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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Schöne Literatur

Wie der Franzose Chcmnsso, so ist auch
der Norweger Hrnrich Steffens völlig ein
Deutscher geworden. In Jena schloß sich
Steffens als junger Student mit Begeisterung
den Bannerträgern der Romantik an; seine
Naturphilosophie wurde stark von den Ideen
der Schlegel, Tieck, Novalis abhängig. Seit
1798 lebte er, wie er selbst sich einmal aus¬
drückte, "innerlich in, mit und für Deutsch¬
land." So war er auch ein eifriger Patriot
geworden, der nach Kräften an der Wieder-
erstarkungseineszweiten Heimatlandes Preußen
mitarbeitete. Als es endlich zu handeln galt,
stellte er sich mit anderen tüchtigen Män¬
nern an die Spitze der Jugend. Vnrsichtiger-
weise war 1813 in dem Aufrufe des Königs
zur freiwilligen Bewaffnung der Feind nicht
genannt. Da wagte es Steffens, der Pro¬
fessor in Breslau war, in einem angekün¬
digten Vortrage vor vielen Zuhörern den
Krieg gegen Frankreich zu proklamieren und
sich selbst zum Freiwilligen zu erklären. Mit
zündenden Worten und mächtigem Erfolge
begeisterte er die Studenten zum Befreiungs¬
kriege.

Wenn ein Mann, der so die vaterländische
Bewegung angeleitet und während seines
langen Lebens in engem Verkehr mit den
Besten seiner Zeit gestanden hat, schildert
"was er erlebte," dann dürfen wir annehmen,
daß er uns Wichtiges und Interessantes zu
berichten weiß. Und das ist in der Tat der
Fall. Steffens Selbstbiographie "Was ich
erlebte" ist längst als eins der wertvollsten

[Spaltenumbruch]

Quellenwerke für die Zeit von etwa 179V
bis 1840 anerkannt. Häufig freilich geht seine
Erzählung gar zu sehr ins Breite und Einzelne.
Es war daher ein glücklicher Gedanke, un¬
wesentliche und weitschweifige Stellen zu
streichet: und das Buch in dieser verkürzten
Fassung neu zu drucken. Soweit ich in dem
des Jubiläumsjcchres wegen zuerst ausge¬
gebenen zweiten Bande, der die Jahre der
Knechtschaft und Freiheit 1802 bis 1314 be¬
handelt, in Stichproben feststellen konnte, ist
jene Aufgabe von Frau Dr. Th. Landsberg
geschickt gelöst.

Der Verlag Fritz Eckardt in Leipzig, in
dessen Serie "Blaue Eckardt-Bücher" das
Werk in drei Bänden erscheint, hat das Buch
mit achtzehn gut reproduzierten Bildern und
zwei Kartenskizzen bereichert. (Preis nur 3 M.)
Zu loben ist noch das sehr gut gearbeitete und
brauchbare Register.

Dichter-Kalender und B erlags-Almanache.
Wie alljährlich, so sind auch in diesem Herbst
eine Reihe von Büchern erschienen, die in der
Art und unter dein Namen eines Kalenders
einem bestimmten Dichter gewidmet sind und
für diesen um neues Interesse und neue Liebe
werben. Daß dabei die gewaltigen Ereignisse
vor hundert Jahren mit diesen Dichtern in
Beziehung gebracht werden, ist leicht erklär¬
lich. In der Erwägung, daß "in diesen er¬
innerungsfrohen Zeiten auch Weimar allen
Grund hat, den siegreichen Verlauf der Frei¬
heitskriege, die Rückkehr des Herzogs Carl
August ans dem Feldzuge von 1815 und die

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Schöne Literatur

Wie der Franzose Chcmnsso, so ist auch
der Norweger Hrnrich Steffens völlig ein
Deutscher geworden. In Jena schloß sich
Steffens als junger Student mit Begeisterung
den Bannerträgern der Romantik an; seine
Naturphilosophie wurde stark von den Ideen
der Schlegel, Tieck, Novalis abhängig. Seit
1798 lebte er, wie er selbst sich einmal aus¬
drückte, „innerlich in, mit und für Deutsch¬
land." So war er auch ein eifriger Patriot
geworden, der nach Kräften an der Wieder-
erstarkungseineszweiten Heimatlandes Preußen
mitarbeitete. Als es endlich zu handeln galt,
stellte er sich mit anderen tüchtigen Män¬
nern an die Spitze der Jugend. Vnrsichtiger-
weise war 1813 in dem Aufrufe des Königs
zur freiwilligen Bewaffnung der Feind nicht
genannt. Da wagte es Steffens, der Pro¬
fessor in Breslau war, in einem angekün¬
digten Vortrage vor vielen Zuhörern den
Krieg gegen Frankreich zu proklamieren und
sich selbst zum Freiwilligen zu erklären. Mit
zündenden Worten und mächtigem Erfolge
begeisterte er die Studenten zum Befreiungs¬
kriege.

Wenn ein Mann, der so die vaterländische
Bewegung angeleitet und während seines
langen Lebens in engem Verkehr mit den
Besten seiner Zeit gestanden hat, schildert
„was er erlebte," dann dürfen wir annehmen,
daß er uns Wichtiges und Interessantes zu
berichten weiß. Und das ist in der Tat der
Fall. Steffens Selbstbiographie „Was ich
erlebte" ist längst als eins der wertvollsten

[Spaltenumbruch]

Quellenwerke für die Zeit von etwa 179V
bis 1840 anerkannt. Häufig freilich geht seine
Erzählung gar zu sehr ins Breite und Einzelne.
Es war daher ein glücklicher Gedanke, un¬
wesentliche und weitschweifige Stellen zu
streichet: und das Buch in dieser verkürzten
Fassung neu zu drucken. Soweit ich in dem
des Jubiläumsjcchres wegen zuerst ausge¬
gebenen zweiten Bande, der die Jahre der
Knechtschaft und Freiheit 1802 bis 1314 be¬
handelt, in Stichproben feststellen konnte, ist
jene Aufgabe von Frau Dr. Th. Landsberg
geschickt gelöst.

Der Verlag Fritz Eckardt in Leipzig, in
dessen Serie „Blaue Eckardt-Bücher" das
Werk in drei Bänden erscheint, hat das Buch
mit achtzehn gut reproduzierten Bildern und
zwei Kartenskizzen bereichert. (Preis nur 3 M.)
Zu loben ist noch das sehr gut gearbeitete und
brauchbare Register.

Dichter-Kalender und B erlags-Almanache.
Wie alljährlich, so sind auch in diesem Herbst
eine Reihe von Büchern erschienen, die in der
Art und unter dein Namen eines Kalenders
einem bestimmten Dichter gewidmet sind und
für diesen um neues Interesse und neue Liebe
werben. Daß dabei die gewaltigen Ereignisse
vor hundert Jahren mit diesen Dichtern in
Beziehung gebracht werden, ist leicht erklär¬
lich. In der Erwägung, daß „in diesen er¬
innerungsfrohen Zeiten auch Weimar allen
Grund hat, den siegreichen Verlauf der Frei¬
heitskriege, die Rückkehr des Herzogs Carl
August ans dem Feldzuge von 1815 und die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/393>, abgerufen am 28.04.2024.