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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Das alte und das neue Blockaderecht

Der Tatbestand des Blockadebruchs wird dadurch begründet, daß ein Schiff
in Kenntnis der Blockade ein- oder auslaufend in den Aktionsbereich der
blockierenden Kriegsschiffe eindringt. Die Kenntnis wird, den Gegenbeweis
vorbehalten, als vorhanden vermutet, wenn das Schiff einen neutralen Hafen
nach Ablauf angemessener Zeit seit Bekanntgabe der Blockade an die diesen
Hafen innehabende Macht verlassen hat.

Rechtsfolge des Blockadebruchs ist zunächst die Aufbringung des blockade¬
brechenden Schiffes. Die Aufbringung darf aber nur innerhalb des Blockade¬
gürtels oder auf der unmittelbaren Verfolgung aus diesem Bereich stattfinden,
und sie ist unzulässig von dem Zeitpunkte ab, in welchem die Blockade aufge¬
hoben wird. Erklärt das Prisengericht die Beschlagnahme für gerechtfertigt, so
verfällt der Blockadebrecher der Einziehung. Das gleiche Schicksal trifft die
Ladung, es sei denn, daß der Befrachter zur Zeit der Verladung der Ware die
Absicht eines Blockadebruchs weder gekannt hat noch hat kennen können (zum
Beispiel weil zur Zeit der Verladung die Blockade noch nicht verhängt war).

Das vorstehend in seinen Umrissen gezeichnete Blockaderecht der Londoner
Deklaration wurde im August 1914 von allen kriegführenden Seemächten in
Kraft gesetzt, und, was das Erfordernis der Effektivität betrifft, erklärte der
englische Premierminister Asquith am 25. August im Unterhaus ausdrücklich,
daß die britische Regierung nicht beabsichtige, sich von dem vierten Satz der
Pariser Seerechtsdeklaration loszusagen. Im übrigen freilich nahm England
eine Abänderung der 1909 vereinbarten Blockaderechtsordnung vor (Ziffer 4
der Oräer in Louncil vom 20. August 1914): "Das Vorhandensein einer
Blockade soll als bekannt angenommen werden: a) bei allen Schiffen, welche
einen feindlichen Hafen verlassen oder berührt haben, nachdem seit der Bekannt¬
gabe der Blockade an die örtlichen Behörden hinreichende Zeit verflossen war,
um es der feindlichen Regierung zu ermöglichen, das Bestehen der Blockade
bekannt zu machen; b) bei allen Schiffen, welche nach der Veröffentlichung
der Blockadeerklärung einen britischen Hafen oder einen Hafen einer verbündeten
Macht verlassen oder berührt haben." Mit Recht bemerkt hierzu die deutsche
Denkschrift vom 10. Oktober 1914: "Durch die Bestimmung in Ur. 4 der Oräer
in Louncil wird die Wegnahme wegen Blockadebruchs in unbilliger Weise erweitert,
da hiernach die Vermutung für die Kenntnis der Blockade auch dann eintreten soll,
wenn das Schiff nach Ablauf einer gewissen Zeit seit der Bekanntgabe der Blockade
eines feindlichen Hafens an die dortigen Ortsbehörden einen andern feindlichen
Hafen verlassen hat. Durch diese Bestimmung will die britische Regierung die
Behörden des feindlichen Staates über die durch das Völkerrecht gezogenen
Grenzen hinaus in den Dienst der eigenen Seestreitkräfte stellen und diesen Dienst
durch die Wegnahme neutraler Schiffe erzwingen."

Am 29. Oktober 1914 wurde die Oräer in Louncil vom 20. August
aufgehoben und eine neue trat an ihre Stelle. Auch sie verkündete, daß die
Londoner Deklaration mit näher bezeichneten Abänderungen und Modifikationen


Das alte und das neue Blockaderecht

Der Tatbestand des Blockadebruchs wird dadurch begründet, daß ein Schiff
in Kenntnis der Blockade ein- oder auslaufend in den Aktionsbereich der
blockierenden Kriegsschiffe eindringt. Die Kenntnis wird, den Gegenbeweis
vorbehalten, als vorhanden vermutet, wenn das Schiff einen neutralen Hafen
nach Ablauf angemessener Zeit seit Bekanntgabe der Blockade an die diesen
Hafen innehabende Macht verlassen hat.

Rechtsfolge des Blockadebruchs ist zunächst die Aufbringung des blockade¬
brechenden Schiffes. Die Aufbringung darf aber nur innerhalb des Blockade¬
gürtels oder auf der unmittelbaren Verfolgung aus diesem Bereich stattfinden,
und sie ist unzulässig von dem Zeitpunkte ab, in welchem die Blockade aufge¬
hoben wird. Erklärt das Prisengericht die Beschlagnahme für gerechtfertigt, so
verfällt der Blockadebrecher der Einziehung. Das gleiche Schicksal trifft die
Ladung, es sei denn, daß der Befrachter zur Zeit der Verladung der Ware die
Absicht eines Blockadebruchs weder gekannt hat noch hat kennen können (zum
Beispiel weil zur Zeit der Verladung die Blockade noch nicht verhängt war).

