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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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R^'ichsspi^c!

Die Angelegenheit hätte nicht so großes Aufsehen erregt, wenn sie nicht
von vornherein in die Hände des Sozialdemokraten Liebknecht gelangt wäre.
Freilich ist sie dann durch die Stellungnahme des früheren Kriegs Ministers und
eine Erklärung des Generaldirektors der Firma Krupp, in der er die Verant¬
wortung des Direktoriums ablehnte, weiter verfahren worven. In der öffent¬
lichen Behandlung der Anklage ist es über diesen Punkt zu einem Zusammen¬
stoß zwischen Herrn Hugenberg und dem Oberstaatsanwalt gekommen. Herr
Hugeuberg erschien uns mit seinen Ausführungen als der Vertreter des jüngeren
modernen, der Oberstaatsanwalt als Vertreter des älteren Prinzips.

Nachdem das Direktorium oder die unpersönliche Firma nicht zur Rechen¬
schaft gezogen werden konnte, entspricht das am Sonnabend nach dreizehntägiger
Verhandlung gefällte Urteil dein allgemeinen Rechtsempfinden auch in seiner
versöhnlichen Note. Allseitige Zustimmung hat es ausgelöst, daß die Gesetzes¬
vorschriften es nicht notwendig machten, den Direktor Ennius nach dem Antrage
des Staatsanwalts zu bestrafen. Ennius, ein von seinen Freunden und Mit¬
arbeitern hochgeschätzter, von vielen seiner Bekannten verehrter Mann, ist ein
Opfer seines Berufs geworden. Er hat gefehlt durch konsequente und hin¬
gebende Erfüllung seiner Pflicht. Einen Freispruch durste er nicht erwarten,
wollte nicht das Gericht vor den Ansprüchen des Unternehmertums glatt kapi¬
tulieren. Sache des Direktoriums wird es sein, die Organisation der Firma
Krupp wieder auf ein Niveau zu heben, das dem Ansehen der Firma ent¬
spricht und bei dem die Gefährdung eines seiner Mitglieder unmöglich wird.

Politisch ist die Angelegenheit noch nicht abgeschlossen. Für ihre parlamen"
karische Behandlung haben die sogenannten Krupp-Prozesse lediglich das Material
vorbereitet und so werden wir wohl auch noch öfter Gelegenheit haben, uns
mit dem Interessengegensatz zu beschäftigen, der auch bei dieser Gelegenheit
zwischen dem Unternehmertum und den Anfordcrnissen des Staates hervor¬
getreten ist. Kapitalmacht darf das Verantwortungsgefühl gegen den Staat
und die weitere Allgemeinheit nicht abstumpfen. (Vgl. auch Heft 19 und 33
G, Li, der Grenzboten.)




R^'ichsspi^c!

Die Angelegenheit hätte nicht so großes Aufsehen erregt, wenn sie nicht
von vornherein in die Hände des Sozialdemokraten Liebknecht gelangt wäre.
Freilich ist sie dann durch die Stellungnahme des früheren Kriegs Ministers und
eine Erklärung des Generaldirektors der Firma Krupp, in der er die Verant¬
wortung des Direktoriums ablehnte, weiter verfahren worven. In der öffent¬
lichen Behandlung der Anklage ist es über diesen Punkt zu einem Zusammen¬
stoß zwischen Herrn Hugenberg und dem Oberstaatsanwalt gekommen. Herr
Hugeuberg erschien uns mit seinen Ausführungen als der Vertreter des jüngeren
modernen, der Oberstaatsanwalt als Vertreter des älteren Prinzips.

