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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Wie Napoleon im Jahre <s^5 über die Länder Europas dachte

Führerschaft strebenden Letten herzustellen, befürwortet Bezzenberger den Ein¬
schluß der Esthen in das baltische Staatswesen.

Wie die Entscheidung darüber auch fallen möge, Hauptsache aber wird sein
müssen, daß dies neue Staatswesen in ein nahes Verhältnis zu Deutschland
gerückt wird, indem sein Heer unter das deutsche Oberkommando gestellt und
sein Gebiet in die deutsche Zollgrenze eingeschlossen wird. Das würde im
eigensten Interesse des neuen Staatswesens liegen, allein eine dauernde Sicher-
heit für die Freiheit der Litauer und Letten bieten, und ein Bollwerk gegen
den unersättlichen Panslawismus bilden. So führt ein gleiches Interesse die
Deutschen, Litauer und Letten naturgemäß zusammen.




Wie Napoleon im Jahre 1M5 über die Länder
Europas dachte
Zur Lrinnernng an den ^. März 1,31.5
Ferdinand Lckert von

is der große Krieg kam, wischte er mit einer einzigen großen
Bewegung alle Entwürfe unter den Tisch, die da und dort wohl
schon ein Festredner zu einer Gedenkfeier der Ereignisse vor
hundert Jahren sich ersonnen hatte, und mit einem Male ver¬
schwand aus den illustrierten Zeitschriften jener Teil, den wir
seit 1912 schon darin zu finden gewohnt waren und der in treuem Gedenken
an das, was die Väter damals geleistet und zum Leben erweckt hatten, uns
das Bleibende und Fortwirkende davon fruchtbringend näherrücken sollte.
Vielleicht waren wir in der Erinnerung an die alte Zeit sogar zu gründlich
gewesen. Viele Bücher hat das Jahr 1913 gebracht und sie wären in den
Jahren 1914 und 1915 sicherlich um ein gutes Teil vermehrt worden. Aber
der große Krieg kam und vergessen war alles, was vor hundert Jahren geschah,
zu lebendig trat die Gegenwart vor uns hin. zu gebieterisch war die Forderung
des Tages, zu tief waren unsere Herzen berührt. Jetzt sind wir wieder ruhiger
geworden und die Lust am Versenken in das, was war, ist wieder langsam
erwacht. Wir wollen das Werden dieses Riesenkampfes, der uns umtobt, von
Anfang an verstehen, wollen begreifen, warum wir so allein stehen gegenüber
einer Welt von Feinden, wollen im Spiegel vergangener Zeiten Gegenwart
und Zukunft schauen. Und darum ist es auch angezeigt, daß wir am 1. März


Wie Napoleon im Jahre <s^5 über die Länder Europas dachte

Führerschaft strebenden Letten herzustellen, befürwortet Bezzenberger den Ein¬
schluß der Esthen in das baltische Staatswesen.

Wie die Entscheidung darüber auch fallen möge, Hauptsache aber wird sein
müssen, daß dies neue Staatswesen in ein nahes Verhältnis zu Deutschland
gerückt wird, indem sein Heer unter das deutsche Oberkommando gestellt und
sein Gebiet in die deutsche Zollgrenze eingeschlossen wird. Das würde im
eigensten Interesse des neuen Staatswesens liegen, allein eine dauernde Sicher-
heit für die Freiheit der Litauer und Letten bieten, und ein Bollwerk gegen
den unersättlichen Panslawismus bilden. So führt ein gleiches Interesse die
Deutschen, Litauer und Letten naturgemäß zusammen.




