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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Der Vernichtungskrieg und seine Folgen
Hartwig Schubart von

er Krieg in seiner absoluten Form erstrebt Vernichtung des
Gegners. Aber dieser Krieg, der wohl in den ersten Ansängen
menschlichen Gesellschaftslebens die Regel gewesen sein mag, zeigt
sich in historischer Zeit seltener und seltener -- eine Ausnahme
bedeutet wohl nur die Vernichtung Karthagos durch Rom, der
Kampf des Kontinentalprinzips gegen die Seemacht. Das Ziel der übrige"
Kriege ist im allgemeinen ein weit beschränkteres; nicht die Vernichtung des
Gegners, sondern die Erreichung eines bestimmten politischen Endzwecks wird
im "Kulturkrieg", um dieses Wort zu benutzen, durch Vernichtung der gegnerischen
Streitkräfte angestrebt.

Jetzt, in der höchsten Blüte moderner Kultur, sehen wir vor unseren
Augen wieder einen Krieg sich abspielen in seiner ursprünglichen Form; ein
Vernichtungskrieg mit allen seinen Folgen wird gegen Deutschland geführt.

Und wieder hat der alte Gegensatz, der Rom und Karthago zu diesem
Kampf auf Leben und Tod führte, diesen neuen Vernichtungskrieg entfesselt, --
die maritime Macht, England, will sich den Kontinent dauernd zum Sklaven
machen, hiergegen kämpft der durch Deutschland repräsentierte, unabhängige
Kontinent --, wenn es auch England gelungen ist, räumlich unverhältnismäßig
größere Kontinentalmassen gegen Deutschland ins Feld zu führen.

Zweck dieser Betrachtung soll es nun sein, zu untersuchen, wieweit die
geplante Vernichtung Deutschlands die Art des Kampfes gegen uns beeinflußt
hat, zu untersuchen, welche Gegenmaßregeln ergriffen werden müssen, um
Deutschlands Staat und Volk zu erhalten.

Bezweifeln möchte ich, ob unseren Gegnern das jetzt klar erfaßte Ziel der
Vernichtung mit allen Mitteln von Anfang an bewußt war. Wohl war von
Anfang an eine Zertrümmerung des Deutschen Reiches vorgesehen, und die
diesbezüglichen Aufteilungskarten, welche in auswärtigen Blättern erschienen,
mögen nicht lediglich der Redaktionsphantasie entsprungen sein; wenigstens
beweisen speziell die England wie Frankreich zugedachten Gebiete eine richtige
ökonomische Bewertung. Gerade dieser ökonomische Gesichtspunkt, welcher die
Absicht wirtschaftlich nutzbaren Erwerbes zeigt, mußte es aber anderseits
wünschenswert erscheinen lassen, den wirtschaftlichen Wert dieser Gebiete zu
erhalten, und so mag bei unseren Gegnern im Anfang wohl nur die Zer-




Der Vernichtungskrieg und seine Folgen
Hartwig Schubart von

er Krieg in seiner absoluten Form erstrebt Vernichtung des
Gegners. Aber dieser Krieg, der wohl in den ersten Ansängen
menschlichen Gesellschaftslebens die Regel gewesen sein mag, zeigt
sich in historischer Zeit seltener und seltener — eine Ausnahme
bedeutet wohl nur die Vernichtung Karthagos durch Rom, der
Kampf des Kontinentalprinzips gegen die Seemacht. Das Ziel der übrige»
Kriege ist im allgemeinen ein weit beschränkteres; nicht die Vernichtung des
Gegners, sondern die Erreichung eines bestimmten politischen Endzwecks wird
im „Kulturkrieg", um dieses Wort zu benutzen, durch Vernichtung der gegnerischen
Streitkräfte angestrebt.

Jetzt, in der höchsten Blüte moderner Kultur, sehen wir vor unseren
Augen wieder einen Krieg sich abspielen in seiner ursprünglichen Form; ein
Vernichtungskrieg mit allen seinen Folgen wird gegen Deutschland geführt.

Und wieder hat der alte Gegensatz, der Rom und Karthago zu diesem
Kampf auf Leben und Tod führte, diesen neuen Vernichtungskrieg entfesselt, —
die maritime Macht, England, will sich den Kontinent dauernd zum Sklaven
machen, hiergegen kämpft der durch Deutschland repräsentierte, unabhängige
Kontinent —, wenn es auch England gelungen ist, räumlich unverhältnismäßig
größere Kontinentalmassen gegen Deutschland ins Feld zu führen.