Nachdem das Direktorium oder die unpersönliche Firma nicht zur Rechen¬
schaft gezogen werden konnte, entspricht das am Sonnabend nach dreizehntägiger
Verhandlung gefällte Urteil dein allgemeinen Rechtsempfinden auch in seiner
versöhnlichen Note. Allseitige Zustimmung hat es ausgelöst, daß die Gesetzes¬
vorschriften es nicht notwendig machten, den Direktor Ennius nach dem Antrage
des Staatsanwalts zu bestrafen. Ennius, ein von seinen Freunden und Mit¬
arbeitern hochgeschätzter, von vielen seiner Bekannten verehrter Mann, ist ein
Opfer seines Berufs geworden. Er hat gefehlt durch konsequente und hin¬
gebende Erfüllung seiner Pflicht. Einen Freispruch durste er nicht erwarten,
wollte nicht das Gericht vor den Ansprüchen des Unternehmertums glatt kapi¬
tulieren. Sache des Direktoriums wird es sein, die Organisation der Firma
Krupp wieder auf ein Niveau zu heben, das dem Ansehen der Firma ent¬
spricht und bei dem die Gefährdung eines seiner Mitglieder unmöglich wird.

Politisch ist die Angelegenheit noch nicht abgeschlossen. Für ihre parlamen"
karische Behandlung haben die sogenannten Krupp-Prozesse lediglich das Material
vorbereitet und so werden wir wohl auch noch öfter Gelegenheit haben, uns
mit dem Interessengegensatz zu beschäftigen, der auch bei dieser Gelegenheit
zwischen dem Unternehmertum und den Anfordcrnissen des Staates hervor¬
getreten ist. Kapitalmacht darf das Verantwortungsgefühl gegen den Staat
und die weitere Allgemeinheit nicht abstumpfen. (Vgl. auch Heft 19 und 33
G, Li, der Grenzboten.)




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[0342] R^'ichsspi^c! Die Angelegenheit hätte nicht so großes Aufsehen erregt, wenn sie nicht von vornherein in die Hände des Sozialdemokraten Liebknecht gelangt wäre. Freilich ist sie dann durch die Stellungnahme des früheren Kriegs Ministers und eine Erklärung des Generaldirektors der Firma Krupp, in der er die Verant¬ wortung des Direktoriums ablehnte, weiter verfahren worven. In der öffent¬ lichen Behandlung der Anklage ist es über diesen Punkt zu einem Zusammen¬ stoß zwischen Herrn Hugenberg und dem Oberstaatsanwalt gekommen. Herr Hugeuberg erschien uns mit seinen Ausführungen als der Vertreter des jüngeren modernen, der Oberstaatsanwalt als Vertreter des älteren Prinzips. Nachdem das Direktorium oder die unpersönliche Firma nicht zur Rechen¬ schaft gezogen werden konnte, entspricht das am Sonnabend nach dreizehntägiger Verhandlung gefällte Urteil dein allgemeinen Rechtsempfinden auch in seiner versöhnlichen Note. Allseitige Zustimmung hat es ausgelöst, daß die Gesetzes¬ vorschriften es nicht notwendig machten, den Direktor Ennius nach dem Antrage des Staatsanwalts zu bestrafen. Ennius, ein von seinen Freunden und Mit¬ arbeitern hochgeschätzter, von vielen seiner Bekannten verehrter Mann, ist ein Opfer seines Berufs geworden. Er hat gefehlt durch konsequente und hin¬ gebende Erfüllung seiner Pflicht. Einen Freispruch durste er nicht erwarten, wollte nicht das Gericht vor den Ansprüchen des Unternehmertums glatt kapi¬ tulieren. Sache des Direktoriums wird es sein, die Organisation der Firma Krupp wieder auf ein Niveau zu heben, das dem Ansehen der Firma ent¬ spricht und bei dem die Gefährdung eines seiner Mitglieder unmöglich wird. Politisch ist die Angelegenheit noch nicht abgeschlossen. Für ihre parlamen" karische Behandlung haben die sogenannten Krupp-Prozesse lediglich das Material vorbereitet und so werden wir wohl auch noch öfter Gelegenheit haben, uns mit dem Interessengegensatz zu beschäftigen, der auch bei dieser Gelegenheit zwischen dem Unternehmertum und den Anfordcrnissen des Staates hervor¬ getreten ist. Kapitalmacht darf das Verantwortungsgefühl gegen den Staat und die weitere Allgemeinheit nicht abstumpfen. (Vgl. auch Heft 19 und 33 G, Li, der Grenzboten.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/342>, abgerufen am 11.05.2024.