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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Jenseit, wo wir dann doch unseren
Willen bekommen, dafür, daß wir Gott
in dieser mühseligen Zeitlichkeit den seinen
gelassen haben, ist für Fichte offenbare
Unmoralität und wahrhafte Lästerung, -- der
entscheidendste Beweis, den Menschen für das
Dasein Gottes finden können, ist ein gött¬
licher Wandel. Die Konsequenz dieses ins
innerliche gewendeten Denkens offenbart sich
denn auch in den einzelnen Proben über den
Vorsehungsglauben, über religiöse Phantast",
die mit der Liebe nur spielt, ohne wahr zu
sein, -- auch hier eine Furtsetzung des Nathcm-
wnrtes vom Gegensatze des andächtigen
Schwiirmens zum guten Handeln, -- ferner in
Gedanken über Unsterblichkeit, über das Mi߬
verhältnis der individuellen Schranken, die der
Staat setzt, zu der unendlichen Liebe, die in der
Forderung gipfelt, daß die Religion nie die
Zwangsanstalt des Staates für ihre Zwecke in
Anspruch nehmen soll, und daß sie doch für die
Vervollkommnung des Staates zur absoluten
Gleichheit ein Positives Moment ist. -- Fichte
zu lesen ist nicht leicht; die Methode seines
Denkens, die Mannigfaltigkeit aus eineni
Prinzip herzuleiten, bedingt einen Stil, auf
dessen Schematismus Goethes Vergleich vom
Webemeisterstück gemünzt zu sein scheint; und
doch entbehrt er einer eigentümlichen Plastik
nicht, deren Ursprünge in der übersinnlichen
Bildkraft der mittelalterlichen Mystik liegen,
die der spekulativen Philosophie die Be-
n"sse geschenkt hat, wie die Bibel unseren
Klassikern die Anschaulichkeit; wenn er aber
gar von der Apathie als einer "unverschämten"
Weltanschauung spricht, so ist es, als ob Po-,
saunenstöße des jüngsten Gerichts uns mahnen'
mitzuhelfen, um die religiösen Kräfte der
deutschen Ver gangenheit wiederzuerwecken
und zum Kampfe für die Wiederbelebung
Protestantischen Lebens mobil zu machen. --
Seit diese Zeilen geschrieben wurden, hatte
sich der Geist Fichtes in ungeahnter Weise in
unserm Volke wirksam gezeigt; um so mehr
wünschen wir diesem Büchlein Verbreitung.'

Wilhelm Lohn
Politik
Ein unlicachtctes Dokument zur Ge¬
schichte des deutsch-französische" Krieges
[Spaltenumbruch]

In Ur. 3S der Grenzboten bringt
Herr Geheimrat Stölzel sehr zeitgemäß das
ebenso lehrreiche wie unterhaltsame Buch "l.s
Zranäs Nation" in Erinnerung, das Adam
Pfaff in Kassel 1870/71 erscheinen ließ. Es
ist in der Tat eine überreiche Fundgrube von
Belegen dafür, wie sich das französische Volk
schon vor vierundvierzig Jahren der Selbst¬
täuschung in einer uns nüchterneren Deutschen
völlig unverständlichen Weise befleißigte. Ein
weiteres höchst lehrreiches Zeugnis dafür ist
ein Schreiben der Bevölkerung von Autun
und Umgegend, das sie im August 1370 an
ihren berühmten Landsmann, den Marschnll
Mac-Mensor, richtete, und das in den nächsten
Tagen in Facsimile erscheinen wird"). Der
Brief ist auf dem Schlachtfelde gefunden
worden und befindet sich jetzt im Besitz des
Geheimen Medizinalrates Prof. Dr. Fr. Ahl¬
feld in Marburg a. Lahn. Der Wortlaut ist
folgender:

1870/71.

