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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Die Immatrikulation von Angehörigen feindlicher
Staaten
Geh. Hofrat prost or. G, von Beloiv von

it Recht haben die Regierungen im Deutschen Reich und in Öster¬
reich die Immatrikulation von Angehörigen feindlicher Staaten
an den Universitäten verboten, und diejenigen, die bei Kriegs¬
ausbruch immatrikuliert waren, sind aus den Matrikeln gestrichen
worden. Natürlich wahren sich die Regierungen das Recht, Aus¬
nahmen zuzulassen, die deutschen in weniger fest umschriebener Form, die
österreichische in ganz klarer und sehr bemerkenswerter Formulierung. Ich
möchte hier die Aufmerksamkeit auf deu Erlaß des österreichischen Kultus¬
ministeriums vom 13. Oktober an die ihm unterstellten Hochschulen lenken, der
in Deutschland leider gar nicht bekannt geworden zu sein scheint.

Es heißt darin:

"Staatsangehörige von Belgien, Frankreich, Großbritannien, Japan, Mon¬
tenegro, Rußland und Serbien sind zur Inskription nicht mehr zuzulassen.

Ich behalte mir vor, bei Vorhandensein besonderer Umstände namentlich
für solche Angehörige dieser Länder, welche nicht zu der daselbst herrschenden
Nation zählen, nach Anhörung der akademischen Behörden bzw. über deren
Antrag Ausnahmen zuzulassen."

Hier wird die sehr interessante Unterscheidung zwischen den Angehörigen
der "herrschenden Nation" in dem feindlichen Staat und solchen, die nicht zu
ihr gehören, mit voller Klarheit gemacht; eine Unterscheidung, die für Österreich-
Ungarn ganz besondere Wichtigkeit hat. Man denke z. B. an die Bulgaren,
die bekanntlich in beträchtlicher Zahl in Serbien das Staatsbürgerrecht haben.
Sie wollen von Serbien gar nichts wissen, sind gegen diesen Staat vielleicht
mit noch größerer Abneigung erfüllt als die Österreicher; da sie aber auf dem
Boden des heutigen serbischen Staats wohnen, so haben sie das serbische Staats¬
bürgerrecht. Wenn nun die Söhne aus solchen bulgarischen Familien auf
österreichischen Universitäten studieren wollen, warum soll man sie fern halten?
Man würde sich dadurch bei den Bulgaren unnötig unbeliebt machen, und die




Die Immatrikulation von Angehörigen feindlicher
Staaten
Geh. Hofrat prost or. G, von Beloiv von

it Recht haben die Regierungen im Deutschen Reich und in Öster¬
reich die Immatrikulation von Angehörigen feindlicher Staaten
an den Universitäten verboten, und diejenigen, die bei Kriegs¬
ausbruch immatrikuliert waren, sind aus den Matrikeln gestrichen
worden. Natürlich wahren sich die Regierungen das Recht, Aus¬
nahmen zuzulassen, die deutschen in weniger fest umschriebener Form, die
österreichische in ganz klarer und sehr bemerkenswerter Formulierung. Ich
möchte hier die Aufmerksamkeit auf deu Erlaß des österreichischen Kultus¬
ministeriums vom 13. Oktober an die ihm unterstellten Hochschulen lenken, der
in Deutschland leider gar nicht bekannt geworden zu sein scheint.

Es heißt darin:

„Staatsangehörige von Belgien, Frankreich, Großbritannien, Japan, Mon¬
tenegro, Rußland und Serbien sind zur Inskription nicht mehr zuzulassen.

Ich behalte mir vor, bei Vorhandensein besonderer Umstände namentlich
für solche Angehörige dieser Länder, welche nicht zu der daselbst herrschenden
Nation zählen, nach Anhörung der akademischen Behörden bzw. über deren
Antrag Ausnahmen zuzulassen."

Hier wird die sehr interessante Unterscheidung zwischen den Angehörigen
der „herrschenden Nation" in dem feindlichen Staat und solchen, die nicht zu
ihr gehören, mit voller Klarheit gemacht; eine Unterscheidung, die für Österreich-
Ungarn ganz besondere Wichtigkeit hat. Man denke z. B. an die Bulgaren,
die bekanntlich in beträchtlicher Zahl in Serbien das Staatsbürgerrecht haben.
Sie wollen von Serbien gar nichts wissen, sind gegen diesen Staat vielleicht
mit noch größerer Abneigung erfüllt als die Österreicher; da sie aber auf dem
Boden des heutigen serbischen Staats wohnen, so haben sie das serbische Staats¬
bürgerrecht. Wenn nun die Söhne aus solchen bulgarischen Familien auf
österreichischen Universitäten studieren wollen, warum soll man sie fern halten?
Man würde sich dadurch bei den Bulgaren unnötig unbeliebt machen, und die


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[0340] [Abbildung] Die Immatrikulation von Angehörigen feindlicher Staaten Geh. Hofrat prost or. G, von Beloiv von it Recht haben die Regierungen im Deutschen Reich und in Öster¬ reich die Immatrikulation von Angehörigen feindlicher Staaten an den Universitäten verboten, und diejenigen, die bei Kriegs¬ ausbruch immatrikuliert waren, sind aus den Matrikeln gestrichen worden. Natürlich wahren sich die Regierungen das Recht, Aus¬ nahmen zuzulassen, die deutschen in weniger fest umschriebener Form, die österreichische in ganz klarer und sehr bemerkenswerter Formulierung. Ich möchte hier die Aufmerksamkeit auf deu Erlaß des österreichischen Kultus¬ ministeriums vom 13. Oktober an die ihm unterstellten Hochschulen lenken, der in Deutschland leider gar nicht bekannt geworden zu sein scheint. Es heißt darin: „Staatsangehörige von Belgien, Frankreich, Großbritannien, Japan, Mon¬ tenegro, Rußland und Serbien sind zur Inskription nicht mehr zuzulassen. Ich behalte mir vor, bei Vorhandensein besonderer Umstände namentlich für solche Angehörige dieser Länder, welche nicht zu der daselbst herrschenden Nation zählen, nach Anhörung der akademischen Behörden bzw. über deren Antrag Ausnahmen zuzulassen." Hier wird die sehr interessante Unterscheidung zwischen den Angehörigen der „herrschenden Nation" in dem feindlichen Staat und solchen, die nicht zu ihr gehören, mit voller Klarheit gemacht; eine Unterscheidung, die für Österreich- Ungarn ganz besondere Wichtigkeit hat. Man denke z. B. an die Bulgaren, die bekanntlich in beträchtlicher Zahl in Serbien das Staatsbürgerrecht haben. Sie wollen von Serbien gar nichts wissen, sind gegen diesen Staat vielleicht mit noch größerer Abneigung erfüllt als die Österreicher; da sie aber auf dem Boden des heutigen serbischen Staats wohnen, so haben sie das serbische Staats¬ bürgerrecht. Wenn nun die Söhne aus solchen bulgarischen Familien auf österreichischen Universitäten studieren wollen, warum soll man sie fern halten? Man würde sich dadurch bei den Bulgaren unnötig unbeliebt machen, und die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/340>, abgerufen am 01.05.2024.