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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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5>ir Roger (Lasement
Prof. or. Christian F. Weiser von

in schlanker, hochgewachsener Mann. In dem dunkeln Haar und
Bart beginnendes Grau. Ein schmales Gesicht von edler Form,
belebt durch Augen, die nicht nur einen scharfen Geist ankündigen,
sondern auch aus Tiefen des Gemüts und der Leidenschaft zu
sprechen vermögen. Der Typus eines Iren in der ungezwungenen
Vornehmheit, der stets etwas von jener kindlichen Einfalt eigen ist, die schnell
Vertrauen und Neigung für sich gewinnt. Ein Gentleman im Temperament
gegenüber dem englischen "Gelegenheitsgentleman". Man hat die Iren Fanatiker
des Hasses genannt. Das Wesen des Fanatismus ist Ideenarmut, die Aus¬
dehnung und gewaltsame Entladung eines einzigen Gefühls, einer einzigen
Vorstellung. In Sir Roger bewegt sich eine Fülle von Ideen und Gefühlen,
die Gestalten und Interessen der Menschheitskultur sind lebendig gegenwärtig
in seinem weiten Geiste. Und so erscheint der Fanatismus als Begeisterung,
die es zur Erzeugung des Großen drängt. Dies Große ist für Sir Roger die
Überwindung der Lüge und Ungerechtigkeit und die Errichtung eines Zustandes
der Wahrheit und Gerechtigkeit unter den Weltvölkern, soweit dies auf Erden
erreicht werden mag. Aus dem Abstrakten in das Konkrete übersetzt bedeutet
diese Forderung die Zertrümmerung der angelsächsischen Weltherrschaft.

Das Angelsachsentum stützt sich auf die Gewalttat, und die Gewalttat
auf den Glauben an eine göttliche Erwählung vor allen Völkern der Erde.
Die Überlieferung des nationalen Egoismus, Vorstellungen des Alten Testamentes
und die durch den Kalvinismus ausgelöste subjektioistisch-individualistische Energie
werden ineinander wirksam zur Hervorbringung des englischen Jmperalismus.
Die ganze Welt, wo auch nur immer Milch und Honig fließt, ist das Kanaan,
das den Angelsachsen göttlich zugelobte Land. Die anderen Völker sind recht¬
lose Kanaanitcr, die ausgerottet werden mögen, wenn sie sich der Besitznahme
ihres Landes durch die Erwählten Gottes widersetzen oder die Gnade finden vor
den Augen der Eroberer, wenn sie als Knechte in deren Dienste treten, um




5>ir Roger (Lasement
Prof. or. Christian F. Weiser von

in schlanker, hochgewachsener Mann. In dem dunkeln Haar und
Bart beginnendes Grau. Ein schmales Gesicht von edler Form,
belebt durch Augen, die nicht nur einen scharfen Geist ankündigen,
sondern auch aus Tiefen des Gemüts und der Leidenschaft zu
sprechen vermögen. Der Typus eines Iren in der ungezwungenen
Vornehmheit, der stets etwas von jener kindlichen Einfalt eigen ist, die schnell
Vertrauen und Neigung für sich gewinnt. Ein Gentleman im Temperament
gegenüber dem englischen „Gelegenheitsgentleman". Man hat die Iren Fanatiker
des Hasses genannt. Das Wesen des Fanatismus ist Ideenarmut, die Aus¬
dehnung und gewaltsame Entladung eines einzigen Gefühls, einer einzigen
Vorstellung. In Sir Roger bewegt sich eine Fülle von Ideen und Gefühlen,
die Gestalten und Interessen der Menschheitskultur sind lebendig gegenwärtig
in seinem weiten Geiste. Und so erscheint der Fanatismus als Begeisterung,
die es zur Erzeugung des Großen drängt. Dies Große ist für Sir Roger die
Überwindung der Lüge und Ungerechtigkeit und die Errichtung eines Zustandes
der Wahrheit und Gerechtigkeit unter den Weltvölkern, soweit dies auf Erden
erreicht werden mag. Aus dem Abstrakten in das Konkrete übersetzt bedeutet
diese Forderung die Zertrümmerung der angelsächsischen Weltherrschaft.

Das Angelsachsentum stützt sich auf die Gewalttat, und die Gewalttat
auf den Glauben an eine göttliche Erwählung vor allen Völkern der Erde.
Die Überlieferung des nationalen Egoismus, Vorstellungen des Alten Testamentes
und die durch den Kalvinismus ausgelöste subjektioistisch-individualistische Energie
werden ineinander wirksam zur Hervorbringung des englischen Jmperalismus.
Die ganze Welt, wo auch nur immer Milch und Honig fließt, ist das Kanaan,
das den Angelsachsen göttlich zugelobte Land. Die anderen Völker sind recht¬
lose Kanaanitcr, die ausgerottet werden mögen, wenn sie sich der Besitznahme
ihres Landes durch die Erwählten Gottes widersetzen oder die Gnade finden vor
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[0256] [Abbildung] 5>ir Roger (Lasement Prof. or. Christian F. Weiser von in schlanker, hochgewachsener Mann. In dem dunkeln Haar und Bart beginnendes Grau. Ein schmales Gesicht von edler Form, belebt durch Augen, die nicht nur einen scharfen Geist ankündigen, sondern auch aus Tiefen des Gemüts und der Leidenschaft zu sprechen vermögen. Der Typus eines Iren in der ungezwungenen Vornehmheit, der stets etwas von jener kindlichen Einfalt eigen ist, die schnell Vertrauen und Neigung für sich gewinnt. Ein Gentleman im Temperament gegenüber dem englischen „Gelegenheitsgentleman". Man hat die Iren Fanatiker des Hasses genannt. Das Wesen des Fanatismus ist Ideenarmut, die Aus¬ dehnung und gewaltsame Entladung eines einzigen Gefühls, einer einzigen Vorstellung. In Sir Roger bewegt sich eine Fülle von Ideen und Gefühlen, die Gestalten und Interessen der Menschheitskultur sind lebendig gegenwärtig in seinem weiten Geiste. Und so erscheint der Fanatismus als Begeisterung, die es zur Erzeugung des Großen drängt. Dies Große ist für Sir Roger die Überwindung der Lüge und Ungerechtigkeit und die Errichtung eines Zustandes der Wahrheit und Gerechtigkeit unter den Weltvölkern, soweit dies auf Erden erreicht werden mag. Aus dem Abstrakten in das Konkrete übersetzt bedeutet diese Forderung die Zertrümmerung der angelsächsischen Weltherrschaft. Das Angelsachsentum stützt sich auf die Gewalttat, und die Gewalttat auf den Glauben an eine göttliche Erwählung vor allen Völkern der Erde. Die Überlieferung des nationalen Egoismus, Vorstellungen des Alten Testamentes und die durch den Kalvinismus ausgelöste subjektioistisch-individualistische Energie werden ineinander wirksam zur Hervorbringung des englischen Jmperalismus. Die ganze Welt, wo auch nur immer Milch und Honig fließt, ist das Kanaan, das den Angelsachsen göttlich zugelobte Land. Die anderen Völker sind recht¬ lose Kanaanitcr, die ausgerottet werden mögen, wenn sie sich der Besitznahme ihres Landes durch die Erwählten Gottes widersetzen oder die Gnade finden vor den Augen der Eroberer, wenn sie als Knechte in deren Dienste treten, um

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/256>, abgerufen am 28.04.2024.