^ Monsieur le ^IsreLbal alö jVise-Mstiun,
eine als HlsZents.
Nsreetisl,

I^a Trance vous SLelams, I'lZurope vous
scimire! Ksicbsbokkenl L'est IÄ, oui, c'sse
IÄ c>ne vous avs? etonne le nouae par le
plus brillant exemple cle toutes ich vertus
Auerrieres: science miliwire qui clevra
klar ps,r fixer Ä son Zrs la victoire;
intrepiclite inclomptable c>ni t'sit clef srmees
<lo Keros; alle sloczuence ami söll iuspirer
les plus sublimes cievouements.

Jbissen Ich mehres ac I'^utunois meler
leurs voix su coneert urmnims als lousnZes
qui vous srrivs ac toutes parts; laisse?
Ich proclamer, clef sujourci'hui, plus Kant
que tous, la Zloire c>ni vous allemal nisus
les siecles Ä venir. Oeksnclue psr cle tels
nommes, oui, w Trance äoit vaincre; Zloire
a vous! Oloiis a Is l^rsnoel

Es folgen 19^/z Folioseiten, bedeckt mit
Na mensunterschriften.

[Ende Spaltensatz]
*) Der deutsch-französische Krieg 1870/71,
aus Urkunden, Briefen, Tagebüchern und
nachträglichen Aufzeichnungen von Augen¬
zeugen beider Parteien dargestellt. Berlin-
Wilmersdorf, Hermann Packeis Verlag, G.
in. b. H. 2 Bände. 4. illustrierte Auflage.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Jenseit, wo wir dann doch unseren
Willen bekommen, dafür, daß wir Gott
in dieser mühseligen Zeitlichkeit den seinen
gelassen haben, ist für Fichte offenbare
Unmoralität und wahrhafte Lästerung, — der
entscheidendste Beweis, den Menschen für das
Dasein Gottes finden können, ist ein gött¬
licher Wandel. Die Konsequenz dieses ins
innerliche gewendeten Denkens offenbart sich
denn auch in den einzelnen Proben über den
Vorsehungsglauben, über religiöse Phantast»,
die mit der Liebe nur spielt, ohne wahr zu
sein, — auch hier eine Furtsetzung des Nathcm-
wnrtes vom Gegensatze des andächtigen
Schwiirmens zum guten Handeln, — ferner in
Gedanken über Unsterblichkeit, über das Mi߬
verhältnis der individuellen Schranken, die der
Staat setzt, zu der unendlichen Liebe, die in der
Forderung gipfelt, daß die Religion nie die
Zwangsanstalt des Staates für ihre Zwecke in
Anspruch nehmen soll, und daß sie doch für die
Vervollkommnung des Staates zur absoluten
Gleichheit ein Positives Moment ist. — Fichte
zu lesen ist nicht leicht; die Methode seines
Denkens, die Mannigfaltigkeit aus eineni
Prinzip herzuleiten, bedingt einen Stil, auf
dessen Schematismus Goethes Vergleich vom
Webemeisterstück gemünzt zu sein scheint; und
doch entbehrt er einer eigentümlichen Plastik
nicht, deren Ursprünge in der übersinnlichen
Bildkraft der mittelalterlichen Mystik liegen,
die der spekulativen Philosophie die Be-
n"sse geschenkt hat, wie die Bibel unseren
Klassikern die Anschaulichkeit; wenn er aber
gar von der Apathie als einer „unverschämten"
Weltanschauung spricht, so ist es, als ob Po-,
saunenstöße des jüngsten Gerichts uns mahnen'
mitzuhelfen, um die religiösen Kräfte der
deutschen Ver gangenheit wiederzuerwecken
und zum Kampfe für die Wiederbelebung
Protestantischen Lebens mobil zu machen. —
Seit diese Zeilen geschrieben wurden, hatte
sich der Geist Fichtes in ungeahnter Weise in
unserm Volke wirksam gezeigt; um so mehr
wünschen wir diesem Büchlein Verbreitung.'

