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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Das alte und das neue Vlockadcrecht

für England maßgebend sein solle; aber die erwähnten Anmaßungen auf blockade¬
rechtlichem Gebiet kehren in ihr nicht wieder. England stellte sich mithin durchaus
auf den Boden des im Jahre 1909 international festgestellten Blockaderechts.

Aber für das Zugeständnis an die Neutralen, das hierin lag, wußte sich
England reichlich, ja überreichlich zu entschädigen. Es proklamierte eine neue
Reihe von Konterbanderechtssätzen, wie sie seit hundert Jahren keine Macht der
Erde aufzustellen gewagt hatte, ein Konterbanderecht, das, tatsächlich durchge¬
führt, in Verbindung mit dem Seebeuterecht die unmittelbare und die mittel¬
bare Seezufuhr von Kriegs- und Lebensbedarf nach Deutschland und den ver¬
bündeten Ländern praktisch unmöglich, damit aber zugleich die Verhängung
einer "Blockade" mit all ihren militärisch-politischen Schwierigkeiten überflüssig
machen mußte.

Es ist hier nicht der Ort, im einzelnen zu zeigen, wie England also auf
Schleichwegen das zu erreichen suchte, was auf geraden Wegen zu erreichen ihm
das mangelnde Vertrauen auf die eigene maritime Kraft verbot. Auch hat
Professor Heinrich Pohl in seiner Schrift "England und die Londoner Deklaration"
das rechtschänderische Treiben Englands mit glücklicher Hand vor aller Welt
in Helles Licht gestellt. So mag es in dem gegenwärtigenZusammenhange genügen,
das zu wiederholen, was die deutsche Denkschrift vom 4. Februar 1915 über die
englischen Einbrüche in das Konterbanderecht der zivilisierten Staaten bemerkt:
"Die britische Regierung setzt eine Reihe von Gegenständen auf die Liste der
Konterbande, die nicht oder doch nur sehr mittelbar für kriegerische Zwecke
verwendbar sind, und daher nach der Londoner Erklärung, wie nach den
allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts überhaupt, nicht als Konter¬
bande bezeichnet werden dürfen. Sie hat ferner den Unterschied zwischen
absoluter und relativer Konterbande tatsächlich beseitigt, indem sie alle für
Deutschland bestimmten Gegenstände relativer Konterbande ohne Rücksicht auf
den Hafen, in dem sie ausgeladen werden sollen, und ohne Rücksicht auf die
feindliche oder friedliche Verwendung der Wegnahme unterwirft."

Der tatsächlichen Durchsetzung der britischen Ansprüche stand freilich die
Tatsache hindernd im Wege, daß die Nordsee mitsamt ihren nördlichen, west¬
lichen und südlichen Zufahrtsstraßen ein offenes Meer bildet, das auch in Kriegs¬
zeiten für den Handel aller Flaggen frei ist. Dessen ungeachtet verkündete
England in den Bekanntmachungen vom 3. Oktober und vom 3. November 1914
die Nordseesperre.


II.
Bekanntmachung der britischen Admiralität vom 3. Oktober 1914

"Die deutsche Politik des Minenlegens, verbunden mit der Tätigkeit
der Unterseeboote zwingt die Admiralität aus militärischen Gründen Gegen¬
maßregeln zu ergreifen. Die Regierung erteilte deshalb die Genehmigung
zum Minenlegen in gewissen Gebieten. Das Minenfeldersystem wurde aus¬
gelegt und in großem Maßstabe entwickelt.


Das alte und das neue Vlockadcrecht

für England maßgebend sein solle; aber die erwähnten Anmaßungen auf blockade¬
rechtlichem Gebiet kehren in ihr nicht wieder. England stellte sich mithin durchaus
auf den Boden des im Jahre 1909 international festgestellten Blockaderechts.

Aber für das Zugeständnis an die Neutralen, das hierin lag, wußte sich
England reichlich, ja überreichlich zu entschädigen. Es proklamierte eine neue
Reihe von Konterbanderechtssätzen, wie sie seit hundert Jahren keine Macht der
Erde aufzustellen gewagt hatte, ein Konterbanderecht, das, tatsächlich durchge¬
führt, in Verbindung mit dem Seebeuterecht die unmittelbare und die mittel¬
bare Seezufuhr von Kriegs- und Lebensbedarf nach Deutschland und den ver¬
bündeten Ländern praktisch unmöglich, damit aber zugleich die Verhängung
einer „Blockade" mit all ihren militärisch-politischen Schwierigkeiten überflüssig
machen mußte.

