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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Das französische Lisenbahnsystem in seiner Bedeutung
für den Jukunftskrieg von General der Infanterie z, D. v. Briefen

er Feldmarschall Moltke sagt in seinem berühmten Memoire vom
Jahre 1868 über den Kriegsplan gegen Frankreich: "Fehler in
der ursprünglichen Versammlung der Heere sind im ganzen Ver¬
laufe der Feldzüge kaum wieder gut zu machen!"

Da die ursprüngliche Versammlung, das heißt der strategische
Aufmarsch der Heere heute fast ausschließlich mittels der Eisenbahnen geschieht,
so leuchtet es ein. welch hohe Bedeutung für den ganzen Verlauf eines Feld¬
zuges die Ausgestaltung und die Leistungsfähigkeit des Eisenbahnnetzes eines
Staates haben muß, um so mehr noch, als auch während des Verlaufes der
Feldzüge, also bei den Operationen der Heere, die Eisenbahnen eine nicht minder
hohe Bedeutung gewinnen, nicht sowohl zur Heranführung der Kriegsbedürfnisse
für die Armeen, als auch für die Verschiebung großer Truppenmassen von einem
Kriegsschauplatz nach den: andern. Wir brauchen uns nur an den Transport
der französischen Ostarmee unter Bourbaki von Lyon bzw. Bourges-Revers
nach dem Doubs im Dezember bis Januar 1870/1871 zu erinnern.

Welchen gewaltigen Aufschwung aber das gesamte Kriegswesen Frankreichs
seit dem Frankfurter Frieden genommen hat, das beweist in hervorragendem
Maße auch die Entwicklung des französischen Eisenbahnwesens in den letzten
vierzig Jahren.

Eingedenk der Lehre ihres großen Staatsmannes Thiers, welche er ihnen
nach dem unglücklichen Kriege mit den Worten mitteilte: "II coule trop
et'fere kaible" haben die französischen Eisenbahngesellschaften viele Milliarden
ausgeworfen, um das Eisenbahnsystem Frankreichs für die strategischen Zwecke
der Armee, besonders für den Revanchekrieg gegen Deutschland nach Möglichkeit
auszugestalten.

Wie in allen Zweigen der Heeresorganisation und Kriegsvorbereitung, so
ist auch in bezug auf das Eisenbahnwesen geradezu Großartiges geleistet worden.

Bei Beginn des Feldzuges 1870 standen der französischen Heeresleitung
für den strategischen Aufmarsch der Armee in der Linie Metz--Straßburg nur
vier durchgehende Eisenbahnlinien zur Verfügung, von welchen nur eine, die
große Linie Paris--Ranco--Straßburg zweigleisig war, während sie jetzt über




Das französische Lisenbahnsystem in seiner Bedeutung
für den Jukunftskrieg von General der Infanterie z, D. v. Briefen

er Feldmarschall Moltke sagt in seinem berühmten Memoire vom
Jahre 1868 über den Kriegsplan gegen Frankreich: „Fehler in
der ursprünglichen Versammlung der Heere sind im ganzen Ver¬
laufe der Feldzüge kaum wieder gut zu machen!"

Da die ursprüngliche Versammlung, das heißt der strategische
Aufmarsch der Heere heute fast ausschließlich mittels der Eisenbahnen geschieht,
so leuchtet es ein. welch hohe Bedeutung für den ganzen Verlauf eines Feld¬
zuges die Ausgestaltung und die Leistungsfähigkeit des Eisenbahnnetzes eines
Staates haben muß, um so mehr noch, als auch während des Verlaufes der
Feldzüge, also bei den Operationen der Heere, die Eisenbahnen eine nicht minder
hohe Bedeutung gewinnen, nicht sowohl zur Heranführung der Kriegsbedürfnisse
für die Armeen, als auch für die Verschiebung großer Truppenmassen von einem
Kriegsschauplatz nach den: andern. Wir brauchen uns nur an den Transport
der französischen Ostarmee unter Bourbaki von Lyon bzw. Bourges-Revers
nach dem Doubs im Dezember bis Januar 1870/1871 zu erinnern.