Wilhelm Lohn
Politik
Ein unlicachtctes Dokument zur Ge¬
schichte des deutsch-französische» Krieges
[Spaltenumbruch]

In Ur. 3S der Grenzboten bringt
Herr Geheimrat Stölzel sehr zeitgemäß das
ebenso lehrreiche wie unterhaltsame Buch „l.s
Zranäs Nation" in Erinnerung, das Adam
Pfaff in Kassel 1870/71 erscheinen ließ. Es
ist in der Tat eine überreiche Fundgrube von
Belegen dafür, wie sich das französische Volk
schon vor vierundvierzig Jahren der Selbst¬
täuschung in einer uns nüchterneren Deutschen
völlig unverständlichen Weise befleißigte. Ein
weiteres höchst lehrreiches Zeugnis dafür ist
ein Schreiben der Bevölkerung von Autun
und Umgegend, das sie im August 1370 an
ihren berühmten Landsmann, den Marschnll
Mac-Mensor, richtete, und das in den nächsten
Tagen in Facsimile erscheinen wird"). Der
Brief ist auf dem Schlachtfelde gefunden
worden und befindet sich jetzt im Besitz des
Geheimen Medizinalrates Prof. Dr. Fr. Ahl¬
feld in Marburg a. Lahn. Der Wortlaut ist
folgender:

1870/71.

^ Monsieur le ^IsreLbal alö jVise-Mstiun,
eine als HlsZents.
Nsreetisl,

I^a Trance vous SLelams, I'lZurope vous
scimire! Ksicbsbokkenl L'est IÄ, oui, c'sse
IÄ c>ne vous avs? etonne le nouae par le
plus brillant exemple cle toutes ich vertus
Auerrieres: science miliwire qui clevra
klar ps,r fixer Ä son Zrs la victoire;
intrepiclite inclomptable c>ni t'sit clef srmees
<lo Keros; alle sloczuence ami söll iuspirer
les plus sublimes cievouements.

Jbissen Ich mehres ac I'^utunois meler
leurs voix su coneert urmnims als lousnZes
qui vous srrivs ac toutes parts; laisse?
Ich proclamer, clef sujourci'hui, plus Kant
que tous, la Zloire c>ni vous allemal nisus
les siecles Ä venir. Oeksnclue psr cle tels
nommes, oui, w Trance äoit vaincre; Zloire
a vous! Oloiis a Is l^rsnoel

Es folgen 19^/z Folioseiten, bedeckt mit
Na mensunterschriften.