Wie Napoleon im Jahre 1M5 über die Länder
Europas dachte
Zur Lrinnernng an den ^. März 1,31.5
Ferdinand Lckert von

is der große Krieg kam, wischte er mit einer einzigen großen
Bewegung alle Entwürfe unter den Tisch, die da und dort wohl
schon ein Festredner zu einer Gedenkfeier der Ereignisse vor
hundert Jahren sich ersonnen hatte, und mit einem Male ver¬
schwand aus den illustrierten Zeitschriften jener Teil, den wir
seit 1912 schon darin zu finden gewohnt waren und der in treuem Gedenken
an das, was die Väter damals geleistet und zum Leben erweckt hatten, uns
das Bleibende und Fortwirkende davon fruchtbringend näherrücken sollte.
Vielleicht waren wir in der Erinnerung an die alte Zeit sogar zu gründlich
gewesen. Viele Bücher hat das Jahr 1913 gebracht und sie wären in den
Jahren 1914 und 1915 sicherlich um ein gutes Teil vermehrt worden. Aber
der große Krieg kam und vergessen war alles, was vor hundert Jahren geschah,
zu lebendig trat die Gegenwart vor uns hin. zu gebieterisch war die Forderung
des Tages, zu tief waren unsere Herzen berührt. Jetzt sind wir wieder ruhiger
geworden und die Lust am Versenken in das, was war, ist wieder langsam
erwacht. Wir wollen das Werden dieses Riesenkampfes, der uns umtobt, von
Anfang an verstehen, wollen begreifen, warum wir so allein stehen gegenüber
einer Welt von Feinden, wollen im Spiegel vergangener Zeiten Gegenwart
und Zukunft schauen. Und darum ist es auch angezeigt, daß wir am 1. März


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[0251] Wie Napoleon im Jahre <s^5 über die Länder Europas dachte Führerschaft strebenden Letten herzustellen, befürwortet Bezzenberger den Ein¬ schluß der Esthen in das baltische Staatswesen. Wie die Entscheidung darüber auch fallen möge, Hauptsache aber wird sein müssen, daß dies neue Staatswesen in ein nahes Verhältnis zu Deutschland gerückt wird, indem sein Heer unter das deutsche Oberkommando gestellt und sein Gebiet in die deutsche Zollgrenze eingeschlossen wird. Das würde im eigensten Interesse des neuen Staatswesens liegen, allein eine dauernde Sicher- heit für die Freiheit der Litauer und Letten bieten, und ein Bollwerk gegen den unersättlichen Panslawismus bilden. So führt ein gleiches Interesse die Deutschen, Litauer und Letten naturgemäß zusammen. Wie Napoleon im Jahre 1M5 über die Länder Europas dachte Zur Lrinnernng an den ^. März 1,31.5 Ferdinand Lckert von is der große Krieg kam, wischte er mit einer einzigen großen Bewegung alle Entwürfe unter den Tisch, die da und dort wohl schon ein Festredner zu einer Gedenkfeier der Ereignisse vor hundert Jahren sich ersonnen hatte, und mit einem Male ver¬ schwand aus den illustrierten Zeitschriften jener Teil, den wir seit 1912 schon darin zu finden gewohnt waren und der in treuem Gedenken an das, was die Väter damals geleistet und zum Leben erweckt hatten, uns das Bleibende und Fortwirkende davon fruchtbringend näherrücken sollte. Vielleicht waren wir in der Erinnerung an die alte Zeit sogar zu gründlich gewesen. Viele Bücher hat das Jahr 1913 gebracht und sie wären in den Jahren 1914 und 1915 sicherlich um ein gutes Teil vermehrt worden. Aber der große Krieg kam und vergessen war alles, was vor hundert Jahren geschah, zu lebendig trat die Gegenwart vor uns hin. zu gebieterisch war die Forderung des Tages, zu tief waren unsere Herzen berührt. Jetzt sind wir wieder ruhiger geworden und die Lust am Versenken in das, was war, ist wieder langsam erwacht. Wir wollen das Werden dieses Riesenkampfes, der uns umtobt, von Anfang an verstehen, wollen begreifen, warum wir so allein stehen gegenüber einer Welt von Feinden, wollen im Spiegel vergangener Zeiten Gegenwart und Zukunft schauen. Und darum ist es auch angezeigt, daß wir am 1. März

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/251>, abgerufen am 29.04.2024.