Es ist hier nicht der Ort, im einzelnen zu zeigen, wie England also auf
Schleichwegen das zu erreichen suchte, was auf geraden Wegen zu erreichen ihm
das mangelnde Vertrauen auf die eigene maritime Kraft verbot. Auch hat
Professor Heinrich Pohl in seiner Schrift „England und die Londoner Deklaration"
das rechtschänderische Treiben Englands mit glücklicher Hand vor aller Welt
in Helles Licht gestellt. So mag es in dem gegenwärtigenZusammenhange genügen,
das zu wiederholen, was die deutsche Denkschrift vom 4. Februar 1915 über die
englischen Einbrüche in das Konterbanderecht der zivilisierten Staaten bemerkt:
„Die britische Regierung setzt eine Reihe von Gegenständen auf die Liste der
Konterbande, die nicht oder doch nur sehr mittelbar für kriegerische Zwecke
verwendbar sind, und daher nach der Londoner Erklärung, wie nach den
allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts überhaupt, nicht als Konter¬
bande bezeichnet werden dürfen. Sie hat ferner den Unterschied zwischen
absoluter und relativer Konterbande tatsächlich beseitigt, indem sie alle für
Deutschland bestimmten Gegenstände relativer Konterbande ohne Rücksicht auf
den Hafen, in dem sie ausgeladen werden sollen, und ohne Rücksicht auf die
feindliche oder friedliche Verwendung der Wegnahme unterwirft."

Der tatsächlichen Durchsetzung der britischen Ansprüche stand freilich die
Tatsache hindernd im Wege, daß die Nordsee mitsamt ihren nördlichen, west¬
lichen und südlichen Zufahrtsstraßen ein offenes Meer bildet, das auch in Kriegs¬
zeiten für den Handel aller Flaggen frei ist. Dessen ungeachtet verkündete
England in den Bekanntmachungen vom 3. Oktober und vom 3. November 1914
die Nordseesperre.


II.
Bekanntmachung der britischen Admiralität vom 3. Oktober 1914

„Die deutsche Politik des Minenlegens, verbunden mit der Tätigkeit
der Unterseeboote zwingt die Admiralität aus militärischen Gründen Gegen¬
maßregeln zu ergreifen. Die Regierung erteilte deshalb die Genehmigung
zum Minenlegen in gewissen Gebieten. Das Minenfeldersystem wurde aus¬
gelegt und in großem Maßstabe entwickelt.


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[0210] Das alte und das neue Vlockadcrecht für England maßgebend sein solle; aber die erwähnten Anmaßungen auf blockade¬ rechtlichem Gebiet kehren in ihr nicht wieder. England stellte sich mithin durchaus auf den Boden des im Jahre 1909 international festgestellten Blockaderechts. Aber für das Zugeständnis an die Neutralen, das hierin lag, wußte sich England reichlich, ja überreichlich zu entschädigen. Es proklamierte eine neue Reihe von Konterbanderechtssätzen, wie sie seit hundert Jahren keine Macht der Erde aufzustellen gewagt hatte, ein Konterbanderecht, das, tatsächlich durchge¬ führt, in Verbindung mit dem Seebeuterecht die unmittelbare und die mittel¬ bare Seezufuhr von Kriegs- und Lebensbedarf nach Deutschland und den ver¬ bündeten Ländern praktisch unmöglich, damit aber zugleich die Verhängung einer „Blockade" mit all ihren militärisch-politischen Schwierigkeiten überflüssig machen mußte. Es ist hier nicht der Ort, im einzelnen zu zeigen, wie England also auf Schleichwegen das zu erreichen suchte, was auf geraden Wegen zu erreichen ihm das mangelnde Vertrauen auf die eigene maritime Kraft verbot. Auch hat Professor Heinrich Pohl in seiner Schrift „England und die Londoner Deklaration" das rechtschänderische Treiben Englands mit glücklicher Hand vor aller Welt in Helles Licht gestellt. So mag es in dem gegenwärtigenZusammenhange genügen, das zu wiederholen, was die deutsche Denkschrift vom 4. Februar 1915 über die englischen Einbrüche in das Konterbanderecht der zivilisierten Staaten bemerkt: „Die britische Regierung setzt eine Reihe von Gegenständen auf die Liste der Konterbande, die nicht oder doch nur sehr mittelbar für kriegerische Zwecke verwendbar sind, und daher nach der Londoner Erklärung, wie nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts überhaupt, nicht als Konter¬ bande bezeichnet werden dürfen. Sie hat ferner den Unterschied zwischen absoluter und relativer Konterbande tatsächlich beseitigt, indem sie alle für Deutschland bestimmten Gegenstände relativer Konterbande ohne Rücksicht auf den Hafen, in dem sie ausgeladen werden sollen, und ohne Rücksicht auf die feindliche oder friedliche Verwendung der Wegnahme unterwirft." Der tatsächlichen Durchsetzung der britischen Ansprüche stand freilich die Tatsache hindernd im Wege, daß die Nordsee mitsamt ihren nördlichen, west¬ lichen und südlichen Zufahrtsstraßen ein offenes Meer bildet, das auch in Kriegs¬ zeiten für den Handel aller Flaggen frei ist. Dessen ungeachtet verkündete England in den Bekanntmachungen vom 3. Oktober und vom 3. November 1914 die Nordseesperre. II. Bekanntmachung der britischen Admiralität vom 3. Oktober 1914 „Die deutsche Politik des Minenlegens, verbunden mit der Tätigkeit der Unterseeboote zwingt die Admiralität aus militärischen Gründen Gegen¬ maßregeln zu ergreifen. Die Regierung erteilte deshalb die Genehmigung zum Minenlegen in gewissen Gebieten. Das Minenfeldersystem wurde aus¬ gelegt und in großem Maßstabe entwickelt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/210>, abgerufen am 29.04.2024.