Zweck dieser Betrachtung soll es nun sein, zu untersuchen, wieweit die
geplante Vernichtung Deutschlands die Art des Kampfes gegen uns beeinflußt
hat, zu untersuchen, welche Gegenmaßregeln ergriffen werden müssen, um
Deutschlands Staat und Volk zu erhalten.

Bezweifeln möchte ich, ob unseren Gegnern das jetzt klar erfaßte Ziel der
Vernichtung mit allen Mitteln von Anfang an bewußt war. Wohl war von
Anfang an eine Zertrümmerung des Deutschen Reiches vorgesehen, und die
diesbezüglichen Aufteilungskarten, welche in auswärtigen Blättern erschienen,
mögen nicht lediglich der Redaktionsphantasie entsprungen sein; wenigstens
beweisen speziell die England wie Frankreich zugedachten Gebiete eine richtige
ökonomische Bewertung. Gerade dieser ökonomische Gesichtspunkt, welcher die
Absicht wirtschaftlich nutzbaren Erwerbes zeigt, mußte es aber anderseits
wünschenswert erscheinen lassen, den wirtschaftlichen Wert dieser Gebiete zu
erhalten, und so mag bei unseren Gegnern im Anfang wohl nur die Zer-


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[0110] [Abbildung] Der Vernichtungskrieg und seine Folgen Hartwig Schubart von er Krieg in seiner absoluten Form erstrebt Vernichtung des Gegners. Aber dieser Krieg, der wohl in den ersten Ansängen menschlichen Gesellschaftslebens die Regel gewesen sein mag, zeigt sich in historischer Zeit seltener und seltener — eine Ausnahme bedeutet wohl nur die Vernichtung Karthagos durch Rom, der Kampf des Kontinentalprinzips gegen die Seemacht. Das Ziel der übrige» Kriege ist im allgemeinen ein weit beschränkteres; nicht die Vernichtung des Gegners, sondern die Erreichung eines bestimmten politischen Endzwecks wird im „Kulturkrieg", um dieses Wort zu benutzen, durch Vernichtung der gegnerischen Streitkräfte angestrebt. Jetzt, in der höchsten Blüte moderner Kultur, sehen wir vor unseren Augen wieder einen Krieg sich abspielen in seiner ursprünglichen Form; ein Vernichtungskrieg mit allen seinen Folgen wird gegen Deutschland geführt. Und wieder hat der alte Gegensatz, der Rom und Karthago zu diesem Kampf auf Leben und Tod führte, diesen neuen Vernichtungskrieg entfesselt, — die maritime Macht, England, will sich den Kontinent dauernd zum Sklaven machen, hiergegen kämpft der durch Deutschland repräsentierte, unabhängige Kontinent —, wenn es auch England gelungen ist, räumlich unverhältnismäßig größere Kontinentalmassen gegen Deutschland ins Feld zu führen. Zweck dieser Betrachtung soll es nun sein, zu untersuchen, wieweit die geplante Vernichtung Deutschlands die Art des Kampfes gegen uns beeinflußt hat, zu untersuchen, welche Gegenmaßregeln ergriffen werden müssen, um Deutschlands Staat und Volk zu erhalten. Bezweifeln möchte ich, ob unseren Gegnern das jetzt klar erfaßte Ziel der Vernichtung mit allen Mitteln von Anfang an bewußt war. Wohl war von Anfang an eine Zertrümmerung des Deutschen Reiches vorgesehen, und die diesbezüglichen Aufteilungskarten, welche in auswärtigen Blättern erschienen, mögen nicht lediglich der Redaktionsphantasie entsprungen sein; wenigstens beweisen speziell die England wie Frankreich zugedachten Gebiete eine richtige ökonomische Bewertung. Gerade dieser ökonomische Gesichtspunkt, welcher die Absicht wirtschaftlich nutzbaren Erwerbes zeigt, mußte es aber anderseits wünschenswert erscheinen lassen, den wirtschaftlichen Wert dieser Gebiete zu erhalten, und so mag bei unseren Gegnern im Anfang wohl nur die Zer-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/110>, abgerufen am 29.04.2024.