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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr.

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ZVar die zweite englische Rriegsanleihe ein Erfolg?

geführten Minimalpreise nicht verkauft werden. Wie könnten sie sich da an
der Anleihe in größerem Maße beteiligen? Ähnlich lautete eine Bemerkung
der Times (12. Juli), welche die Äußerungen verschiedener Banken wiedergab,
wonach die mittleren Kapitalisten sich nicht an der Anleihe beteiligt hätten,
sich nicht hätten beteiligen können. Die Times begründet dies damit, daß die
Frist zur Zeichnung zu kurz bemessen (drei Wochen I) gewesen sei. Diese Be¬
gründung ist aber nicht ernst zu nehmen, denn es stand jedem frei, sich auch
nach Schluß der Listen noch an der Anleihe durch Ankauf der alten Anleihe
und Konvertierung derselben zu beteiligen; daß dies nicht versucht wurde, geht
aus dem anhaltenden Falle der alten Anleihe auch nach dem 10. Juli hervor:
es herrschte Angebot, keine Nachfrage.

Wir kommen nun zu der Frage des Großkapitals. Aus den veröffentlichten
Zeichnungen geht hervor, daß sich in der Hauptsache die Kriegslieferanten und
Versicherungsgesellschaften an der Anleihe beteiligt haben. Die Gründe hierfür
sind klar; die Kriegslieferanten hatten infolge der Regierungsaufträge viel
flüssiges Geld, waren auch naturgemäß einem Druck der Negierung am leichtesten
zugänglich, -- die Versicherungsgesellschaften sind infolge ihrer Statuten auf
die Anlage in mündelsicheren Papieren angewiesen. -- Die Versicherungs¬
gesellschaften spielen in England vielfach die Rolle der Sparkassen und
Hypothekenbanken in Deutschland, der Rente perpetuelle in Frankreich; wer in
England die Zukunft seiner Familie oder sein eigenes Alter finanziell sichern
will, tut dies vermittels einer Police. Einzahlungen in Sparkassen, Ankauf
von Staatsrente des eigenen Landes liegt dem Durchschnittsengländer nicht.
Dieser Gewohnheit trägt auch die Negierung Rechnung, indem man bei der
Einkommensteuerdeklarierung berechtigt ist, die Versicherungsprämien in gewisser
Höhe vom steuerpflichtigen Einkommen abzuziehen. Was sonst noch an Geld
verfügbar ist -- und bei der gesteigerten Lebenshaltung der Engländer ist das
nicht viel, man pflegt scharf an die Grenze seines Einkommens mit seinen
Ausgaben zu gehen -- wird in Minen oder Gummiaktien angelegt, in hoch¬
spekulativen Werten, eine Tendenz, die in England seit den Tagen des South
Sea Bubbles zu verfolgen ist und zum Teil die koloniale Expansion Englands
ermöglicht hat.


Die Banken

Entgegen der ursprünglichen Absicht Me Kennas, die Banken nicht heran¬
zuziehen, hat man hier im Interesse der Anleihe seinen Standpunkt wechseln
müssen. Da Me Kenn" in seiner Programmrede die Beteiligung der Banken
ausdrücklich abgelehnt hatte, schwiegen sich die Zeitungen über eine eventuelle
Beteiligung der Banken an der Anleihe zunächst ganz aus, ja, sie wiesen
verschiedentlich darauf hin, daß die Banken ihr eigenes Geld nötig hätten,
insbesondere, da sie infolge der Zeichnung der Anleihe von ihren Depositen¬
geldern stark entblößt werden würden. Erst am 29. Juni befindet sich
eine Notiz in der Times, in der die Hoffnung ausgesprochen wird, die Banken


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ZVar die zweite englische Rriegsanleihe ein Erfolg?

geführten Minimalpreise nicht verkauft werden. Wie könnten sie sich da an
der Anleihe in größerem Maße beteiligen? Ähnlich lautete eine Bemerkung
der Times (12. Juli), welche die Äußerungen verschiedener Banken wiedergab,
wonach die mittleren Kapitalisten sich nicht an der Anleihe beteiligt hätten,
sich nicht hätten beteiligen können. Die Times begründet dies damit, daß die
Frist zur Zeichnung zu kurz bemessen (drei Wochen I) gewesen sei. Diese Be¬
gründung ist aber nicht ernst zu nehmen, denn es stand jedem frei, sich auch
nach Schluß der Listen noch an der Anleihe durch Ankauf der alten Anleihe
und Konvertierung derselben zu beteiligen; daß dies nicht versucht wurde, geht
aus dem anhaltenden Falle der alten Anleihe auch nach dem 10. Juli hervor:
es herrschte Angebot, keine Nachfrage.

Wir kommen nun zu der Frage des Großkapitals. Aus den veröffentlichten
Zeichnungen geht hervor, daß sich in der Hauptsache die Kriegslieferanten und
Versicherungsgesellschaften an der Anleihe beteiligt haben. Die Gründe hierfür
sind klar; die Kriegslieferanten hatten infolge der Regierungsaufträge viel
flüssiges Geld, waren auch naturgemäß einem Druck der Negierung am leichtesten
zugänglich, — die Versicherungsgesellschaften sind infolge ihrer Statuten auf
die Anlage in mündelsicheren Papieren angewiesen. — Die Versicherungs¬
gesellschaften spielen in England vielfach die Rolle der Sparkassen und
Hypothekenbanken in Deutschland, der Rente perpetuelle in Frankreich; wer in
England die Zukunft seiner Familie oder sein eigenes Alter finanziell sichern
will, tut dies vermittels einer Police. Einzahlungen in Sparkassen, Ankauf
von Staatsrente des eigenen Landes liegt dem Durchschnittsengländer nicht.
Dieser Gewohnheit trägt auch die Negierung Rechnung, indem man bei der
Einkommensteuerdeklarierung berechtigt ist, die Versicherungsprämien in gewisser
Höhe vom steuerpflichtigen Einkommen abzuziehen. Was sonst noch an Geld
verfügbar ist — und bei der gesteigerten Lebenshaltung der Engländer ist das
nicht viel, man pflegt scharf an die Grenze seines Einkommens mit seinen
Ausgaben zu gehen — wird in Minen oder Gummiaktien angelegt, in hoch¬
spekulativen Werten, eine Tendenz, die in England seit den Tagen des South
Sea Bubbles zu verfolgen ist und zum Teil die koloniale Expansion Englands
ermöglicht hat.


Die Banken

Entgegen der ursprünglichen Absicht Me Kennas, die Banken nicht heran¬
zuziehen, hat man hier im Interesse der Anleihe seinen Standpunkt wechseln
müssen. Da Me Kenn« in seiner Programmrede die Beteiligung der Banken
ausdrücklich abgelehnt hatte, schwiegen sich die Zeitungen über eine eventuelle
Beteiligung der Banken an der Anleihe zunächst ganz aus, ja, sie wiesen
verschiedentlich darauf hin, daß die Banken ihr eigenes Geld nötig hätten,
insbesondere, da sie infolge der Zeichnung der Anleihe von ihren Depositen¬
geldern stark entblößt werden würden. Erst am 29. Juni befindet sich
eine Notiz in der Times, in der die Hoffnung ausgesprochen wird, die Banken


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323972/175>, abgerufen am 26.05.2024.