[Ende Spaltensatz]
*) Der deutsch-französische Krieg 1870/71,
aus Urkunden, Briefen, Tagebüchern und
nachträglichen Aufzeichnungen von Augen¬
zeugen beider Parteien dargestellt. Berlin-
Wilmersdorf, Hermann Packeis Verlag, G.
in. b. H. 2 Bände. 4. illustrierte Auflage.
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[0203] Maßgebliches und Unmaßgebliches Jenseit, wo wir dann doch unseren Willen bekommen, dafür, daß wir Gott in dieser mühseligen Zeitlichkeit den seinen gelassen haben, ist für Fichte offenbare Unmoralität und wahrhafte Lästerung, — der entscheidendste Beweis, den Menschen für das Dasein Gottes finden können, ist ein gött¬ licher Wandel. Die Konsequenz dieses ins innerliche gewendeten Denkens offenbart sich denn auch in den einzelnen Proben über den Vorsehungsglauben, über religiöse Phantast», die mit der Liebe nur spielt, ohne wahr zu sein, — auch hier eine Furtsetzung des Nathcm- wnrtes vom Gegensatze des andächtigen Schwiirmens zum guten Handeln, — ferner in Gedanken über Unsterblichkeit, über das Mi߬ verhältnis der individuellen Schranken, die der Staat setzt, zu der unendlichen Liebe, die in der Forderung gipfelt, daß die Religion nie die Zwangsanstalt des Staates für ihre Zwecke in Anspruch nehmen soll, und daß sie doch für die Vervollkommnung des Staates zur absoluten Gleichheit ein Positives Moment ist. — Fichte zu lesen ist nicht leicht; die Methode seines Denkens, die Mannigfaltigkeit aus eineni Prinzip herzuleiten, bedingt einen Stil, auf dessen Schematismus Goethes Vergleich vom Webemeisterstück gemünzt zu sein scheint; und doch entbehrt er einer eigentümlichen Plastik nicht, deren Ursprünge in der übersinnlichen Bildkraft der mittelalterlichen Mystik liegen, die der spekulativen Philosophie die Be- n"sse geschenkt hat, wie die Bibel unseren Klassikern die Anschaulichkeit; wenn er aber gar von der Apathie als einer „unverschämten" Weltanschauung spricht, so ist es, als ob Po-, saunenstöße des jüngsten Gerichts uns mahnen' mitzuhelfen, um die religiösen Kräfte der deutschen Ver gangenheit wiederzuerwecken und zum Kampfe für die Wiederbelebung Protestantischen Lebens mobil zu machen. — Seit diese Zeilen geschrieben wurden, hatte sich der Geist Fichtes in ungeahnter Weise in unserm Volke wirksam gezeigt; um so mehr wünschen wir diesem Büchlein Verbreitung.' Wilhelm Lohn Politik Ein unlicachtctes Dokument zur Ge¬ schichte des deutsch-französische» Krieges In Ur. 3S der Grenzboten bringt Herr Geheimrat Stölzel sehr zeitgemäß das ebenso lehrreiche wie unterhaltsame Buch „l.s Zranäs Nation" in Erinnerung, das Adam Pfaff in Kassel 1870/71 erscheinen ließ. Es ist in der Tat eine überreiche Fundgrube von Belegen dafür, wie sich das französische Volk schon vor vierundvierzig Jahren der Selbst¬ täuschung in einer uns nüchterneren Deutschen völlig unverständlichen Weise befleißigte. Ein weiteres höchst lehrreiches Zeugnis dafür ist ein Schreiben der Bevölkerung von Autun und Umgegend, das sie im August 1370 an ihren berühmten Landsmann, den Marschnll Mac-Mensor, richtete, und das in den nächsten Tagen in Facsimile erscheinen wird"). Der Brief ist auf dem Schlachtfelde gefunden worden und befindet sich jetzt im Besitz des Geheimen Medizinalrates Prof. Dr. Fr. Ahl¬ feld in Marburg a. Lahn. Der Wortlaut ist folgender: 1870/71. ^ Monsieur le ^IsreLbal alö jVise-Mstiun, eine als HlsZents. Nsreetisl, I^a Trance vous SLelams, I'lZurope vous scimire! Ksicbsbokkenl L'est IÄ, oui, c'sse IÄ c>ne vous avs? etonne le nouae par le plus brillant exemple cle toutes ich vertus Auerrieres: science miliwire qui clevra klar ps,r fixer Ä son Zrs la victoire; intrepiclite inclomptable c>ni t'sit clef srmees <lo Keros; alle sloczuence ami söll iuspirer les plus sublimes cievouements. Jbissen Ich mehres ac I'^utunois meler leurs voix su coneert urmnims als lousnZes qui vous srrivs ac toutes parts; laisse? Ich proclamer, clef sujourci'hui, plus Kant que tous, la Zloire c>ni vous allemal nisus les siecles Ä venir. Oeksnclue psr cle tels nommes, oui, w Trance äoit vaincre; Zloire a vous! Oloiis a Is l^rsnoel Es folgen 19^/z Folioseiten, bedeckt mit Na mensunterschriften. *) Der deutsch-französische Krieg 1870/71, aus Urkunden, Briefen, Tagebüchern und nachträglichen Aufzeichnungen von Augen¬ zeugen beider Parteien dargestellt. Berlin- Wilmersdorf, Hermann Packeis Verlag, G. in. b. H. 2 Bände. 4. illustrierte Auflage.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/203>, abgerufen am 02.05.2024.