Welchen gewaltigen Aufschwung aber das gesamte Kriegswesen Frankreichs
seit dem Frankfurter Frieden genommen hat, das beweist in hervorragendem
Maße auch die Entwicklung des französischen Eisenbahnwesens in den letzten
vierzig Jahren.

Eingedenk der Lehre ihres großen Staatsmannes Thiers, welche er ihnen
nach dem unglücklichen Kriege mit den Worten mitteilte: „II coule trop
et'fere kaible" haben die französischen Eisenbahngesellschaften viele Milliarden
ausgeworfen, um das Eisenbahnsystem Frankreichs für die strategischen Zwecke
der Armee, besonders für den Revanchekrieg gegen Deutschland nach Möglichkeit
auszugestalten.

Wie in allen Zweigen der Heeresorganisation und Kriegsvorbereitung, so
ist auch in bezug auf das Eisenbahnwesen geradezu Großartiges geleistet worden.

Bei Beginn des Feldzuges 1870 standen der französischen Heeresleitung
für den strategischen Aufmarsch der Armee in der Linie Metz—Straßburg nur
vier durchgehende Eisenbahnlinien zur Verfügung, von welchen nur eine, die
große Linie Paris—Ranco—Straßburg zweigleisig war, während sie jetzt über


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[0568] [Abbildung] Das französische Lisenbahnsystem in seiner Bedeutung für den Jukunftskrieg von General der Infanterie z, D. v. Briefen er Feldmarschall Moltke sagt in seinem berühmten Memoire vom Jahre 1868 über den Kriegsplan gegen Frankreich: „Fehler in der ursprünglichen Versammlung der Heere sind im ganzen Ver¬ laufe der Feldzüge kaum wieder gut zu machen!" Da die ursprüngliche Versammlung, das heißt der strategische Aufmarsch der Heere heute fast ausschließlich mittels der Eisenbahnen geschieht, so leuchtet es ein. welch hohe Bedeutung für den ganzen Verlauf eines Feld¬ zuges die Ausgestaltung und die Leistungsfähigkeit des Eisenbahnnetzes eines Staates haben muß, um so mehr noch, als auch während des Verlaufes der Feldzüge, also bei den Operationen der Heere, die Eisenbahnen eine nicht minder hohe Bedeutung gewinnen, nicht sowohl zur Heranführung der Kriegsbedürfnisse für die Armeen, als auch für die Verschiebung großer Truppenmassen von einem Kriegsschauplatz nach den: andern. Wir brauchen uns nur an den Transport der französischen Ostarmee unter Bourbaki von Lyon bzw. Bourges-Revers nach dem Doubs im Dezember bis Januar 1870/1871 zu erinnern. Welchen gewaltigen Aufschwung aber das gesamte Kriegswesen Frankreichs seit dem Frankfurter Frieden genommen hat, das beweist in hervorragendem Maße auch die Entwicklung des französischen Eisenbahnwesens in den letzten vierzig Jahren. Eingedenk der Lehre ihres großen Staatsmannes Thiers, welche er ihnen nach dem unglücklichen Kriege mit den Worten mitteilte: „II coule trop et'fere kaible" haben die französischen Eisenbahngesellschaften viele Milliarden ausgeworfen, um das Eisenbahnsystem Frankreichs für die strategischen Zwecke der Armee, besonders für den Revanchekrieg gegen Deutschland nach Möglichkeit auszugestalten. Wie in allen Zweigen der Heeresorganisation und Kriegsvorbereitung, so ist auch in bezug auf das Eisenbahnwesen geradezu Großartiges geleistet worden. Bei Beginn des Feldzuges 1870 standen der französischen Heeresleitung für den strategischen Aufmarsch der Armee in der Linie Metz—Straßburg nur vier durchgehende Eisenbahnlinien zur Verfügung, von welchen nur eine, die große Linie Paris—Ranco—Straßburg zweigleisig war, während sie jetzt über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/568>, abgerufen am 28.04.2024.