heischenden Unternehmertums,
das keinerlei Grenzen für seine Machtbetätigung anerkennen will.

Im Mittelpunkt der ganzen Angelegenheit stand der Wunsch der Militär¬
behörde, den Staat aus seiner Abhängigkeit von dem größten deutschen Waffen¬
lieferanten zu befreien. Vorsichtige Heranziehung einer Konkurrenz mit bureau-
krntischen Mitteln, zu denen Erschwerung des Verkehrs und Verlangsamung be¬
stimmter Nachrichten gehörten, bezeichneten den Weg. Die Firma Krupp, die
dadurch mit einzelnen Artikeln auf dem inneren Markt ins Hintertreffen geriet,
suchte der Maßnahme der militärischen Bureaukratie durch eine feinere Aus¬
gestaltung ihres eigenen Nachrichtendienstes zu begegnen und hatte Erfolg:
wie sich herausgestellt hat. durch die Herstellung von Verbindungen zwischen
subalternen Organen, die wieder zu Bestechungen von mittleren Staatsbeamten
durch einen Beamten der Firma geführt haben.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0341" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327153"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341897_326811/figures/grenzboten_341897_326811_327153_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Reichsspiegel<lb/></head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Nares den Arupp-Prozessen</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1333"> Trotz Einsetzung zweier neuer Bundesfürsten war das Interesse des deutschen<lb/>
Volkes während der letzten beiden Wochen nicht auf München oder Braunschweig<lb/>
vereinigt, sondern auf eine Gerichtsverhandlung zu Berlin, die rein juristisch<lb/>
betrachtet keine sehr aufregenden Vorkommnisse des bürgerlichen Lebens zum<lb/>
Gegenstand hatte. Die Thronbesteigungen Ludwigs des Tritten und des Herzogs<lb/>
Ernst August von Cumberland behielten vorwiegend lokales Kolorit, während<lb/>
der Prozeß gegen zwei Beamte eines industriellen Privatunternehmens mitten<lb/>
hinein gestellt ward in das Weltgetriebe. Dabei handelte es sich nicht einmal<lb/>
um Millionen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1334"> War es auch ein Werk des blinden Zufalls, daß die unter dem Kennwort<lb/>
Krupp-Prozesse bekannten Vorgänge zusammen mit den Thronbesteigungen fielen,<lb/>
so geschieht die Gegenüberstellung doch nicht willkürlich. Sie drängt sich uns auf,<lb/>
weil diesen Vorgängen der Interessengegensatz zu Grunde liegt zwischen dem<lb/>
in festen Überlieferungen wurzelnden monarchischen Staat und den Bedürfnissen<lb/>
eines tatkräftigen, unbeschränkte.Bewegungsfreiheit heischenden Unternehmertums,<lb/>
das keinerlei Grenzen für seine Machtbetätigung anerkennen will.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1335"> Im Mittelpunkt der ganzen Angelegenheit stand der Wunsch der Militär¬<lb/>
behörde, den Staat aus seiner Abhängigkeit von dem größten deutschen Waffen¬<lb/>
lieferanten zu befreien. Vorsichtige Heranziehung einer Konkurrenz mit bureau-<lb/>
krntischen Mitteln, zu denen Erschwerung des Verkehrs und Verlangsamung be¬<lb/>
stimmter Nachrichten gehörten, bezeichneten den Weg. Die Firma Krupp, die<lb/>
dadurch mit einzelnen Artikeln auf dem inneren Markt ins Hintertreffen geriet,<lb/>
suchte der Maßnahme der militärischen Bureaukratie durch eine feinere Aus¬<lb/>
gestaltung ihres eigenen Nachrichtendienstes zu begegnen und hatte Erfolg:<lb/>
wie sich herausgestellt hat. durch die Herstellung von Verbindungen zwischen<lb/>
subalternen Organen, die wieder zu Bestechungen von mittleren Staatsbeamten<lb/>
durch einen Beamten der Firma geführt haben.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0341] [Abbildung] Reichsspiegel Nares den Arupp-Prozessen Trotz Einsetzung zweier neuer Bundesfürsten war das Interesse des deutschen Volkes während der letzten beiden Wochen nicht auf München oder Braunschweig vereinigt, sondern auf eine Gerichtsverhandlung zu Berlin, die rein juristisch betrachtet keine sehr aufregenden Vorkommnisse des bürgerlichen Lebens zum Gegenstand hatte. Die Thronbesteigungen Ludwigs des Tritten und des Herzogs Ernst August von Cumberland behielten vorwiegend lokales Kolorit, während der Prozeß gegen zwei Beamte eines industriellen Privatunternehmens mitten hinein gestellt ward in das Weltgetriebe. Dabei handelte es sich nicht einmal um Millionen. War es auch ein Werk des blinden Zufalls, daß die unter dem Kennwort Krupp-Prozesse bekannten Vorgänge zusammen mit den Thronbesteigungen fielen, so geschieht die Gegenüberstellung doch nicht willkürlich. Sie drängt sich uns auf, weil diesen Vorgängen der Interessengegensatz zu Grunde liegt zwischen dem in festen Überlieferungen wurzelnden monarchischen Staat und den Bedürfnissen eines tatkräftigen, unbeschränkte.Bewegungsfreiheit heischenden Unternehmertums, das keinerlei Grenzen für seine Machtbetätigung anerkennen will. Im Mittelpunkt der ganzen Angelegenheit stand der Wunsch der Militär¬ behörde, den Staat aus seiner Abhängigkeit von dem größten deutschen Waffen¬ lieferanten zu befreien. Vorsichtige Heranziehung einer Konkurrenz mit bureau- krntischen Mitteln, zu denen Erschwerung des Verkehrs und Verlangsamung be¬ stimmter Nachrichten gehörten, bezeichneten den Weg. Die Firma Krupp, die dadurch mit einzelnen Artikeln auf dem inneren Markt ins Hintertreffen geriet, suchte der Maßnahme der militärischen Bureaukratie durch eine feinere Aus¬ gestaltung ihres eigenen Nachrichtendienstes zu begegnen und hatte Erfolg: wie sich herausgestellt hat. durch die Herstellung von Verbindungen zwischen subalternen Organen, die wieder zu Bestechungen von mittleren Staatsbeamten durch einen Beamten der Firma geführt haben.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/341
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/341>, abgerufen am 27.04.2024.