Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.Die Ungebundenen Line Skizze aus der Gegenwart Max Ludwig-Dohm Von s ist hier die Rede von zwei Ungebundenen, die ihr Lebenlang Dem einen von ihnen hatte eine lange, schwere Krankheit das unstäte Herr B. sollte bald darüber aufgeklärt werden, daß es nicht Zahnschmerzen Grenzboten IV 19t4 26
Die Ungebundenen Line Skizze aus der Gegenwart Max Ludwig-Dohm Von s ist hier die Rede von zwei Ungebundenen, die ihr Lebenlang Dem einen von ihnen hatte eine lange, schwere Krankheit das unstäte Herr B. sollte bald darüber aufgeklärt werden, daß es nicht Zahnschmerzen Grenzboten IV 19t4 26
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[Abbildung]
Die Ungebundenen
Line Skizze aus der Gegenwart
Max Ludwig-Dohm Von
s ist hier die Rede von zwei Ungebundenen, die ihr Lebenlang
aller Unfreiheit aus dem Weg gegangen waren und den Zwang
verabscheuten. Sie wußten nichts von einander und hätten sich
niemals kennen gelernt, wenn nicht beider Namen mit dem Buch¬
staben „B" begonnen hätte und, wenn sie nicht durch den Krieg
daran erinnert worden wären, daß sie einmal Soldaten waren, und daß das
deutsche Vaterland trotz seiner 68 Millionen Einwohner und 9 Millionen wehr¬
kräftiger Männer auch Anspruch auf ihre Dienste erheben konnte.
Dem einen von ihnen hatte eine lange, schwere Krankheit das unstäte
Dasein eines Privatlehrers und Schriftstellers, so einer Art geistigen Gelegenheits¬
arbeiters, für eine Weile unterbrochen. Eines Tages begegnete ihm, als er
vom Krankenlager aufgestanden war, um nur mal zu sehen, ob die Bäume
auch im Jahre 1914 grünten, in seiner abgelegenen, mit hohen Häusern gleich¬
mäßig bestandenen Straße ein Mädchen, das er als sein hübsches Gegenüber
erkannte. Vor seiner Krankheit hatte es ihm manchmal von dem reichen Tisch
seines Liebsten ein paar überflüssige Kußhändchen und Lachgrübchen geschenkt,
wenn seine Angen gar zu flehentlich zu ihm hinüberblickten. Heute trippelte
's an ihm vorüber, ohne ihn zu bemerken, obwohl es ihm gerade heute so
recht nach ein paar lustigen Mädchenaugen verlangte. Und wie entzückte ihn
die Hilflosigkeit ihres Ganges, die durch das modische, die Füßchen eng um¬
schließende Gewand bedingt war. Er sah, wie sie ihr Taschentuch vor die
Angen drückte. Sie weinte richtig, die arme Kleine. Was mochte sie wohl für
Schmerzen haben?
Herr B. sollte bald darüber aufgeklärt werden, daß es nicht Zahnschmerzen
waren, die sein hübsches Gegenüber quälten. Am Ende der Straße stand eine
Säule an der Ecke und war von vielen Männern und Frauen umringt. Da
Herr B. mit seinem friesischen Stamm zwar nicht mehr die Bodenwüchsigkeit^
Grenzboten IV 19t4 26
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