Das vorstehend in seinen Umrissen gezeichnete Blockaderecht der Londoner
Deklaration wurde im August 1914 von allen kriegführenden Seemächten in
Kraft gesetzt, und, was das Erfordernis der Effektivität betrifft, erklärte der
englische Premierminister Asquith am 25. August im Unterhaus ausdrücklich,
daß die britische Regierung nicht beabsichtige, sich von dem vierten Satz der
Pariser Seerechtsdeklaration loszusagen. Im übrigen freilich nahm England
eine Abänderung der 1909 vereinbarten Blockaderechtsordnung vor (Ziffer 4
der Oräer in Louncil vom 20. August 1914): „Das Vorhandensein einer
Blockade soll als bekannt angenommen werden: a) bei allen Schiffen, welche
einen feindlichen Hafen verlassen oder berührt haben, nachdem seit der Bekannt¬
gabe der Blockade an die örtlichen Behörden hinreichende Zeit verflossen war,
um es der feindlichen Regierung zu ermöglichen, das Bestehen der Blockade
bekannt zu machen; b) bei allen Schiffen, welche nach der Veröffentlichung
der Blockadeerklärung einen britischen Hafen oder einen Hafen einer verbündeten
Macht verlassen oder berührt haben." Mit Recht bemerkt hierzu die deutsche
Denkschrift vom 10. Oktober 1914: „Durch die Bestimmung in Ur. 4 der Oräer
in Louncil wird die Wegnahme wegen Blockadebruchs in unbilliger Weise erweitert,
da hiernach die Vermutung für die Kenntnis der Blockade auch dann eintreten soll,
wenn das Schiff nach Ablauf einer gewissen Zeit seit der Bekanntgabe der Blockade
eines feindlichen Hafens an die dortigen Ortsbehörden einen andern feindlichen
Hafen verlassen hat. Durch diese Bestimmung will die britische Regierung die
Behörden des feindlichen Staates über die durch das Völkerrecht gezogenen
Grenzen hinaus in den Dienst der eigenen Seestreitkräfte stellen und diesen Dienst
durch die Wegnahme neutraler Schiffe erzwingen."

Am 29. Oktober 1914 wurde die Oräer in Louncil vom 20. August
aufgehoben und eine neue trat an ihre Stelle. Auch sie verkündete, daß die
Londoner Deklaration mit näher bezeichneten Abänderungen und Modifikationen


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[0209] Das alte und das neue Blockaderecht Der Tatbestand des Blockadebruchs wird dadurch begründet, daß ein Schiff in Kenntnis der Blockade ein- oder auslaufend in den Aktionsbereich der blockierenden Kriegsschiffe eindringt. Die Kenntnis wird, den Gegenbeweis vorbehalten, als vorhanden vermutet, wenn das Schiff einen neutralen Hafen nach Ablauf angemessener Zeit seit Bekanntgabe der Blockade an die diesen Hafen innehabende Macht verlassen hat. Rechtsfolge des Blockadebruchs ist zunächst die Aufbringung des blockade¬ brechenden Schiffes. Die Aufbringung darf aber nur innerhalb des Blockade¬ gürtels oder auf der unmittelbaren Verfolgung aus diesem Bereich stattfinden, und sie ist unzulässig von dem Zeitpunkte ab, in welchem die Blockade aufge¬ hoben wird. Erklärt das Prisengericht die Beschlagnahme für gerechtfertigt, so verfällt der Blockadebrecher der Einziehung. Das gleiche Schicksal trifft die Ladung, es sei denn, daß der Befrachter zur Zeit der Verladung der Ware die Absicht eines Blockadebruchs weder gekannt hat noch hat kennen können (zum Beispiel weil zur Zeit der Verladung die Blockade noch nicht verhängt war). Das vorstehend in seinen Umrissen gezeichnete Blockaderecht der Londoner Deklaration wurde im August 1914 von allen kriegführenden Seemächten in Kraft gesetzt, und, was das Erfordernis der Effektivität betrifft, erklärte der englische Premierminister Asquith am 25. August im Unterhaus ausdrücklich, daß die britische Regierung nicht beabsichtige, sich von dem vierten Satz der Pariser Seerechtsdeklaration loszusagen. Im übrigen freilich nahm England eine Abänderung der 1909 vereinbarten Blockaderechtsordnung vor (Ziffer 4 der Oräer in Louncil vom 20. August 1914): „Das Vorhandensein einer Blockade soll als bekannt angenommen werden: a) bei allen Schiffen, welche einen feindlichen Hafen verlassen oder berührt haben, nachdem seit der Bekannt¬ gabe der Blockade an die örtlichen Behörden hinreichende Zeit verflossen war, um es der feindlichen Regierung zu ermöglichen, das Bestehen der Blockade bekannt zu machen; b) bei allen Schiffen, welche nach der Veröffentlichung der Blockadeerklärung einen britischen Hafen oder einen Hafen einer verbündeten Macht verlassen oder berührt haben." Mit Recht bemerkt hierzu die deutsche Denkschrift vom 10. Oktober 1914: „Durch die Bestimmung in Ur. 4 der Oräer in Louncil wird die Wegnahme wegen Blockadebruchs in unbilliger Weise erweitert, da hiernach die Vermutung für die Kenntnis der Blockade auch dann eintreten soll, wenn das Schiff nach Ablauf einer gewissen Zeit seit der Bekanntgabe der Blockade eines feindlichen Hafens an die dortigen Ortsbehörden einen andern feindlichen Hafen verlassen hat. Durch diese Bestimmung will die britische Regierung die Behörden des feindlichen Staates über die durch das Völkerrecht gezogenen Grenzen hinaus in den Dienst der eigenen Seestreitkräfte stellen und diesen Dienst durch die Wegnahme neutraler Schiffe erzwingen." Am 29. Oktober 1914 wurde die Oräer in Louncil vom 20. August aufgehoben und eine neue trat an ihre Stelle. Auch sie verkündete, daß die Londoner Deklaration mit näher bezeichneten Abänderungen und Modifikationen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/209>, abgerufen am 15.05.2024.